Merkels Zaudern gefährdet den Aufbruch in Europa
Die Karlspreis-Rede von Frankreichs Präsident Macron zeigt ein großes Dilemma auf. Paris ist der Antreiber, Berlin tritt auf die Bremse
Wer sich mehr Europa wünscht und Europa liebt, dürfte auf das Ungestüm eines Emmanuel Macron nur gewartet haben. Lange ist kein Politiker mehr so eindeutig und enthusiastisch für engere Kooperation innerhalb der EU und gegen nationalistische Tendenzen eingetreten wie der französische Präsident. Nach zwei großen Europa-Reden – am Fuß der Akropolis in Athen und an der Sorbonne-Universität – lieferte er bei der Entgegennahme des Karlspreises in Aachen ein weiteres Plädoyer für eine mutige und geeinte Union ab.
Macrons Rede war gespickt mit historischen und kulturellen Anspielungen, auch mit klaren Botschaften. „Lassen wir nicht andere für uns entscheiden“, lautete eine (etwa mit Blick auf die amerikanische Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran). „Spalten wir uns nicht“, eine andere, ergänzt durch Sätze wie „Haben wir keine Angst“oder „Warten wir nicht mehr, sondern handeln wir jetzt“. Die vier Gebote klangen vor allem wie ein Appell an die „liebe Angela“, die im Saal saß, und vielleicht noch mehr an deren konservative Parteikollegen. Zwar verpackte Macron seine Spitzen in respektvolle Freundschaftsbekundungen. Doch hängen blieb seine Kritik am deutschen „Fetisch für Budget- und Handelsüberschüsse“, der auf Kosten anderer gehe – dem Gegenstück zur französischen Vorliebe fürs Schuldenmachen, mit der es unter ihm allerdings vorbei sei.
Nun, das klang klar heraus, sei Bundeskanzlerin Angela Merkel am Zug. Deren Laudatio muss den Preisträger Macron, mal wieder, enttäuscht haben. Zwar schwärmte Merkel vom „Zauber Europas“, den sie in der persönlichen Zusammenarbeit mit dem „jungen, dynamischen Politiker“erleben dürfe. Aber zu Macrons konkreten Ideen blieb sie zurückhaltend: Man arbeite hart an der Überwindung von Schwierigkeiten, ließ sich die Kanzlerin bloß entlocken.
Reichen freundlich-gemäßigtes Wohlwollen auf der deutschen und werbende Verve auf der französischen Seite aus? Im Alleingang kann Frankreichs Staatschef mit seinen proeuropäischen Visionen die Differenzen nicht überbrücken, die nicht nur zwischen den Regierungen in Paris und Berlin bestehen. Folgt den ehrgeizigen Worten allerdings kein Wandel, der wieder Vertrauen in die EU schafft, bleibt eine feierliche Preisverleihung reine Symbolpolitik. Sollten beide Länder beim EU-Gipfel im Juni gemeinsame Reformvorschläge präsentieren, droht von Macrons Ideen einer vertieften Eurozone mit eigenem Budget, Finanzminister und ehrgeiziger Investitions-Agenda wenig übrig zu bleiben.
Das könnte Europa schwächen, in jedem Fall aber den jungen Präsidenten, dem ohnehin schon viel Gegenwind entgegenweht.
Er hat die Wahl auch gewonnen, weil er seinen Landsleuten versprach, dass Frankreich international wieder mehr Bedeutung gewinnt. Mithilfe dieses Arguments konnte Macron bei den Wahlen im eigenen Land die Rechtspopulistin Marine Le Pen besiegen und Frankreich vorerst auf einen proeuropäischen Kurs einschwören.
Auch deshalb zelebrierte er bei seinem Staatsbesuch in Washington so sehr seine Männerfreundschaft mit US-Präsident Donald Trump. Doch konnte er diesen nicht davon abbringen, das IranAbkommen zu kündigen. Zu notieren ist: Macrons Diplomatie aus schmeichelnder Nähe und selbstbewusstem Fordern fehlt es noch an greifbaren Erfolgen.
Das muss er ändern, und dafür muss Macron bald etwas vorzeigen können – was ihm in der EU nur Merkel geben kann. Es wäre ein schwerer Fehler, ließe sie Macrons feurige Rede mit ihren vier „Geboten“einfach verklingen. Ebenfalls dazu: Die USA gehen mit schlechtem Beispiel voran und signalisieren mit dem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran und der Verhängung von Sanktionen der Welt, dass Verträge zwischen den Staaten keinen Wert mehr haben und sich keine Regierung mehr darauf verlassen kann, dass Vereinbarungen eingehalten werden. Nicht nur, dass damit das Pulverfass im Nahen Osten noch explosiver wird, Nordkorea und andere Staaten werden sich hüten, entsprechende Vereinbarungen einzugehen.
Es ist nur zu hoffen, dass nicht andere Staaten dem negativen Beispiel der USA folgen und dass die Bundesregierung nicht wieder einknickt und an dem Atomabkommen mit dem Iran festhält und die Sanktionen der USA entschieden zurückweist. Bonstetten Zu „Unser Wald“(Die Dritte Seite) vom 5. Mai: „Wem gehört der Wald?“hat sich als übergeordnete Frage herausgestellt. Meiner Meinung nach haben Sie die wichtigste Gruppe vergessen: die Waldbesitzer. Der Waldbesitzer bestimmt grundsätzlich, wer seinen Wald bewirtschaftet und bejagt – sonst niemand. Diese Natur (Wald) gehört dem Waldbesitzer (33% Staatswald, 13% Körperschaftswald, 54 % Privatwald). Davon abgesehen steht ein Großteil des bayerischen Waldes als Produktionsstandort für die Sägeindustrie zur Verfügung und ist kein Abbild der natürlichen Waldgesellschaften. Wenn Herr Droste meint, der Wald gehöre dem Bürger, dann bezieht sich das auf den Staatswald – das ist sicherlich richtig.
Jagdreviere werden vom Waldbesitzer verpachtet, selbst bejagt oder von einem Angestellten bejagt.
Aichach Zum Leitartikel „Die simplen Thesen der Populisten machen die Kirchen politi scher“von Alois Knoller vom 9. Mai: Der Artikel von Alois Knoller hebt sich von vielen mit Ressentiments und Fremdenhass überfrachteten Bekundungen wohltuend ab, die ein völlig verzerrtes Bild der Asylproblematik wiedergeben und keinerlei konstruktiven Lösungen anstehender Probleme anbieten. Im Artikel ist anschaulich geschildert, dass ein hartherziger Umgang mit Schutzsuchenden unserem doch so hochgelobten (auch christlichen) Wertekonsens entgegensteht. Das besonders Verwerfliche im öffentlichen Diskurs ist in diesem Zusammenhang jedoch die bewusste Befeuerung von Unfrieden und Auseinandersetzung durch politischen Populismus, zum alleinigen Zweck durchsichtigen Machtpokers. Die in diesem Gärungsprozess entstehenden imaginären Ängste und aufbrandende Wut lassen sich trefflich manipulieren und missbrauchen. Oberstdorf Ebenfalls dazu: Kardinal Marx und BedfordStrohm verdienen großen Respekt. Mit ihrem entschiedenen Eintreten für Geflüchtete haben sie „die Würde des Menschen“gegen Menschenhasser aller Couleur verteidigt. Donauwörth Zu „Fahrdienstleiter unter Verdacht“und Kommentar „Die Bahn vernachlässigt die Provinz“(beides Seite 1) und „Wie konnte das passieren?“(Die Drit te Seite) vom 9. Mai: Wir alle wissen, dass es technisch schon längst möglich wäre, durch elektronische Sicherheitsmechanismen den Zusammenstoß zweier Züge auf eingleisigen Bahnstrecken oder Geisterfahrer durch falsches Einfahren in Autobahnen zu verhindern. Es geschieht jedoch nichts dergleichen, weil die Kosten für die Installation dieser Sicherheitsvorkehrungen anscheinend vor Menschenleben gehen. Nach fürchterlichen Unfällen mit Unfalltoten und Schwerverletzten dieser Art ist das Entsetzen groß und ein Schuldiger meist schnell gefunden, dem menschliches Versagen vorgeworfen wird. Was ist jedoch mit den vielen indirekt Mitverantwortlichen, die aufgrund finanzieller Erwägungen den Einbau entsprechender Sicherheitstechnik nicht realisiert oder verhindert haben? Ihnen passiert nichts, denn sie alle haben ja als mächtige Verbündete die sogenannten Vorschriften und mathematischen Richtlinien und bleiben daher straflos. Jeder dieser tragischen Unfälle, die vermeidbar gewesen wären, ist einer zu viel.
Kirchdorf