Geballte Polit Prominenz in Weißenhorn
Zum Auftakt der bayerischen Landkreisversammlung halten Landtagspräsidentin Barbara Stamm und EU-Kommissar Günther Oettinger leidenschaftliche Reden. Am Abend schaut auch der Innenminister vorbei
Eigentlich will der Neu-Ulmer Landrat das Thema gar nicht ansprechen. Aber auf der Landkreisversammlung, die diese Woche erstmals im Landkreis NeuUlm tagt, kommt Thorsten Freudenberger nicht umhin, sich kritisch zum Nuxit zu äußern. „Die Erfolgsgeschichte mit unserer Großen Kreisstadt wollen wir gerne fortschreiben“, sagt er am Dienstagmittag in der Weißenhorner Fuggerhalle. Dort können er und Bürgermeister Wolfgang Fendt als Gastgeber 70 von 71 bayerischen Landräten begrüßen, zudem mehr als 300 angereiste Gäste. Unterstützung erfährt Freudenberger von Christian Bernreiter, Deggendorfer Landrat und Präsident des Bayerischen Landkreistags. Auch wenn der kommunale Spitzenverband sich in Sachen angestrebter Kreisfreiheit NeuUlms nicht einmischen möchte, sagt der CSU-Politiker: „Ich glaube, dass alle kreisangehörigen Städte besser fahren.“Und: „Wir wollen nicht, dass in Westschwaben ein Flächenbrand entfacht wird.“
Nach diesen Worten geht Bernreiter quasi zur Tagesordnung über. Bei ihrer diesjährigen Konferenz wollen die Landräte ihre Forderungen für die nächste Legislaturperiode des Bayerischen Landtags aufzeigen. Diese betreffen die verschiedensten Lebensbereiche der Bürger. Bernreiter nennt unter anderem eine Landarztquote für Studienplätze in der Medizin, um eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Ebenso verlangt er Investitionen, um Mobilfunklöcher bis spätestens 2020 zu stopfen, den Abbau von Rechtshürden, um eine digitale Verwaltung zu ermöglichen, und – begleitet vom Applaus seiner Amtskollegen – ein Ende des Ärgers mit immer neuen Vorschriften für öffentliche Ausschreibungen.
Mehrere prominente Gastredner hat der Landkreistag zu seiner Veranstaltung eingeladen. Als erstes spricht der renommierte Politikwissenschaftler Jürgen Falter über die Veränderungen in der Wählerschaft und die Folgen für die Politik. Die Parteienlandschaft sei komplexer geworden, sagt Falter. Mit dem Abschmelzen der klassischen Milieus verlieren die traditionellen Volks- parteien aus seiner Sicht an Rückhalt. Die Konsequenz: Regierungsbildungen werden immer schwieriger, es gibt einen Zwang zu Koalitionen. „Es kommt zu notwendigen Kompromissen, aber das bedeutet Abstriche vom zuvor Versprochenen“, sagt der Wissenschaftler. Das fördere die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. Ein Profiteur der Entwicklung: die AfD. Wenn sie nicht weiter entwickele ins Rechtsextreme, glaubt Falter, dann werde sie langfristig als politischer Mitgestalter auftreten. Darüber hinaus spielten Persönlichkeitsfaktoren bei Wahlen künftig eine immer größere Rolle.
Ein flammendes Plädoyer für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft hält später am Nachmittag die Landtagspräsidentin Barbara Stamm. „Wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten, wie wir wieder mehr Konsens finden können“, sagt sie. Dass die Gesellschaft zusammenhalten kann, zeige sich immer dann, wenn etwas passiere, zum Beispiel bei Unfällen. Auch die Sprache in der politischen Debatte sei maßgeblich, sagt Stamm. „Die Kinder beobachten uns und wir Politiker sind deren Vorbild.“Es müssich se in dieser Gesellschaft aber auch möglich sein, eine Wertedebatte zu führen, ergänzt sie. „Die Toleranz anderen gegenüber kann von mir nicht abverlangen, dass ich meine Grundwerte aufgebe.“
Fast noch leidenschaftlicher als Stamm tritt in der Fuggerhalle Günther Oettinger als weiterer PolitPromi auf. Der EU–Kommissar für Haushalt und Personal bringt viele Grüße aus Brüssel nach Weißenhorn, wie er zu Beginn seiner Rede sagt. Diese ist ein Plädoyer für Europa, das aus seiner Sicht zu allererst eine Friedensunion und eine Wertegemeinschaft ist. „So wichtig der Export von 7er-BMW auch sein mag, der Export von Frieden und Werten ist wichtiger“, sagt der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident. Gleichwohl betont er, dass Deutschland und auch Bayern vom europäischen Binnenmarkt profitieren. „Wenn man die Welt von morgen ein Stück europäischer gestalten will und nicht amerikanisch oder asiatisch, dann braucht man die Betriebsgröße der EU“, fährt Oettinger fort und verdeutlicht, dass sich die Union nur gemeinsam im weltweiten Wettbewerb behaupten könne. Daneben müsse Europa mehr tun für den afrikanischen Kontinent, dessen Bevölkerung stark wachse. Langfristig sei Entwicklungshilfe günstiger als die Ausgaben für die Integration von Flüchtlingen, für Rückführungen oder im Kampf gegen Schlepper.
Der EU-Kommissar spricht sich zudem klar für Grenzkontrollen aus, um zu prüfen, wer ins Land kommt. Das gehe aber bei den EU-Außengrenzen besser als bei den Binnengrenzen. Dafür müssten Länder wie etwa Bulgarien mehr Unterstützung erhalten, sagt Oettinger.
Am Abend trifft schließlich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann ein. In einer kurzen Ansprache dankt er den Landräten für die gute Zusammenarbeit und betont, dass es den Menschen im Land insgesamt doch gut gehe. „Wir können selbstbewusst sagen: Unsere Demokratie ist das beste, was es in Deutschland je gegeben hat.“
Zum zweiten Versammlungstag kommt heute Ministerpräsident Markus Söder nach Weißenhorn.
»Mehr Fotos von der Versammlung unter Die Polizei sucht Zeugen für einen Verkehrsunfall, der sich am Montagabend ereignet hat. Ein 18-jähriger Autofahrer fuhr gegen 19 Uhr auf dem Pfuhler Weg, von der Kreisstraße NU 8 kommend, in Richtung Holzstraße. In einer Linkskurve kam ihm nach seinen Angaben ein Wagen entgegen, der zu weit rechts fuhr. Der 18-Jährige wich aus, sein Wagen kam von der Straße ab und krachte in Bäume am Straßenrand. Er und seine 15-jährige Beifahrerin wurden leicht verletzt. Der Wagen erlitt Totalschaden in Höhe von etwa 15 000 Euro. Der Fahrer des entgegenkommenden dunklen Kleinwagens fuhr einfach weiter. Hinweise unter Telefon 0731/8013-0. (az)