Krebszellen zerstören, Haare behalten
Ulmerin ist eine der ersten Patientinnen in der Donauklinik, die ein spezielles Kopfkühl-Gerät benutzt haben
Es ist hell und freundlich in dem kleinen Raum mit Blick auf das Donauufer: Bequeme Sessel mit Kissen und Decken laden zum Verweilen ein, auf einem kleinen Schrank steht ein gefüllter Obstkorb neben Kaffeemaschine und einem Angebot an verschiedenen Teesorten. Auf zwei kleinen grünen Tischen liegen verschiedenste Zeitschriften. Christina kennt sich in dem Raum gut aus: Schon 15-mal hat die 44-Jährige, die ihren vollen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, hier einen halben Tag verbracht – angeschlossen an eine Infusion, die die Krebszellen in ihrem Körper zerstören sollen. Auf dem Kopf trägt Christina dabei eine spezielle Haube, die verhindern soll, dass ihr während der Chemotherapie die Haare ausfallen. Wie berichtet, gibt es seit Herbst vergangenen Jahres zwei dieser Kopfkühl-Geräte in der Abteilung Senologie der NeuUlmer Donauklinik – und Christina ist eine der ersten Brustkrebs-Patientinnen, die jetzt ihre Therapie ohne Haarausfall beendet.
Die Diagnose erhielt die 44-jährige Ulmerin im Oktober vergangenen Jahres: Bei einem Ultraschall war ein bösartiges Geschwür in ihrer linken Brust zu erkennen. „Ich habe sofort gesehen, dass da etwas ist, was nicht so gut aussieht“, erinnert sie sich. Es war ein Tumor, wie sich herausstellen sollte. „Diese Diagnose zieht einem natürlich den Teppich unter den Füßen weg.“Ihre Frauenärztin empfahl die Behandlung in der Donauklinik Neu-Ulm. Dort wurde Christina dann die neuartige Behandlung mit der Kühlhaube angeboten – so wie jeder Brustkrebspatientin, die in die Klinik kommt. „Ich hätte mich ganz sicher nicht so positiv für die Chemotherapie motivieren können – und das ist wichtig –, wenn ich nicht die Chance gehabt hätte, das mit der Kühlhaube zu machen“, erklärt die 44-Jährige.
Das spezielle Gerät funktioniert so: Die Haube aus Silikon wird mittels Sensorsteuerung auf etwa fünf Grad Celsius abgekühlt. Dadurch verengen sich die Blutgefäße – und das Medikament, das bei der Chemotherapie in den Blutkreislauf gegeben wird, kommt nicht bei den Haarwurzeln an. „Es merkt nicht jeder im Alltag sofort, dass man krank
ist. Man kann selbst entscheiden, wem man von der Krankheit erzählt – und wem nicht“, erklärt Oberärztin Stephanie Gossmann. Haarverlust sei manchen Patientinnen zwar gar nicht so wichtig, bei anderen aber ein wichtiges Thema. Bislang habe auf jeden Fall jede Patientin, die wollte, das Kühlgerät nutzen können, erzählt Gossmann. Derzeit sind es fünf. Jede von ihnen muss für die komplette Behandlungsdauer nur eine Gebühr von 250 Euro zahlen – ganz egal, wie viele Sitzungen eine Patientin braucht.
Das Herunterkühlen ist für die Frauen nicht gerade angenehm, wie Gossmann und ihre Kollegin Oberärztin Gabriele Müller-Bartusek berichten. Da habe es eine Frau gege-
ben, der es so „immens wichtig“gewesen sei, ihre Haare zu behalten, dass sie die Behandlung mit der Kühlhaube dennoch „stoisch durchgezogen“habe, erinnert sich Gossmann. Müller-Bartusek ergänzt: „Manche sagen aber auch, das geht für mich nicht – und dann muss man’s auch lassen.“
Auch für Christina war das Tragen des Kühlgeräts nicht leicht: „Es gab am Anfang einen Temperaturbereich, der besonders unangenehm war. Da dachte ich: Das halte ich keine fünf Minuten aus.“Mittlerweile habe sich ihr Körper aber an das Gefühl gewöhnt, manchmal komme es vor, dass sie die Kälte gar nicht mehr spüre. „Ich dachte schon einmal, dass die Haube gar nicht
richtig funktioniert“, erinnert sie sich und lacht.
Christina ist, wie sie sagt, „unglaublich erleichtert und sehr dankbar“, dass sie das Gerät nutzen konnte. „Man wirkt tatsächlich nicht krank“, sagt sie. Ihre elfjährige Tochter habe ihr sogar schon einmal gesagt: „Du bist gar nicht krank, du hast nur Urlaub.“Das kommt aber nicht von ungefähr – Christina tut viel dafür, trotz der zehrenden Chemotherapie so fit wie möglich zu sein: Sie fastet rund um die Chemo – immer 36 Stunden vor und 24 Stunden nach jeder einzelnen Behandlung. Laut Studien unterstützt das den medizinischen Erfolg, ebenso wie Sport. Christina klettert, geht joggen, Mountainbike fahren –
dabei habe sie bis zu ihrer Diagnose eigentlich kaum Sport gemacht. Es gehe darum, was man selbst noch dazu beitragen kann, dass die Behandlung gut laufe, erklärt Christina. „Und nach dem Fasten ist man fit wie ein Turnschuh.“Beim Klettern schaffe sie jetzt teilweise Routen, die sie vor ihrer Erkrankung nicht geschafft hatte.
Morgen ist Christinas letzte Chemotherapie-Sitzung – trotz der danach noch folgenden Operation, Bestrahlung und weiteren Behandlung ein ganz besonderer Tag. Wirklich feiern wird sie das vor Ort aber nicht können – schließlich fastet sie auch dieses Mal wieder. „Sonst hätte ich Schokolade mitgebracht“, sagt die 44-Jährige und lacht.