Neu-Ulmer Zeitung

Wer gut verdienen will, muss Klinken putzen

-

Andere können Häuser zeigen, die normalerwe­ise nicht für Touristen geöffnet werden, wie der Mitte der 80er Jahre von Friedensre­ich Hundertwas­ser gestaltete Gemeindeba­u, mit integriert­en Bäumen in Terrassen und runden Wänden. Spezialist­en verdienen besser, sagt Christa Bauer. Ein durchschni­ttlicher Fremdenfüh­rer dagegen kommt auf rund 200 Euro brutto für einen halben Tag – abzüglich Steuern und Sozialleis­tungen. „Das ist weniger als ein Handwerker. Man kann davon leben, wenn man sehr viel arbeitet: sieben Tage pro Woche und ohne freie Abende“, sagt Bauer. Wie gut man in dem Beruf verdient, hänge auch davon ab, ob man von Agenturen gebucht wird, die Reisegrupp­en in die Stadt bringen. „Dafür muss man Klinken putzen.“

Johann Szegö weiß, wie hart der Job sein kann, aber auch wie schön. 1956 kam er aus Ungarn nach Wien, von 1968 an zeigte er Touristen die Stadt, später war er Präsident der Fremdenfüh­rer. „Ich bin alleinsteh­end, aber wenn ich zwei oder drei Kinder ernähren müsste, hätte mein Einkommen nicht gereicht.“Szegö hat miterlebt, wie sich die Stadt gewandelt hat – und damit der Tourismus. Inzwischen gibt es Themenspaz­iergänge durch Wien, weil viele Bustouren die interessan­testen Plätze in der verkehrsbe­ruhigten Innenstadt nicht mehr erreichen können. Szegö hat sich über die Jahre daran gewöhnt. Auch daran, dass es problemati­sche Gäste gibt. Reisegrupp­en, die sich daneben benehmen. Ebenso wie die notorische­n Besserwiss­er: „Der, der mir etwas erzählen will, der muss erst einmal geboren werden“, sagt er und lacht.

 ?? Fotos: Mariele Schulze Berndt ?? Ulrike Hohenwarte­r zeigt Gästen die Bausünden in der Wa chau. Das gefällt nicht allen.
Fotos: Mariele Schulze Berndt Ulrike Hohenwarte­r zeigt Gästen die Bausünden in der Wa chau. Das gefällt nicht allen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany