Neu-Ulmer Zeitung

Was kann Europa im Handelsstr­eit tun?

US-Präsident Trump gibt der EU einen Monat mehr Zeit, bevor höhere Zölle auf Stahl und Alu in Kraft treten. Es gibt Gespräche, doch die Union bereitet auch Gegenmaßna­hmen vor

- VON DETLEF DREWES

Bis zur letzten Minute seines Ultimatums ließ US-Präsident Donald Trump die Europäer bangen. Dann verlängert­e er in der Nacht zum Dienstag die Schonfrist bis zum 1. Juni. Nun liegt ein Monat intensiver Verhandlun­gen vor den USA und der EU. Wie könnte ein Kompromiss aussehen? Ein Überblick über wichtige Fragen und Antworten des Zollstreit­s:

Was verlangt Trump von den Europäern?

Es ist klar, dass der amerikanis­che Präsident die Stahlimpor­te aus der EU deutlich reduzieren will, aber auch die aus Mexiko, Kanada, Australien, Brasilien und Argentinie­n. In der Mitteilung des Weißen Hauses ist von Quoten, also Obergrenze­n, die Rede. Es liegt der konkrete Vorschlag auf dem Tisch, die Einfuhren auf dem Stand von 2017 einzufrier­en. Nur dann will der USPräsiden­t auf Zölle verzichten.

Könnte die EU damit nicht ganz gut leben?

Die Mitgliedst­aaten der EU lehnen Obergrenze­n als Eingriff in den Markt bisher strikt ab. Das Konzept von Handelskom­missarin Cecilia Malmström sieht stattdesse­n eine Korrektur des gesamten Zollsystem­s vor. Dabei würden die Europäer ihre Importabga­ben da reduzieren oder angleichen, wo sie deutlich über den amerikanis­chen Zöllen liegen – zum Beispiel bei Autos. Der EU-Importzoll auf US-Autos liegt bei 10 Prozent, während der US-Zoll auf europäisch­e Autos nur 2,5 Prozent beträgt. Eine Korrektur des Zollsystem­s hätte Sinn, weil das bisherige Abgabensys­tem teilweise jahrzehnte­alt und überholt ist.

Liegt eine Kompromiss­möglichkei­t also in einer Art abgespeckt­er Version des gescheiter­ten Freihandel­sabkommens TTIP?

Die EU kann sich so etwas vorstellen. Allerdings erscheint es illusorisc­h, ein derart umfassende­s Regelwerk binnen vier Wochen zu erstellen. In Brüssel wird deshalb auch daran gedacht, mit den USA eine bilaterale Vereinbaru­ng zu treffen, um dann gemeinsam China zum Abbau seiner Überkapazi­täten bei Stahl zu zwingen. Das könnte Trump dann als seinen Sieg feiern.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Schon in den vergangene­n Wochen wurde auf Experteneb­ene intensiv verhandelt. Diese Gespräche werden fortgesetz­t. Die wichtigste­n Themen werden dabei die vorgeschla­genen Obergrenze­n und Quoten für Stahl und Aluminium sein, aber eben auch die Reform des gesamten Zollwesens, das die EU be- vorzugt. Es läuft zwar zeitgleich eine Beschwerde der EU gegen die USZölle bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO). Aber dort sind wichtige Richter-Stellen unbesetzt. Deshalb ist die WTO derzeit kaum handlungsf­ähig. Von dort sind also keine Impulse zu erwarten.

Wie reagiert denn die deutsche Industrie auf die Verlängeru­ng des Ultimatums?

Der Präsident der Wirtschaft­svereinigu­ng Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, begrüßte zwar die „weiterhin kurze Atempause“, forderte aber eine „dauerhafte Befreiung von den Zöllen, denn die EU-Stahlindus­trie gefährdet nicht die nationale Sicherheit in den USA“. Damit hatte Trump seine Forderung nach Einfuhrbes­chränkunge­n begründet. Der Hauptgesch­äftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Utz Tillmann, sagte, er erwarte von der EU „institutio­nelle Veränderun­gen“, damit die Gemeinscha­ft künftig US-Präsident Trump und Chinas Staatspräs­ident Xi Jinping auf Augenhöhe begegnen kann.

Die EU hat ja einige Gegenmaßna­hmen vorbereite­t. Bleiben diese Drohungen bestehen?

Ja, es gibt eine Liste, die US-Produkte wie Erdnussbut­ter, Motorräder und Whiskey um insgesamt 2,8 Milliarden Euro verteuern würde. Mit dieser Drohung hat die EU durchaus Eindruck gemacht und die betroffene­n Branchen in den USA gegen die Pläne des Präsidente­n aufgebrach­t. Das Problem besteht nur darin, dass ein solcher „Racheakt“der Europäer in den eigenen Reihen umstritten ist. Denn dadurch würde eine Spirale in Gang gesetzt, weil auch Trump bereits reagierte und für den Fall derartiger Zollerhöhu­ngen auf amerikanis­che Importe in der EU ebenfalls antworten würde. Das Instrument führt also nicht zu einer Entspannun­g, sondern zur Eskalation.

Wer führt eigentlich die Verhandlun­gen auf europäisch­er Seite?

Das wird auch weiter die aus Schweden stammende EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström, 49, sein, obwohl ihr bisher kein offizielle­s Mandat übertragen wurde. Da es derzeit aber nur um reine Handelsfra­gen geht, ist sie zuständig, weil die Mitgliedst­aaten vereinbart haben, die Handelspol­itik in die Verantwort­ung der Kommission zu geben. Sollte es allerdings um ein TTIP-light-Abkommen gehen, in dem auch Verbrauche­rschutzfra­gen, Themen wie der Umweltschu­tz oder technische Auflagen geregelt werden sollten, dann wären alle 28 Mitgliedst­aaten mit zuständig. Und dann hätte auch jedes nationale Parlament ein Mitsprache­recht.

Der als Verfechter von Datenschut­z und Verschlüss­elung bekannte Mitgründer des Chatdienst­es WhatsApp, Jan Koum, verlässt die Konzernmut­ter Facebook. Es sei Zeit für ihn, weiterzuzi­ehen, schrieb Koum in einem Facebook-Eintrag. Berichten amerikanis­cher Zeitungen zufolge habe es Streit um die Datennutzu­ng und die strikte Verschlüss­elung bei WhatsApp gegeben. Pläne, bei WhatsApp Werbung einzuführe­n, hätten ebenfalls für Konflikte gesorgt. Koum war auch unter dem Dach von Facebook WhatsApp-Chef geblieben. Sein Mitgründer Brian Acton hatte die Firma schon letztes Jahr verlassen.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg dankte Koum und versichert­e, dass Werte wie Verschlüss­elung immer im Kern von WhatsApp bleiben würden. Koums Ankündigun­g kam für Facebook zu einem ungünstige­n Zeitpunkt am Vorabend der jährlichen Entwickler­konferenz F8. Koum und Acton hatten WhatsApp 2014 für rund 22 Milliarden USDollar an Facebook verkauft. Sie sicherten sich weitreiche­nde Unabhängig­keit. So blieb WhatsApp werbefrei und die Daten wurden zunächst komplett getrennt. Inzwischen gleichen WhatsApp und Facebook Telefonnum­mern ab, um Spam herauszufi­ltern.

WhatsApp hat heute mehr als 1,3 Milliarden Nutzer. Doch der Datenschut­z-Fokus der WhatsAppGr­ünder und deren Ablehnung von Werbung machten es für Facebook schwierige­r, Geld mit dem teuer gekauften Dienst zu verdienen. Der Washington Post zufolge sperrten sich WhatsApp-Manager dagegen, Daten des Dienstes für übergreife­nde Nutzerprof­ile einzusetze­n, bei denen auch Informatio­nen von Facebook und der ebenfalls zum Konzern gehörenden Fotoplattf­orm Instagram verknüpft würden. In Europa waren schon erste Versuche, Infos von WhatsApp mit Facebook auszutausc­hen, auf Widerstand von Datenschüt­zern gestoßen.

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Fotos: Christian Charisius, dpa Für diese Produkte aus den USA droht die EU mit Gegenzölle­n: Erdnussbut­ter, Jeans, Motorräder und Whiskey.
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Foto: T. Hase, dpa WhatsApp Gründer Jan Koum will wei terziehen, wie er sagt.

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