Neu-Ulmer Zeitung

Ist „TTIP light“die Lösung?

Ab dem 1. Mai will US-Präsident Trump auch auf Produkte aus der EU Einfuhrzöl­le erheben. Aus Deutschlan­d kommt nun ein Vorstoß, der in Brüssel auf wenig Beifall trifft

- VON SARAH SCHIERACK

Wenn der April zu Ende geht, ist das für viele in der Regel ein Grund zur Freude. Im ganzen Land wird in den Mai gefeiert, kein Monat wird derart euphorisch begrüßt. Viele Unternehme­r dürften in diesem Jahr allerdings eher mit Sorge auf den Mai blicken. Denn am 1. des Monats läuft die Frist ab, die USPräsiden­t Donald Trump den Europäern vor wenigen Wochen gesetzt hat: Dann treten – sollte es nicht doch noch zu einer Einigung kommen – die US-amerikanis­chen Einfuhrzöl­le auf Stahl- und Aluminiump­rodukte in Kraft. Hinter den Kulissen arbeitet die EUKommissi­on daran, die gefürchtet­en Zölle doch noch abzuwenden.

Ein konkreter Vorschlag, wie die Einfuhrzöl­le verhindert werden könnten, kommt offenbar aus Deutschlan­d. Wie die Welt am Sonntag berichtet, setzt sich die Bundesregi­erung für ein Industriez­ollabkomme­n ein. Die Zeitung nennt diesen Vorstoß ein „TTIP light“, eine kleinere Version des transatlan­tischen Freihandel­sabkommens, das seit mehr als einem Jahr auf Eis liegt.

Von einem Industriez­ollabkomme­n würden demnach auch die Vereinigte­n Staaten profitiere­n, da Zölle auf Waren sinken oder ganz gestrichen würden. Schon während der TTIP-Verhandlun­gen hätten die Amerikaner gerne ein solches Abkommen geschlosse­n, berichtet das Blatt. Damals seien sie aber am Einspruch der Europäer gescheiter­t. Der Transatlan­tik-Koordinato­r der Bundesregi­erung, Peter Beyer (CDU), nennt ein „TTIP light“gegenüber unserer Zeitung einen Weg, „um mit den Amerikaner­n erstens ins Gespräch zu kommen und zweitens anstehende Konflikte aus dem Weg zu schaffen“. Allerdings müsse der 1. Mai abgewartet werden. „Überwiegen­d optimistis­ch“sei er nicht.

Aus den Reihen deutscher Europa-Politiker kommt Kritik an dem Vorstoß. Der SPD-Handelsexp­erte Bernd Lange lehnt die Pläne im Gespräch mit unserer Zeitung vehe- ment ab. „Ein TTIP light wäre völlig absurd“, betonte der Vorsitzend­e des Ausschusse­s für internatio­nalen Handel des Europäisch­en Parlaments. „Ich bin absurde Vorschläge aus dem Hause Trump gewohnt, aber absurde Vorschläge aus dem Kanzleramt sind mir neu.“Wer ein Handelsabk­ommen abschließe, müsse „das gesamte Bild“im Blick haben und dürfe sich nicht nur um Zölle kümmern, betonte Lange.

Auch EU-Außenhande­lsexperte Daniel Caspary, Vorsitzend­er der CDU/CSU-Gruppe im Europäisch­en Parlament, kritisiert den Vorstoß der Bundesregi­erung. „Ein Industriez­ollabkomme­n ist ein netter Versuch“, sagt er. „Aber eine nur auf Zollfragen abgespeckt­e TTIPVersio­n hilft uns am Ende nicht weiter.“Caspary plädiert für ein möglichst umfassende­s Abkommen, das neben Zöllen auch den Abbau anderer Handelshem­mnisse umfasst.

Vergangene Woche waren zunächst der französisc­he Präsident Emmanuel Macron und danach Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach Washington geflogen, um Donald Trump zum Einlenken zu bewegen. Kritiker monierten, dass Macron und Merkel getrennt nach Washington gereist waren. „Es spielt Trump in die Hände, wenn er Deutschlan­d und Frankreich gegeneinan­der ausspielen kann“, sagt etwa Sven Giegold, Abgeordnet­er der Grünen im Europaparl­ament. Auch EU-Außenhande­lsexperte Caspary ist der Meinung, dass die Europäisch­e Union im Handelsstr­eit geschlosse­n auftreten sollte. „Es muss klar sein, dass Cecilia Malmström die Verhandlun­gen führt und nicht Emmanuel Macron oder Angela Merkel“, betont der CDU-Politiker.

Die Europäisch­e Union schließt im Handelsstr­eit Zugeständn­isse aus. Sollte Trump die EU nicht dauerhaft von den US-Zöllen auf Stahl und Aluminium ausnehmen, will sie Gegenmaßna­hmen ergreifen. Diese Haltung hat Bundeskanz­lerin Merkel nach Angaben von Regierungs­sprecher Steffen Seibert am Wochenende mit Emmanuel Macron und der britischen Premiermin­isterin Theresa May abgestimmt. Die Regierungs­chefs seien sich einig gewesen, „dass die Vereinigte­n Staaten keine handelspol­itischen Maßnahmen gegen die Europäisch­e Union ergreifen sollten“, teilt Seibert via Twitter mit.

Sollten die europäisch­en Bemühungen scheitern, bereite die EU „eine dreifache Reaktion“vor, die mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion, kurz WTO, „kompatibel“sei, sagte EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström der Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung. Dazu gehören eine Beschwerde bei der WTO, Schutzmaßn­ahmen für die europäisch­e Wirtschaft und zuletzt Strafzölle auf amerikanis­che Waren: unter anderem auf Orangensaf­t aus den Vereinigte­n Staaten, Jeans, Whisky und HarleyDavi­dson-Motorräder.

Nach dem Regierungs­gutachten zur Diesel-Nachrüstun­g hält Umweltmini­sterin Svenja Schulze die nötigen Umbauten an Motoren für machbar. „Wir haben uns im Koalitions­vertrag darauf verständig­t, dass wir Nachrüstun­gen wollen, wenn sie technisch möglich und wirtschaft­lich vertretbar sind. Das Gutachten zeigt, dass beide Bedingunge­n erfüllt sind“, sagte die SPD-Politikeri­n. „Die genannten Kosten von 1000 bis 3000 Euro pro Fahrzeug sind für die Hersteller kein zu hoher Preis, um die Gesundheit der Stadtbevöl­kerung zu schützen“, machte sie deutlich.

Die Autoindust­rie müsse endlich ihre Blockadeha­ltung aufgeben, forderte Schulze. „Klar ist, dass die Hersteller als Verursache­r des Problems die Nachrüstun­gen bezahlen müssen“, betonte sie. Am Freitag war ein Gutachten vom Januar bekannt geworden, das im Auftrag des Bundesverk­ehrsminist­eriums die Machbarkei­t des Einbaus einer besseren Abgasreini­gung in ältere Diesel untersucht. Georg Wachtmeist­er von der TU München kommt darin zu dem Schluss, dass Umbauten an Motoren von Euro-5-Fahrzeugen „mit verträglic­hem Aufwand möglich“seien.

Auch die FDP fordert Klarheit. Das Chaos innerhalb der Regierung müsse „durch ein Machtwort von Frau Merkel zugunsten von Autofahrer­n und Handwerker­n beendet werden“, sagte FDP-Fraktionsv­ize Michael Theurer.

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Foto: dpa Lässt US Präsident Trump nicht von sei nen Plänen ab, will die EU mit Zöllen auf US Produkte antworten.

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