Leitartikel
Donald Trump hat den Finger in eine offene Wunde gelegt: Die EU ist eine Gemeinschaft ohne Gemeinschaftsgeist – das liegt auch an der Kanzlerin
Die Reflexe sind stets die gleichen. Wie nach dem Brexit-Votum stimmt Europa auch im Handelskrach mit den USA das Hohelied von der Geschlossenheit der Gemeinschaft an. Tatsächlich jedoch ärgert die EU am Vorgehen des amerikanischen Präsidenten vor allem eines – nämlich, dass er ihre Brüchigkeit und Abhängigkeit schamlos entlarvt.
Das Bild, das die Europäische Union dem Rest der Welt im Moment bietet, ist alles andere als schmeichelhaft: Ein Mitglied hat gekündigt, Italien hat am Freitag eine strikt antieuropäische Regierung installiert, in Spanien musste der Premierminister am gleichen Tag EU-kritischen Kräften Platz machen, gegen Polen läuft ein bislang beispielloses Verfahren wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit – und in Budapest macht Regierungschef Viktor Orbán, was er will. Hauptsache, er kann gegen Brüssel polemisieren.
Zu einer ehrlichen Gesamtbilanz gehören zwar auch die neuen, konstruktiven Töne, die Europas neuer Schutzpatron Emmanuel Macron anschlägt – aber eben auch eine Bundeskanzlerin, die den französischen Präsidenten ausbremst, wo immer es geht. Die europäischen Gipfeltreffen enden zwar in der Regel in gespielter Harmonie und angeblicher Einigkeit. Doch sobald die 28 Teilnehmer den Runden Tisch verlassen haben, hagelt es wieder Misstöne. Kurt Tucholskys bitterböser Satz scheint wahr zu sein: Zwischenstaatlich organisiert sind in Europa nur das Verbrechen und der Kapitalismus.
Die Union ist zerrieben zwischen Russland, China und den USA, den Schwergewichten der internationalen Politik. Europa gestaltet nicht, es reagiert. Es soll doch niemand so tun, als sei Donald Trump der Einzige, der die EU nach Belieben dirigiert. Der nächste Akt dieses Schauspiels wird schon in der kommenden Woche folgen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen in Kanada zum G7-Gipfel treffen. Diese Veranstaltung wird ein Schaulaufen für den amerikanischen Präsidenten, der den Europäern zwar zuhört, aber am Ende doch macht, was er will. Zwar hat man nach den ersten Brüskierungen Antworten gefunden, die Gemeinsamkeit demonstrieren sollen – allen voran die Europäische Verteidigungsunion. Herausgekommen aber sind dabei bisher nur eine Art Genossenschaft zum gemeinsamen Einkauf von wehrtechnischen Gütern und ein paar neue Logistikzentren. Gleichzeitig schlingert die Eurozone vor sich hin, weil nach der Griechenland-Rettung nun Italien irrwitzige Gedanken von der Rückkehr zur Lira durchspielt.
Außenpolitisch agiert in der EU mit Federica Mogherini eine Hohe Beauftragte, die zwar allseits geschätzt wird, die aber nicht im Namen aller sprechen darf.
Wer von Verantwortung spricht, muss sie auch übernehmen – in Sicherheitsfragen, in der Wirtschaft, bei sozialen Standards, in der Umweltund in der Außenpolitik. Die Abschaffung von Roaminggebühren oder die Reduzierung der Luftbelastung in den Städten mögen wichtig sein. Aber mit solchen Themen schafft EU-Europa weder ein europäisches Bewusstsein noch eine größere geopolitische Bedeutung.
Eine Melange aus Kleingeist und Nationalismus beherrscht die Union und nicht die gemeinsame Überzeugung, dass es für jedes einzelne Land unverzichtbar ist, sich zusammenzuraufen. Die EU funktioniert nicht als Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern nur als Modell gemeinsamer Verantwortung. Auch die Bremsmanöver der Bundeskanzlerin schaden der Gemeinschaft, weil Deutschland zu groß ist, um seinen Gestaltungsanspruch aus den Händen zu geben. Das Projekt Europa ist zu wichtig, um es schleifen zu lassen. Zum Leitartikel „Das Kreuz ist kein Ab wehrzauber“von Christian Imminger vom 30. Mai: Was da von Herrn Imminger hineininterpretiert wird, grenzt für mich schon fast ans Lächerliche. Ich habe bis jetzt noch an keinem meiner Stammtische über das Kreuz diskutiert. Es bewegt wohl auch viel weniger Leute, als von ihm angenommen wird. Meines Erachtens wird diese Sache mit dem Kreuz in der Presse viel höher aufgehängt, als es das wert ist. Lediglich die politische Konkurrenz macht hier großes Geschrei in der Hoffnung, es wird schon was hängen bleiben. In dieser Sache wäre es wohl besser gewesen, den Ball flacher zu halten. Augsburg Ebenfalls dazu: Dem Verfasser des Leitartikels müssen wir vollkommen recht geben – das Wissen um den Inhalt christlicher Feiertage und Traditionen im Jahreskreis „verdunstet“. Selbst Menschen, die – zumindest auf dem Papier – noch Mitglied einer christlichen Kirche sind, finden sich in selbiger kaum noch wieder. Mit Pflicht-Kreuzen in Behörden kann man eine säkulare Gesellschaft mit bröckelnden Überzeugungen allerdings nicht wieder zum christlichen Glauben zurückführen. Wenn die Kirchen wieder voll wären mit Überzeugten, wenn die Menschen die Sakramente, die sie abfordern, ernst nehmen würden, könnte man Kreuze als Bekräftigung des festen Glaubens aufhängen. So bleibt alles Wahlkampfgetöse. Ramsach Zu Randbemerkung „Vom Leben zwischen den Pfosten“von Anton Schwankhart (Sport) vom 28. Mai: Es gehört mittlerweile zur grauenvollen Realität in unserer Gesellschaft, dass auf Menschen, die im wahren Sinne des Wortes am Boden liegen, weiter eingeschlagen wird. Schwankharts Randbemerkung zähle ich zu diesen Scheußlichkeiten – in diesem Fall verbaler Natur. Fair Play, das eigentlich Sport und Sportkommentierung prägen sollte, wird für mich durch Schwankharts Randbemerkung mit Füßen getreten und damit zugleich der Mensch Loris Karius, der bis zu seinen Fehlern auch glänzende Paraden gezeigt hatte. Sarkasmus statt Empathie!
Im Übrigen haben auch die Helden der vermeintlichen Torhüternation Deutschland sogar in WMFinalspielen furchtbar gepatzt: „Fußballgott Toni Turek in Bern, Toni Schumacher in Mexiko, Oliver Kahn in Südkorea. Auch MarcAndré ter Stegen blieb in der Nationalmannschaft von der Fehlerseuche eines Torhüters nicht verschont. Warum? Weil sie alle Menschen sind, die Fehler machen.
Mauerstetten Zum Leitartikel „Geben Sie uns einen Ruck, Frau Merkel!“von Gregor Peter Schmitz vom 29. Mai: Der letzte Absatz überrascht, da der Verfasser mitteilt, dass die Kanzlerin „nur im kleinen Kreis zu sagen wagt: Dass wir Deutschen ob unseres Erfolges zu behäbig geworden sind, zu selbstverliebt“. Kann es sein, dass unsere Politiker/innen uns Wahlvolk die Wahrheit nicht zutraut, weil wir unmündig sind?
Auf Dauer lassen sich Fakten nicht verschleiern. Deshalb, liebe Politiker und insbesondere liebe Journalisten, kommt eurer Verantwortung nach und informiert uns auch über unbequeme Tatsachen.
Friedberg