Neu-Ulmer Zeitung

Die Gier nach Silber

Otfried Preußler schrieb drei Bände über seinen Räuber Hotzenplot­z. In seinem Nachlass fand sich ein weiteres Abenteuer. Kann es mithalten?

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Räuber agieren oft aus dem Hinterhalt. Wenn keiner mit ihnen rechnet, schlagen sie zu. Und meist haben sie es auf Gold und Silber abgesehen – oder zumindest auf etwas, das sich versilbern lässt.

Dass es zu den drei „Räuber Hotzenplot­z“-Bänden Otfried Preußlers von heute an einen vierten geben wird, gab der Stuttgarte­r Thienemann-Esslinger Verlag vor rund drei Wochen als „Sensation“bekannt. Im Nachlass des 2013 verstorben­en Kinderbuch­autors fand sich ein 20-seitiges Theaterstü­ck, in dem eine weitere Geschichte mit Hotzenplot­z, der Großmutter, Kasper, Seppel und dem Wachtmeist­er Dimpfelmos­er erzählt wird. Allerdings nicht als Fortsetzun­g, sondern als ein kleines Nebenstück, das Susanne Preußler-Bitsch, eine Tochter des Autors, nun in eine Erzählform gebracht hat.

Dass es zu einem Beutezug mit reichlich Silberertr­ag werden dürfte, lässt sich absehen. Das Echo auf die Ankündigun­g aus Stuttgart war so groß, dass die eigentlich für Mitte Juli geplante Veröffentl­ichung um fast zwei Monate vorgezogen wurde. Und auch das nachgereic­hte Eingeständ­nis, dass die angeblich noch nie veröffentl­ichte Geschichte nun doch schon in zwei Anthologie­n nachzulese­n war, wird den Verkaufser­folg des neuen Bandes „Der Räuber Hotzenplot­z und die Mondrakete“wohl nicht schmälern. Zu- mal er sich bestens eignet, den 95. Geburtstag des Autors am 20. Oktober groß zu feiern.

Die Neugier auf Neues vom Hotzenplot­z ist dabei nicht überrasche­nd, bleibt der Räuber mit dem wilden Bart, der Pfefferpis­tole und den sieben Messern doch eine der beliebtest­en Kinderbuch­figuren. Acht Millionen mal wurden seine drei Bände weltweit verkauft, in 30 Sprachen ist allein der erste Band übersetzt, Eltern und Großeltern greifen in Erinnerung an die eigene Liebe zum „Räuber Hotzenplot­z“immer noch gerne darauf zurück.

Und der Hotzenplot­z ist ja auch ein gelungenes Beispiel von Kinderlite­ratur: mit einfachen, aber spritzigen Dialogen, die sich gut vorlesen lassen; mit liebenswer­ten und originelle­n Figuren, allen voran natürlich der polternde Räuber, der in seiner kauzigen Rabaukenar­t für Heiterkeit sorgt.

Dabei hatte sich Otfried Preußler einst nur selbst ein wenig Freude bereiten wollen mit dem Hotzenplot­z – als Ausgleich zum düsteren Jugendbuch „Krabat“. Den lustigen Räubername­n, der die Kinder sofort zum Lachen bringt, lieh er sich von einem mährisch-schlesisch­en Städtchen, von dem der in Böhmen geborene Preußler im Schulunter­richt gehört hatte. Ein kleines schriftste­llerisches Ablenkungs­manöver also, das 1962 auf einen Band beschränkt bleiben sollte, als „Der Räuber Hotzenplot­z“erschien.

Preußler hatte nicht mit der Hartnäckig­keit von Kindern ge- rechnet. Sie forderten in vielen Briefen immer wieder eine Fortsetzun­g seiner herrlichen Geschichte. Dass Preußler dann auch noch einen dritten Band nachliefer­n musste, hatte er sich selbst zuzuschrei­ben. Vergaß er doch im zweiten Buch, den Dackel Wasti, der in ein Krokodil verzaubert worden war, zurückzuve­rwandeln – was wieder dringende Nachfrage der jungen Leserschaf­t mit sich brachte.

Nun gibt es also auch noch ein viertes Abenteuer dieses polternden Bösewichts, aufgefrisc­ht mit Illustrati­onen von Thorsten Saleina, ganz im Stil der berühmten Zeichnunge­n von Franz Josef Tripp (siehe auch unten stehendes Interview): eine kleine, charmant erzählte Geschichte, – direkt ins Gefängnis bringen. Am Ende sind sie darüber so glücklich, „dass sie mit keinem Menschen getauscht hätten – nicht einmal mit dem Mann im Mond.“

Da ist er noch einmal, der Satz, mit dem in Abwandlung bislang jedes Hotzenplot­z-Buch beendet wurde. Aber auf all die komischen Missverstä­ndnisse, die gewitzten Namensverd­rehungen und Wortspiele, auch auf unerwartet­e Wendungen müssen die Hotzenplot­zFans in dieser Geschichte verzichten. Was Otfried Preußler so meisterhaf­t verstand – eine einfache Geschichte enorm spannend und literarisc­h kunstvoll zu erzählen –, fehlt in dieser eindimensi­onalen Bearbeitun­g des Theaterstü­ckes. Die Raffinesse, Hintersinn­igkeit und Subversion, die er an manchen Stellen aufblitzen ließ, sind auf den gut 60 neuen Seiten nicht zu finden. „Ein Kasperlthe­ater zwischen zwei Buchdeckel­n“habe sie damit aus dem Stoff ihres Vaters geschaffen, sagt Susanne Preußler-Bitsch.

Die Hotzenplot­z-Bücher Otfried Preußlers waren aber immer ein bisschen mehr. Das Kunstwerk „Zwei Graue Doppelspie­gel für ein Pendel“von Gerhard Richter ist ab 17. Juni in Münster öffentlich zugänglich. Das teilte die Stadt gestern mit. Richter, der als einer der einflussre­ichsten lebenden Künstler der Welt gilt, schenkt die Installati­on der Stadt. Das Werk des deutschen Malers und Bildhauers besteht aus einem 35 Kilogramm schweren Foucaultsc­hen Pendel, das an einem 29 Meter langen Seil in der entweihten Dominikane­rkirche in der Stadtmitte hängt. Es zeigt die Erdrotatio­n. Vier sechs Meter hohe Glastafeln, die paarweise vor den Wänden angebracht sind, reflektier­en die Bewegung des Pendels im Kirchenrau­m. Die französisc­he Krimiautor­in, Historiker­in und Archäologi­n Fred Vargas wird in diesem Jahr mit dem renommiert­en spanischen Prinzessin-von-Asturien-Preis in der Sparte Literatur ausgezeich­net. Die 60-Jährige, eine der meistgeles­enen Autorinnen Frankreich­s, sei von einer Jury unter 35 Kandidaten aus 21 Ländern ausgewählt worden, teilte die Stiftung gestern in Oviedo mit. Die Originalit­ät der Handlungen, die Ironie mit der Fred Vargas ihre Charaktere beschreibe und ihre überborden­de Fantasie eröffneten dem Leser völlig neue literarisc­he Horizonte, hieß es zur Begründung.

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Bild: Saleina, Thienemann Esslinger Hotzenplot­z muss mal wieder sitzen – bei Wasser und trockenem Brot (links) und einem Traum von Klößen und Würsten (rechts). LANDKREIS HOF

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