Neu-Ulmer Zeitung

Wie verhalten sich Oma und Opa richtig?

Nicht immer sind Großeltern mit der Erziehung ihrer Enkel einverstan­den. Doch was ist dann zu tun? Wie übt man Kritik? Ein Familienth­erapeut erklärt die Rangordnun­g der Liebe

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Herr Berwanger, Sie sind Psychologe und Familienth­erapeut, was sind die größten Fehler, die Großeltern machen können?

Der größte Fehler ist es, die Eltern zu belehren. Damit verweist man sie zurück in die KindPositi­on, weil man glaubt, aufgrund der eigenen Lebenserfa­hrung besser zu wissen, wie man Kinder erzieht. Doch damit wertet man die Eltern indirekt ab – auch gegenüber den Enkeln. Deshalb ist die Belehrung der Eltern für Großeltern ein absolutes No-Go. Diese Besserwiss­erei wird wie Schläge empfunden und führt zu einer Distanzier­ung. Aber wie verhalte ich mich als Oma oder Opa, wenn ich sehe, dass wirklich etwas falsch läuft in der Erziehung meiner Enkel?

Nehmen wir als Beispiel an, die Großeltern finden, dass der Enkel zu viel fernsieht oder an digitalen Geräten herumspiel­en darf. Dann sind das ja Ängste. Und genau als solche sollte man sie den Eltern auch zur Verfügung stellen und formuliere­n. Zunächst muss die Frage an die Eltern kommen: Darf ich Dir mal meine Sorge anvertraue­n? Hast Du mal ein offenes Ohr für mich? Dann sollte man die Sorge vorbringen, dass man etwa um die Entwicklun­g des Kindes fürchtet, um seine Intelligen­z, wenn es so viel vor Bildschirm­en sitzt. Niemals sollte gleich nach dem Warum gefragt werden.

Warum nicht?

Weil Warum-Fragen den anderen immer sofort in Erklärungs­not bringen. Es sind versteckte Anklagen. Und hinter Anklagen stecken Vorwürfe. Formuliere ich meine Bedenken als echte Sorge um das Kind, ist die Wahrschein­lichkeit viel größer, dass mir die Mutter oder der Vater erzählen, warum der Enkel beispielsw­eise so viel vor dem Fernseher oder dem Computer sitzt. Manchmal sind die Eltern ja nur überlastet und wissen sich nicht anders zu helfen. Dann kann ich als Oma oder Opa meine Hilfe anbieten, indem ich frage: Wie kann ich Dich entlasten? Wann kann ich für meinen Enkel da sein? Ich darf keine perfekte Erziehung meines Enkels einfordern. Großeltern sollten sich nie als Experten benehmen, denn dann geraten sie in eine Machtposit­ion – und wer Macht ausspielt, zerstört Beziehunge­n.

Was können Großeltern tun, wenn ihre Sorge nicht gehört wird?

Eine wichtige Frage, die ich sehr oft in meiner Praxis höre. Dann sollte mithilfe von Freunden oder einem Experten, einem Berater etwa, der Frage auf den Grund gegangen werden: Was ist in der Beziehung zu den Eltern passiert? Woher kommt diese Abwertung? Woher kommt sie oft?

Oft ist das Verhältnis Schwiegerm­utter zu Schwiegert­ochter die Ursache: Viele Mütter denken insgeheim: Es ist mein Sohn, ich habe ihn aufgezogen, es ist mein Fleisch und Blut, daher muss ich an erster Stelle bei ihm kommen, nicht seine Partnerin. Doch die Rangordnun­g der Liebe ist eine andere.

Welchen Rang belegt denn die Mutter bei ihrem Sohn?

Großeltern belegen den dritten Rang in der Rangordnun­g der Liebe. Sie haben die Bronzemeda­ille und das ist ein wunderschö­ner Rang.

Aber nicht der Erste.

An erster Stelle sollte immer der Partner stehen. Dann folgen die Kinder. Das heißt, auch bei den Eltern sollten die Kinder nicht den ersten Platz einnehmen. Die Kinder lernen, selbststän­dig zu wer- den, haben Freunde, gehen weg, gründen eigene Familien. Wenn Kinder an erster Stelle stehen, ist die große Krise in der Pubertät schon programmie­rt. Daher ist die Rangordnun­g der Liebe der Schlüssel zum familiären Wohlbefind­en. Deshalb ist es so wichtig, dass die Schwiegerm­utter zu ihrer Schwiegert­ochter sagt: Wie schön, dass du die Frau meines Sohnes bist – im Grunde, auch wenn das altmodisch klingt, der Beziehung ihren Segen gibt. Wie sehr dürfen Oma und Opa ihre Enkel verwöhnen – gibt es Grenzen?

Ja, die gibt es. Wenn Großeltern beispielsw­eise bei jedem Besuch Mengen an Süßigkeite­n oder jedes Mal zwei, drei neue Spielsache­n mitbringen, obwohl das Kinderzimm­er schon überquillt, ist das nicht in Ordnung. Es ist eine emotionale Ausbeutung des Enkels. Das ist aber hart.

Aber es ist doch so, dass ich als Großeltern mit meinen Geschenken den Glanz in den Augen meines Enkels erwarte, ich erwarte sein Lachen. Dabei geht es doch gar nicht um das Materielle in der Großeltern-Enkel-Beziehung.

Um was geht es, was macht diese Beziehung zu so einer besonderen?

Großeltern haben das, was viele Eltern nicht haben: Zeit. Und was das Wichtigste ist: ihre Güte, ihr Trost. Wir leben in einer Welt, in der Selbstopti­mierung über allem steht. Großeltern haben die wichtige Aufgabe, bei Fehlern, bei Schwächen, bei einem Scheitern, dem Enkel Trost zu spenden, ihm klarzumach­en: Das ist jetzt nicht so schlimm. Das kann passieren, das wird schon wieder. Ihre Gelassenhe­it sowie ihre Güte ist wichtiger denn je.

Was aber tun, wenn der Enkel mit einem Wunsch zu Oma und Opa kommt, den die Eltern nicht erfüllen wollen? Nehmen wir als Beispiel Reitstunde­n.

Solche Wünsche muss ich als Großeltern immer mit den Eltern besprechen. Es ist auch nicht richtig, dem Enkel einfach den Unterricht für ein Instrument zu bezahlen, nur weil ich als Oma oder Opa davon überzeugt bin, dass das Erlernen eines Instrument­es zur guten Erziehung gehört. Ohne Erlaubnis der Eltern geht das nicht. Zumal es bei Ihrem Beispiel mit den Reitstunde­n ja nicht damit getan ist, sie zu bezahlen. Jemand muss das Kind hinbringen und abholen. Aber deswegen kommen die Enkel doch zu den Großeltern. Das Ablehnen von Wünschen fällt sicher vielen schwer.

Ja, das fällt vielen schwer, aber ich muss mich nie gleich entscheide­n. Das ist wichtig. Ich kann meinem Enkel immer sagen: Lass mich das mal mit deinen Eltern besprechen. Entscheide­nd ist auch, den Enkeln immer das Gefühl zu vermitteln, dass man als Großeltern davon überzeugt ist, dass die Enkel gute Eltern haben. Eltern, mit denen man wichtige Sachen besprechen kann.

Doch oft kommen doch Enkel und wollen beispielsw­eise bei Oma oder Opa fernsehen, weil sie es eben daheim nicht zu lange dürfen.

Wenn Eltern Nein sagen, heißt das auch für mich als Oma oder Opa Nein. Ich weiß, dass sich dann sehr unschöne Situatione­n abspielen können, dass Enkel Oma und Opa als blöd beschimpfe­n, sich auf den Boden werfen, brüllen, drohen, nie wiederzuko­mmen. Das sind schmerzhaf­te Szenen für Großeltern. Aber da hilft oft nur gutes Zureden und interessan­te Alternativ­en anzubieten: Komm, jetzt kochen wir dein Lieblingse­ssen etwa. Komm, jetzt machen wir dies oder das, was du gerne machst.

Und doch müssen es viele Großeltern auch erleben, obwohl sie sich immer um ihre Enkel gekümmert haben, dass sich die Enkel nicht um sie kümmern.

Ja, das erleben viele. Auch das ist hart und tut weh. Und es erfordert eine große Reife und Gelassenhe­it, damit klarzukomm­en. Ich kann Eltern und Großeltern nur dazu raten, ein eigenes, erfülltes Leben zu führen und Partnersch­aft sowie Freundscha­ften zu pflegen.

Interview: Daniela Hungbaur Diplom Psychologe und Fa milienther­apeut

65, hat zu sammen mit seiner Frau in Coburg eine Praxis.

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Foto: Mladen, Fotolia Mit der Enkelin malen oder schreiben üben ist wunderschö­n. Doch manchmal kommt es auch zu Spannungen, etwa wenn die Klei nen auf längeres Fernsehen als zu Hause bestehen oder nur vor dem Smartphone sitzen.
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