Wie konnte das passieren?
Ein Personenzug fährt in Aichach in einen stehenden Güterzug, zwei Menschen sterben. Die Ermittler schließen ein technisches Problem aus, der Fahrdienstleiter soll verantwortlich sein. Das Unglück weckt Erinnerungen an eine andere Katastrophe
Am Morgen danach ist es ruhig. Im Aichacher Bahnhofscafé ist viel weniger los als sonst. Stiller sind auch die Menschen, sagt eine Verkäuferin. Am Bahnhofsvorplatz sammelt sich eine 10. Klasse der Aichacher Realschule. Eigentlich will sie die Netzleitstelle der Lechwerke in Augsburg besuchen. Vermutlich wird das nichts mehr. Die Verzögerung ist schon zu groß. Ärger? Lehrerin Angelika Lechner verneint. Sie und ihre Schüler wissen ja, warum die Zugstrecke gesperrt ist. In nur 700 Metern Entfernung ist am Vorabend ein Triebwagen in einen stehenden Güterzug geprallt. Zwei Menschen haben ihr Leben verloren – der 37 Jahre alte Lokführer des Personenzuges und eine 73 Jahre alte Frau, die in Aichach aussteigen wollte und deshalb schon an der Tür stand. 14 Fahrgäste sind verletzt, zwei davon schwer.
Es ist der eindringliche Klang einer Dauerhupe, die einen Anwohner im Aichacher Ortsteil Algertshausen gegen 21.15 Uhr aufschreckt. Er gießt gerade seinen Garten, als die Hupe ertönt. Und schaut hinüber zur Bahnlinie. Dann gibt es den enormen Knall. „Als ob ein Haus eingestürzt ist“, schildert Zugverkehr durch knapp 2800 Stellwerke. Die mechanisch betriebenen machen 27 Prozent aus, vor allem noch auf Nebenstrecken. Bahntechnik-Experte Prof. Edmund Mühlhans erklärt: „Gegen diese Technik ist grundsätzlich nichts einzuwenden, sie ist nach wie vor zulässig.“Allerdings, räumt er ein, hätten die Mitarbeiter, die direkt am Bahngleis sitzen, hier mehr Verantwortung. „Der Fahrdienstleiter muss sich durch Augenschein vergewissern, dass das Gleis, in das ein Zug fahren soll, frei ist“, sagt Mühlhans. Einen Sicherheitsmechanismus, der Alarm schlägt, wenn eine Weiche falsch gestellt ist, gibt es in diesem Fall nicht. „Bei den elektrischen und elektronischen Stellwerken ist das anders. Da ist es technisch nicht möglich, einen Zug in ein besetztes Gleis zu lassen.“Ob die eintretende Dunkelheit eine Rolle gespielt hat? Daran glaubt Mühlhans nicht.
Ein ehemaliger Fahrdienstleiter, der bis 1992 an dieser Stelle in Aichach gearbeitet hat, sagt der Süddeutschen Zeitung: „Es ist ruckzuck passiert, dass man da etwas übersieht.“Man habe schon vor 30 Jahren überlegt, ein Sicherungssystem einzubauen, ein sogenanntes Drucktastenstellwerk. Doch so weit kam es nie. „Wie so oft, mit ein bissle Geld hätte man es verhindern können.“