„Müssen uns wieder hinten anstellen“
Bundestrainer Sturm steht vor einer schwierigen Aufgabe. Olympia-Silber hat Erwartungen geweckt. Doch vom Überraschungsteam aus Südkorea ist nicht mehr viel übrig
Olympia zählt nicht mehr. „Halbfinale bei einer WM, das ist ziemlich weit weg“, sagte Eishockey-Bundestrainer Marco Sturm im Interview der Deutschen PresseAgentur. „Es ist ein neuer Anfang, ein komplett anderer Kader als vor zwei Monaten. Deswegen wird es für uns enorm schwierig werden, an die Erfolge anzuknüpfen.“
Mit nur zehn Finalisten von Pyeongchang, dafür aber mit sieben Nordamerika-Spielern inklusive NHL-Star Leon Draisaitl, geht der Silberschmied der Winterspiele die komplizierte Weltmeisterschaft in Dänemark an. Die Erwartungen vor dem Auftakt am Freitag gegen den WM-Gastgeber (20.15 Uhr/Sport1) sind trotz des Umbruchs riesig. Eine neue Eishockey-Begeisterung soll entfacht werden. Allerdings sind Olympia-Hauptdarsteller wie Christian Ehrhoff und Marcel Goc zurückgetreten. Insgesamt 15 Winterspiele-Teilnehmer, die vor zwei Monaten zum größten Erfolg des deutschen Eishockeys beigetragen haben, reisten am Dienstag nicht mit nach Herning.
Angeführt vom NHL-Trio Draisaitl, Dennis Seidenberg und Korbinian Holzer will die Auswahl dennoch zum dritten Mal in Serie ins WM-Viertelfinale einziehen. Sturm setzt auch gezwungenermaßen auf ein stark verjüngtes Team, darunter sieben Turnier-Debütanten. „Ich glaube, das ist der richtige Weg, um langfristig wieder neue Ehrhoff, Goc und Reimer zu produzieren“, sagte Verteidiger Moritz Müller. Sturm war auch kurz vor der Abreise noch mal gezwungen, seinen Kader umzubauen. Wegen einer Knieverlet- zung verlängerte Angreifer Marcel Müller die Liste der Absagen, Mirko Höfflin wurde nachnominiert. Der Druck ist allerdings spürbar, den Hype bestätigen zu müssen, soll die Euphorie nicht gleich wieder verpuffen. „Natürlich sind jetzt die Erwartungen höher als normal. Aber eigentlich hat sich nichts verändert, rein vom Spielerischen, vom Kader her“, sagte Sturm. „Wir können jetzt nur wegen Olympia-Silber nicht von heute auf morgen neue Spieler produzieren. Wir müssen uns wieder hinten anstellen.“Eine Sensation wie in Südkorea scheint unmöglich. Die Spieler der besten Liga der Welt heben die Kontrahenten auf ein höheres Niveau. Sturm hat sich zum Ziel gesetzt, auch nach der WM unter den Top acht der Weltrangliste zu stehen. Seit seiner Amtsübernahme im Sommer 2015 hat er die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bunds von Rang 13 auf 7 geführt. Das Olympia-Wunder schaffte der Dingolfinger allein mit Spielern aus der Deutschen Eishockey Liga. Diesmal baut der deutsche NHL-Rekordprofi auf sieben Spieler aus Nordamerika. Hinzu kommt der Münchner Dominik Kahun als künftiger Stürmer des NHLTeams Chicago Blackhawks.
Noch hofft der Bundestrainer zudem auf NHL-Goalie Philipp Grubauer, der allerdings nur im Falle eines Ausscheidens mit Washington eine starke Option wäre. Kommen die Capitals in den NHL-Play-offs gegen Pittsburgh weiter, könnte Stürmer Tom Kühnhackl nachreisen. Ohne Grubauer als Nachrücker könnte sich die Torhüter-Position allerdings als Schwachstelle erweisen. Nur Timo Pielmeier hat WMErfahrung, der bei Olympia überragende Danny aus den Birken fehlt verletzt. Aus den nordamerikanischen Minor-Leagues holte Sturm Frederik Tiffels (22), Markus Eisenschmid (23) und Manuel Wiederer (21) ins Team, Marc Michaelis (22) erhält als College-Spieler eine Chance. Michael Greis wird neuer Cheftrainer der amerikanischen Biathleten. Seine Sternstunde als Aktiver hatte der mittlerweile 41 Jahre alte Greis bei den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin, als er drei Goldmedaillen holte. Der Nesselwanger gewann im Winter 2006/2007 zudem den Gesamtweltcup, der dreimalige Weltmeister trat im Dezember 2012 zurück. Zuletzt arbeitete er als Trainer am Schweizer Bundesstützpunkt in Lenzerheide. Der ehemalige Trainer Thomas Schaaf kehrt als Technischer Direktor zu Werder Bremen zurück. Der 57-Jährige übernimmt am 1. Juli den neu geschaffenen Posten. Schaaf ist seit 1972 im Verein. Von 1978 bis 1995 spielte er als Profi für die Bremer und wurde 1988 und 1993 deutscher Meister. Von 1999 bis 2013 arbeitete er als Cheftrainer für Werder. Felix Neureuther kann nach seinem Kreuzbandriss wieder vorsichtig Ski fahren. 20 Wochen nach seiner schweren Knieverletzung postete Deutschlands bester Skirennfahrer ein Video von sich, das ihn beim leichten Carven im Touristenoutfit zeigt. Zur neuen Saison, die im Oktober in Sölden beginnt, will der 34-Jährige wieder ganz gesund und belastbar sein.