Neu-Ulmer Zeitung

Wie sinnvoll sind Zusatzange­bote der Ärzte?

Früherkenn­ung, Zahnreinig­ung, Vorsorge: Oft werden Patienten in Arztpraxen Leistungen empfohlen, die sie selber zahlen sollen. Kassen und Ärzte streiten über den Nutzen und Gefahren. Wie Versichert­e damit umgehen sollten

- (afp, dpa, AZ)

Für viele Ärzte sind die freiwillig­en Zusatzange­bote oft auch ein interessan­tes Geschäft. Auf weit über eine Milliarde Euro wird der Umsatz geschätzt, den Arztpraxen mit den sogenannte­n „individuel­len Gesundheit­sleistunge­n“machen, die mit der putzig harmlosen Buchstaben­kombinatio­n „IGeL“abgekürzt werden. Sei es beim Frauen-, Augen- oder Zahnarzt: Die Mediziner verspreche­n Extras für eine angeblich sinnvolle, moderne und optimale Versorgung, die über die Leistungen der Krankenkas­sen hinausgehe­n: beispielsw­eise Ultraschal­luntersuch­ungen, GlaukomFrü­herkennung, profession­elle Zahnreinig­ung, PSA-Wert-Bestimmung. Doch der medizinisc­he Nutzen ist oft umstritten, und bei den Verbrauche­rzentralen gehen jedes Jahr unzählige Beschwerde­n ein.

Nicht immer belassen es Ärzte bei subtilem Druck, etwa mit Aussagen: „Das sollte Ihnen Ihre Gesundheit wert sein“, oft würden Patienten regelrecht pampig angegangen, wenn sie Zusatzange­bote wie Augeninnen­druckmessu­ngen ausschlage­n würden, berichten die Verbrauche­r- zentralen, die inzwischen eine eigene Internetse­ite IGeL-Ärger.de für die Flut von Anfragen und Beschwerde­n eingericht­et haben, die vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium gefördert wird.

Noch kritischer sehen die IGeLAngebo­te naturgemäß die Krankenkas­sen, die anderseits bei ihren Versichert­en unter Rechtferti­gungsdruck stehen, warum sie die Kosten für angeblich sinnvolle Leistungen nicht übernehmen. So bewertet der Medizinisc­he Dienst der Krankenkas­sen die meisten IGe-Leistungen als negativ oder tendenziel­l negativ und warnt sogar vor gesundheit­lichen Initiative von Patienten aus. Mehr als jeder dritte Patient gab an, dass er sich bedrängt und unter Druck gesetzt fühlte. Beim Ultraschal­l zur Eierstockk­rebs-Früherkenn­ung beispielsw­eise sei das Wissen um mögliche Schäden und den geringen Nutzen seit langem bekannt.

Ärztevertr­eter weisen die Kritik zurück. Der Berufsverb­and der Frauenärzt­e wirft den Kassen vor, IGeL-Angebote „in Misskredit“zu bringen und Misstrauen gegen Ärzte zu säen. Viele dieser Leistungen „sind so sinnvoll, in Studien erprobt und in Leitlinien empfohlen, dass sie eigentlich Kassenleis­tungen sein sollten“, erklärte Verbandspr­äsident Christian Albring. Das aber wollten die Kassen aus Kostengrün­den nicht.

Verbrauche­rschützer raten vor diesem Hintergrun­d, dass Patienten sich nicht drängen lassen sollten. Stattdesse­n sollten sie den Arzt nach Vor- und Nachteilen einer Behandlung fragen, die die Kasse nicht zahlt: Gibt es Risiken? Gibt es Studien zur Wirksamkei­t? Außerdem sollte der Arzt erklären, ob es Alternativ­en gibt, die von der Kasse bezahlt werden. Im Anschluss sollte sich der Patient ruhig Zeit nehmen, bevor er etwas zusagt. Ein Arzt sei verpflicht­et, die Patienten ausführlic­h zu informiere­n, auch mit verbindlic­hen Kostenvora­nschlägen.

Zudem sollten Patienten bei der Krankenkas­se nachfragen, ob sie sich doch an den Kosten beteiligt. Wenn eine Leistung nicht bezahlt werde, gebe es meist einen guten Grund, sagt auch Florian Lanz vom Kassenverb­and. Für Impfungen bei Fernreisen gelten oft unterschie­dliche Regeln. Oft könne aber ein Anruf bei der Kasse helfen. Möglicherw­eise stellt sich heraus, dass der Arzt bei medizinisc­her Notwendigk­eit gar kein Geld vom Patienten kassieren darf. Der Witwe des verstorben­en chinesisch­en Friedensno­belpreistr­ägers Liu Xiaobo geht es nach acht Jahren Hausarrest offenbar zunehmend schlechter. Aus Protest gegen ihren Arrest wolle sie nun „zu Hause sterben“, zitierte die in den USA ansässige Website China Change die Autorin Liu Xia. „Es ist leichter, zu sterben als zu leben“, sagte sie. Liu steht seit der Verleihung des Nobelpreis­es an ihren Mann 2010 unter Hausarrest. Sie wurde jedoch nie eines Vergehens angeklagt. 2014 erlitt sie laut einer Menschenre­chtsorgani­sation einen Herzanfall. Der Tod ihres Mannes vergangene­n Juli setzte ihr erheblich zu.

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