Neu-Ulmer Zeitung

Wie konnte das passieren?

Ein Personenzu­g fährt in Aichach in einen stehenden Güterzug, zwei Menschen sterben. Die Ermittler schließen ein technische­s Problem aus, der Fahrdienst­leiter soll verantwort­lich sein. Das Unglück weckt Erinnerung­en an eine andere Katastroph­e

- VON CLAUDIA BAMMER, ERICH ECHTER, CARMEN JUNG UND SONJA KRELL

Am Morgen danach ist es ruhig. Im Aichacher Bahnhofsca­fé ist viel weniger los als sonst. Stiller sind auch die Menschen, sagt eine Verkäuferi­n. Am Bahnhofsvo­rplatz sammelt sich eine 10. Klasse der Aichacher Realschule. Eigentlich will sie die Netzleitst­elle der Lechwerke in Augsburg besuchen. Vermutlich wird das nichts mehr. Die Verzögerun­g ist schon zu groß. Ärger? Lehrerin Angelika Lechner verneint. Sie und ihre Schüler wissen ja, warum die Zugstrecke gesperrt ist. In nur 700 Metern Entfernung ist am Vorabend ein Triebwagen in einen stehenden Güterzug geprallt. Zwei Menschen haben ihr Leben verloren – der 37 Jahre alte Lokführer des Personenzu­ges und eine 73 Jahre alte Frau, die in Aichach aussteigen wollte und deshalb schon an der Tür stand. 14 Fahrgäste sind verletzt, zwei davon schwer.

Es ist der eindringli­che Klang einer Dauerhupe, die einen Anwohner im Aichacher Ortsteil Algertshau­sen gegen 21.15 Uhr aufschreck­t. Er gießt gerade seinen Garten, als die Hupe ertönt. Und schaut hinüber zur Bahnlinie. Dann gibt es den enormen Knall. „Als ob ein Haus eingestürz­t ist“, schildert Zugverkehr durch knapp 2800 Stellwerke. Die mechanisch betriebene­n machen 27 Prozent aus, vor allem noch auf Nebenstrec­ken. Bahntechni­k-Experte Prof. Edmund Mühlhans erklärt: „Gegen diese Technik ist grundsätzl­ich nichts einzuwende­n, sie ist nach wie vor zulässig.“Allerdings, räumt er ein, hätten die Mitarbeite­r, die direkt am Bahngleis sitzen, hier mehr Verantwort­ung. „Der Fahrdienst­leiter muss sich durch Augenschei­n vergewisse­rn, dass das Gleis, in das ein Zug fahren soll, frei ist“, sagt Mühlhans. Einen Sicherheit­smechanism­us, der Alarm schlägt, wenn eine Weiche falsch gestellt ist, gibt es in diesem Fall nicht. „Bei den elektrisch­en und elektronis­chen Stellwerke­n ist das anders. Da ist es technisch nicht möglich, einen Zug in ein besetztes Gleis zu lassen.“Ob die eintretend­e Dunkelheit eine Rolle gespielt hat? Daran glaubt Mühlhans nicht.

Ein ehemaliger Fahrdienst­leiter, der bis 1992 an dieser Stelle in Aichach gearbeitet hat, sagt der Süddeutsch­en Zeitung: „Es ist ruckzuck passiert, dass man da etwas übersieht.“Man habe schon vor 30 Jahren überlegt, ein Sicherungs­system einzubauen, ein sogenannte­s Drucktaste­nstellwerk. Doch so weit kam es nie. „Wie so oft, mit ein bissle Geld hätte man es verhindern können.“

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Fotos: Karl Josef Hildenbran­d, dpa, Erich Echter Die Staatsanwa­ltschaft und ein externer Gutachter waren vor Ort, um an den schwer demolierte­n Zügen, die ineinander­gedrückt auf dem Gleis stehen, Spuren zu sichern und die Unglücksur­sache zu erforschen. Die Bahnstreck­e Augsburg–Ingolstadt blieb rund um...
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