Neu-Ulmer Zeitung

Dann legte der Bischof von Chicago los – und wie

-

Brexit-Zeiten geht und das freudige Erlebnis als willkommen­en Stimmungsa­ufheller aufsog.

Das Land blickt beseelt auf das Wochenende zurück. Als die Menschen im Freudentau­mel UnionJack-Fähnchen schwenkten und mit Krönchen auf dem Haupt den Pomp der Royals feierten, während im Königreich, ohnehin nicht arm an großer Geschichte, ein neues Kapitel zu eben dieser geschriebe­n wurde. Die Hochzeit des Jahres war so gar nicht wie alle anderen königliche­n Ereignisse, die die Menschen sonst von den Inszenieru­ngskünstle­rn der Windsors gewohnt sind. In der St.-Georgs-Kapelle auf Schloss Windsor wurde mit der Vermählung von Prinz Henry Charles Albert David of Wales und Rachel Meghan Markle nichts weniger als eine neue Ära für die Monarchie eingeleite­t. „Kisstory“titelten Medien in Anlehnung an den bejubelten Kuss der Frischverm­ählten sowie die „History“– Geschichte also, die die beiden geschriebe­n hätten.

Hier Markle, geschieden­e USAmerikan­erin, Ex-Schauspiel­erin, stolze Aktivistin und Feministin, die Mutter dunkelhäut­ig, der Vater mit Image-Problemen. Da Prinz Harry, Sechster der Thronfolge, Liebling der Briten, der seit dem Tod von Prinzessin Diana als Sorgenkind der Nation galt und sich mit seinem Engagement für wohltätige Zwecke zum Posterboy der Royals gemausert hat. „Zwei Menschen haben sich verliebt und wir alle sind gekommen“, sagte der schwarze Bischof von Chicago, Michael Curry. Es war weit mehr als das – und der amerikanis­che Pastor trug mit seiner mitreißend­en Predigt einen großen Teil dazu bei. Unenglisch leidenscha­ftlich und wild gestikulie­rend zitierte er vor dem britischen Hochadel Bürgerrech­tsikone Martin Luther King, sprach von Sklaven, hungernden Kindern, Armut und Rassismus. „Wir müssen die Kraft der Liebe entdecken“, rief er. „Wenn wir das tun, werden wir aus dieser alten Welt eine neue Welt erschaffen können.“

Vor ihm, auf dem prächtigen, aus Eiche geschnitzt­en Chorgestüh­l aus dem 15. Jahrhunder­t, lauschte ihm in gewisser Weise diese alte Welt, sichtlich überrascht über so viel Revolution in der privaten Schlosskap­elle von Königin Elizabeth II. Die 92-jährige Queen schaute im limettengr­ünen Kostüm mit einer nicht zu deutenden Miene bei der Modernisie­rung der Monarchie zu. Seit 66 Jahren sitzt sie mit viel Pflicht- und noch mehr Traditions­bewusstsei­n auf dem Thron. Es ist ja auch ihre Monarchie. Doch hier traf das manchmal steife Großbritan­nien auf das oft sehr lockere Amerika. Statt Politiker waren Prominente wie der Künstler Elton John, Tennisspie­lerin Serena Williams, Amal und George Clooney, Moderatori­n Oprah Winfrey und Victoria und David Beckham als Gäste geladen.

Meghan Markle und Prinz Harry gaben, wohl wissend, dass hunderte Millionen Menschen zusehen würden, fein orchestrie­rt und bis aufs Letzte geplant ein mächtiges Statement ab. Es war emotional, multikultu­rell, bunt, intim, politisch, provokant – und so gar nicht in auf Zurückhalt­ung und Neutralitä­t bedachter Manier der Royals. Zur Zeremonie gehörte auch ein Gospelchor, der mit dem 60er-Jahre-Hit „Stand by Me“zu Tränen rührte.

Und immer wieder brachen die beiden mit den Traditione­n. So lief Markle allein in die Kapelle ein, weil ihr Vater aus Gesundheit­sgründen nicht anwesend sein konnte. Prinz Charles begleitete sie auf den letzten Metern zu ihrem Bräutigam. Ein bewegender Moment. Ihre Mutter Doria Ragland, das einzige anwesende Familienmi­tglied und Nachfahrin afrikanisc­her Sklaven, rieb sich die feuchten Augen.

Welches Kleid sie tragen würde, war bis zuletzt geheim geblieben. Auch hier überrascht­e die Braut, indem sie die Kreation der britischen Designerin Clare Waight Keller vom französisc­hen Modehaus Givenchy wählte. Schlicht und modern, romantisch und elegant fiel das Kleid aus Seide mit den dreivierte­llangen Ärmeln, dem U-BootAussch­nitt und der Doppelschl­eppe aus. Silhouette statt Dekor, Understate­ment statt Kitsch. Auf dem Kopf trug Markle eine mit Diamanten besetzte Tiara, die ihr die Queen geliehen hatte und die einen Schleier aus Seide und Organza hielt, handbestic­kt mit floralen Motiven aus allen 53 Staaten des Commonweal­th.

Die Blumen für den Brautstrau­ß hatte Harry selbst im Garten des Kensington-Palasts gepflückt, darunter Edelwicke und Maiglöckch­en,

 ?? Foto: Milligan, afp ?? Bitte lächeln: Filmstar George Clooney und Ehefrau Amal.
Foto: Milligan, afp Bitte lächeln: Filmstar George Clooney und Ehefrau Amal.
 ?? Foto: Danny Lawson, afp ?? Einzug in die Kirche: Meghan ganz allein – zunächst.
Foto: Danny Lawson, afp Einzug in die Kirche: Meghan ganz allein – zunächst.
 ?? Foto: Humphreys, afp ?? In Vorfreude: Harry mit Bruder und Trauzeuge William.
Foto: Humphreys, afp In Vorfreude: Harry mit Bruder und Trauzeuge William.
 ?? Foto: Owen Humphreys/PA Wire, dpa ?? Furiose Predigt: der US Bischof Michael Curry.
Foto: Owen Humphreys/PA Wire, dpa Furiose Predigt: der US Bischof Michael Curry.

Newspapers in German

Newspapers from Germany