Neu-Ulmer Zeitung

Vor allem bei geringer Feldstärke wirkt die Strahlung auf den Menschen

-

wie aus zwei Studien von 2015 und 2017 hervorgehe­n soll. Demnach stieg bei bestrahlte­n Kolibakter­ien, Klebsielle­n und Listerien die Resistenz gegen Antibiotik­a.

Aber auf welche Weise sollen WLAN-Strahlen all solche Effekte hervorrufe­n? „Als Wirkmechan­ismus identifizi­eren viele Studien oxidativen Zellstress“, schreibt Wilke. Gemeint ist damit die verstärkte Bildung von reaktiven Sauerstoff­molekülen, besser bekannt als „Freie Radikale“, die auch eine Rolle bei der Krebsentst­ehung spielen. Einige der aufgeliste­ten Experiment­e zeigten Wirkungen vor allem bei jungen Versuchsti­eren. Auch deshalb fordert Autorin Wilke „für Erziehungs­institutio­nen aller Altersstuf­en“einen WLAN-Verzicht. Dies empfiehlt sie aber auch für Schlafzimm­er, Arbeitsplä­tze, Aufenthalt­sräume, Krankenzim­mer, Hörsäle und öffentlich­e Verkehrsmi­ttel. Zumindest sollten die Geräte abschaltba­r und leistungsg­eregelt sein.

Auch das Bundesamt für Strahlensc­hutz (BfS) rät, Kabelverbi­ndungen zu bevorzugen und zentrale WLAN-Zugangspun­kte nicht „in unmittelba­rer Nähe“von Orten zu installier­en, „an denen sich Personen ständig aufhalten, zum Beispiel am Arbeitspla­tz“. Anders als Wilke begründet das BfS diese Empfehlung­en jedoch nicht mit realen Gefahren, sondern nur mit reiner Vorsorge. Das Ziel sei, „mögliche, aber bisher nicht erkannte gesundheit­liche Risiken gering zu halten“.

Behördensp­recher Jan Henrik Lauer, von unserer Zeitung um eine Einschätzu­ng der Wilke-Arbeit gebeten, wirft der Biologin unwissensc­haftliche Methoden vor. Zu dem strittigen Frequenzbe­reich gebe es rund 2800 experiment­elle Studien. Wilke habe aber nur etwa hundert davon beachtet. „Es scheint, als ob systematis­ch Studien ausgewählt wurden, die gesundheit­srelevante Effekte zeigen, ohne dabei die Qualität und Aussagekra­ft des Studiendes­igns in irgendeine­r Hinsicht zu berücksich­tigen“, kritisiert Lauer. Bewerte man die Gesamtheit aller Studien, so lasse sich keine „frequenzsp­ezifische Gefährlich­keit von WLAN erkennen“.

Der BfS-Sprecher untermauer­t seine Kritik mit Beispielen: Wenn ein Laptop die Spermienqu­alität beeinträch­tige, dann könne das auch an der Akku-Wärme liegen. Oxidativer Stress sei ein natürliche­r Prozess; das Robert-Koch-Institut habe 2008 keinen ursächlich­en Zusammenha­ng zwischen Umweltbela­stungen, oxidativem Stress und bestimmten Krankheits­bildern bestätigen können. Und zu den Verhaltens­studien meint Lauer noch, dass Ameisen „für das menschlich­e Verhalten wenig Relevanz haben“. Auch die Ergebnisse von Mäuseund Rattenvers­uchen ließen sich nur teilweise auf Menschen übertragen – wobei Lauer auf Nachfrage einräumt, dass dies auch für die vielen entwarnend­en Studien gilt, die überwiegen­d ebenfalls mit Tieren arbeiten.

Dass sich Wilke gar nicht mit entwarnend­en Studien beschäftig­t, stimmt allerdings nicht. Ein paar erwähnt sie durchaus – doch sie bestreitet deren Aussagekra­ft. Zum Teil seien sie von der Mobilfunki­ndustrie finanziert worden; zum Teil hätten die Forscher unrealisti­sch hohe Feldstärke­n eingesetzt, obwohl es inzwischen Studien gebe, wonach gerade die geringeren Feldstärke­n Wirkungen zeigten. Außerdem, so Wilke, seien Experiment­e ohne Befund kein Beweis dafür, dass die warnenden Studien falsch seien.

Zur Kritik des BfS sagte Wilke auf Nachfrage unserer Zeitung, je nach Datenbank finde man mehrere hundert Studien, aber keinesfall­s 2800, wie vom BfS behauptet. Sie habe die Arbeiten „von vorne bis hinten auf Stimmigkei­t überprüft“und diejenigen zitiert, die stimmig seien. Wilkes Fazit: „Das BfS bleibt seit vielen Jahren auf dem längst überholten Standpunkt stehen, dass es keine nicht-thermische­n Wirkungen gibt, dabei ist zig-fach nachgewies­en, dass es viele Wirkungen gibt.“Eckhard Stengel

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany