Aiwanger meint, man sollte Söder zum Mond schießen
Ideen-Feuerwerks, wie ihre Chancen bei der Landtagswahl stehen könnten: suboptimal. Also ätzte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger in Richtung Söder: Raumfahrt gerne, aber wenn, dann bitte nicht unbemannt. Und da Söder das Motto „Das Beste für Bayern“ausgegeben hatte, solle man doch am besten ihn selbst auf den Mond schießen.
So weit, so sarkastisch. Aber was hat es mit Söders Weltraum-Plänen wirklich auf sich? War es ein Witz, Show-Politik, oder meint er es ernst? Klare Antwort: Er meint es ernst. In der Luft- und Raumfahrt, das hat Söder immer wieder betont, sieht er eine der Schlüsseltechnologien – und auch einen wichtigen Wirtschaftsfaktor. Tatsächlich darf man nicht vergessen: In Bayern arbeiten mehr als 60000 Menschen in der Luft- und Raumfahrt. In der Branche gibt es große Namen wie den Airbus-Konzern, den Triebwerkshersteller MTU, den Raketenhersteller Ariane, aber auch Mittelständler wie Liebherr Aerospace in Lindenberg oder MT Aerospace in Augsburg.
Söder scheint das nicht genug zu sein. Amerika hat die Nasa in Houston, Russland das „Sternenstädtchen“nordöstlich von Moskau. Und Bayern? Söder steht an diesem Nachmittag im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Hier sitzt das Columbus-Kontrollzentrum, das etwa Alexander Gerst bei seinen ISS-Missionen unterstützt, von hier aus wurde vor 25 Jahren die D2-Mission gesteuert, die sieben Astronauten, zwei Deutsche, ins All brachte. Beim DLR haben sie eine Feierstunde zum Jubiläum angesetzt. Einer dieser Termine, die Söder genießt.
„Oberpfaffenhofen ist das deutsche Houston“, sagt er also und erzählt die Geschichten, die er so oft erzählt. Dass er schon immer ein großer Raumfahrt-Fan war, StarWarsund Star-Trek-Fan dazu, dass er, wie so viele Buben, von Lichtschwertern und Laser-Pistolen geträumt hat. „Astronaut wäre ich immer gern geworden“, sagt er.
Kein Wunder, dass die Raumfahrtingenieure und Physiker in Oberpfaffenhofen das gern hören. Genauso wie Söders Space-Strategie: Die Technische Universität München soll eine eigene Fakultät für Luft- und Raumfahrt aufbauen – mit 20 bis 30 Lehrstühlen. Teil zwei der Strategie heißt „Bavaria One“– das Programm, mit dem der Freistaat die Entwicklung unbemannter Flugkörper und eigener bayerischer Satelliten vorantreiben will. Söder spricht von Satelliten zur Erdbeobachtung, von Schulklassen, die bald auf Knopfdruck Live-Bilder aus dem Weltraum sehen sollen. „Wir werden dafür eine Menge Geld in die Hand nehmen“, sagt er. Wie viel das sein wird, sagt er nicht.
So mancher fühlt sich bei Söders hochfliegenden Plänen an Franz Jo- sef Strauß erinnert, gilt der Franke doch als großer Verehrer des CSUÜbervaters. Strauß hat die Raumfahrt in den 60er Jahren quasi nach Bayern gebracht. Er verband seine private Begeisterung für die Luftund Raumfahrt mit seinem politischen Engagement. Schon in seiner Zeit als Bundesverteidigungs- und -finanzminister in Bonn stellte er erste Überlegungen für eine nationale Raumfahrtindustrie an. Als er bayerischer Ministerpräsident wurde, hatte er längst erkannt, wie viel Wirtschaftskraft und zukunftsfeste Arbeitsplätze die Branche bereithält. Und Strauß war fest entschlossen, aus dem Agrarstaat Bayern endgültig einen Hightech-Standort zu machen. Wohlstand durch Wissenschaft. So wurde der leidenschaftlidarunter che Pilot FJS zum größten Lobbyisten der Luft- und Raumfahrtindustrie. Er war Aufsichtsratsvorsitzender bei Airbus, und nicht wenige sagen heute, den Airbus-Konzern würde es ohne Strauß nicht geben.
Wie viel Strauß also steckt in Söders Plänen? Vielleicht eine Frage für Ulrich Walter. Er war vor 25 Jahren Astronaut bei der D2-Mission, heute leitet der 64-Jährige den bereits bestehenden Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der TU München. Ende Februar trafen sich beide Männer zum Gespräch. Söder wollte wissen, was er für die Raumfahrt in Bayern tun könne, erzählt Walter. „Er hat meine Vorschläge eins zu eins umgesetzt.“Man hört dem Wissenschaftler an, wie froh er über Söders Faible für die Raumfahrt ist. „Er hat Visionen, er hat Überzeugungen.“Für Walter ist das wohltuend – schon, weil die Innovationen heute aus den USA kommen.
Dort geben Visionäre wie TeslaChef Elon Musk oder AmazonGründer Jeff Bezos zig Millionen aus, um mit neuartigen Raketen das Weltall zu erobern. Warum werden Söders „Bavaria One“-Pläne im Freistaat dann von vielen Seiten als Geldverschwendung und Größenwahn abgetan? „Ich glaube, dass Raumfahrttechnik in der deutschen Gesellschaft als überflüssig angesehen wird, als etwas, was man nicht braucht“, sagt Walter. Dabei vergessen viele, dass etwa ohne Satelliten nichts geht – kein Satellitenfernsehen, keine Navigation. Aber diese eine Frage, sagt Walter, die hat auch ihn umgetrieben. Die, wie viel Söders Pläne mit Strauß und den 60er Jahren zu tun haben. „Söder hat nur geschmunzelt und kein Wort gesagt“, erzählt er.
In der Franz-Josef-Strauß-Straße 5 in Augsburg sitzt MT Aerospace. Das Unternehmen ist so etwas wie Bayerns Tor zum Weltall. 550 Mitarbeiter stellen hier Feststofftanks für die Ariane-Raketen her. Teile, ohne die keine Ariane samt Satellitenfracht ins All starten kann. Was Söders Raumfahrt-Projekt den Augsburgern bringt? Durch die künftige Luft- und Raumfahrtfakultät