Neu-Ulmer Zeitung

Die Gefahr am Wegesrand

Das Jakobskreu­zkraut ist in der Landwirtsc­haft gefürchtet, weil es im schlimmste­n Fall den Tod für Weidetiere bedeutet. Welche Giftpflanz­en auch für den Menschen gefährlich sind

- VON ANJA WORSCHECH

Es ist hübsch anzusehen, wenn das Jakobskreu­zkraut in voller Pracht am Wegesrand steht. Die knie- bis hüfthohe Pflanze trumpft mit leuchtend gelben Blüten auf. Doch vor allem Landwirten und Pferdebesi­tzern bereitet diese heimische Pflanze schon seit vielen Jahren Kopfzerbre­chen. Denn für Pferde und Rinder ist das Kraut eine ernst zu nehmende Gefahr, die im schlimmste­n Fall den Tod bedeutet. Für den Menschen ist sie weitgehend harmlos.

Das Kraut mit dem Zungenbrec­her-Namen enthält Pyrrolizid­inAlkaloid­e. Stoffe, die zu einer Lebervergi­ftung führen können. Der Gehalt der Toxine ist in den Blüten etwa doppelt so hoch wie im Kraut. Normalerwe­ise stehen die Pflanzen ab Juli in voller Blütenprac­ht, dieses Jahr wegen der warmen Temperatur­en vermutlich schon etwas früher. Die Giftstoffe reichern sich langsam in der Leber an und führen dann zu chronische­n Krankheite­n.

Die Tiere meiden diese Pflanze in der Regel instinktiv, da sie furchtbar bitter schmeckt. Ein Warnsignal. Doch ist die Wiese stark abgegrast, knabbern Pferd und Kuh auch an dieser Pflanze, erklärt Klaus Gehring vom Institut für Pflanzensc­hutz an der Bayerische­n Landesanst­alt für Landwirtsc­haft in Freising. Gefährlich wird es vor allem, wenn das Kraut in das Futter gelangt. Beim Heumachen verliert die Pflanze ihre Bitterstof­fe, nicht aber die gefährlich­en Alkaloide, erklärt Gehring. Die Tiere können ohne diese warnenden Bitterstof­fe nicht mehr selektiere­n. Die Vergiftung zieht sich dann lange hin. Rinder bekommen Durchfall und Bauchkrämp­fe. Die Tiere verlieren ihre Vitalität und sterben schließlic­h an einer Lebervergi­ftung.

Wie viele Weidetiere durch das giftige Kraut bereits gestorben oder erkrankt sind, wird statistisc­h nicht erfasst, sagt Teo van Halsema, Geschäftss­tellenleit­er des Tiergesund­heitsdiens­tes in Kempten. Dafür müssten die Toxine in der Leber nachgewies­en werden. Nicht jede Kuh oder jedes Pferd werde aber nach dem Tod untersucht. Die Dunkelziff­er ist daher hoch, vermutet Halsema. Für den Menschen ist das Jakobskreu­zkraut bei Hautkontak­t weitgehend ungefährli­ch, sagt Professor Florian Eyer, Leiter der Abteilung der Klinischen Toxikologi­e am Klinikum rechts der Isar und Technische­n Universitä­t München. Außer man reagiere allergisch. Sonst sei die Pflanze nur bei Verzehr problemati­sch. Das komme so gut wie nicht vor, sagt er.

Das Kraut verbreitet sich durch Flugsamen. Auf diesem Wege er- obert sich die sogenannte Pionierpfl­anze immer neue Lebensräum­e, weil sie besonders anpassungs­fähig ist. An den Grünstreif­en der Autobahnen wuchert oft das verwandte schmalblät­trige Kreuzkraut. In der Alpenregio­n über 1000 Metern beder reitet das Wasserkreu­zkraut Probleme für die Weidetiere – beide Arten sind ebenfalls giftig.

Das Jakobskreu­zkraut fühlt sich vor allem am Wegesrand und auf ursprüngli­chen Weiden wohl. „In der Landwirtsc­haft ist es nach wie vor ein Riesenthem­a, wie das Kraut beseitigt werden kann“, sagt Erich Krug vom Bayerische­n Bauernverb­and in Kempten. Die meisten Bauern im Allgäu seien im Kulturland­schaftspro­gramm und dürfen ebenso wie Bio-Betriebe keine chemischen Pflanzenmi­ttel einsetzen. „Es wird gerade noch geforscht, wie man das Kraut durch Düngung oder eine veränderte Bewirtscha­ftung der Flächen fernhält.“Bis dahin gilt für die meisten Bauern: Jede Pflanze von Hand ausstechen. „Das ist ein Wahnsinnsa­ufwand“, sagt Krug.

Für Spaziergän­ger, Haus- und Wildtiere heißt es vor allem, Vorsicht vor dem Riesen-Bärenklau. Die große, weiß-blühende Staudenpfl­anze führt bei Berührung in Verbindung mit UV-Licht zu starken Hautschäde­n. Vorfälle durch diese Giftpflanz­en oder auch das Jakobskreu­zkraut sind jedoch äußerst selten, sagt der Toxikologe Eyer.

Bei Verdacht einer Vergiftung empfiehlt der Toxikologe, die Pflanze zu fotografie­ren, um sie später zu identifizi­eren und sofort den bayerische­n Gift-Notruf unter der Nummer 19240 zu wählen. Für Kinder kann Eyer meist Entwarnung geben. „Naturgemäß schaffen sie es nicht, große Mengen zu sich zu nehmen, da giftige Pflanzen nicht gut schmecken.“

Anders schaut es jedoch bei Vergiftung­en durch Pilze, Zimmerpfla­nzen und Beeren aus – die seien auch viel häufiger. Allen voran durch die hochgiftig­e Tollkirsch­e und die Eibe. Unter den Zierpflanz­en sind die grüne Dieffenbac­hie und der Ficus benjamina Gefahrenqu­ellen für Kinder.

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 ?? Bild: Franziska Hummel, 6, Landkreis Dillingen ?? Sonnig gelb und schön anzusehen ist das Jakobskreu­zkraut. Doch für Kühe und Pferde ist es eine Gefahr.
Bild: Franziska Hummel, 6, Landkreis Dillingen Sonnig gelb und schön anzusehen ist das Jakobskreu­zkraut. Doch für Kühe und Pferde ist es eine Gefahr.
 ?? Bild: Johanna Hummel, 8, Landkreis Dillingen ?? Verführeri­sche, süße Beeren trägt die Tollkirsch­e im August. Doch nur wenige Früch te können für Kinder tödlich sein.
Bild: Johanna Hummel, 8, Landkreis Dillingen Verführeri­sche, süße Beeren trägt die Tollkirsch­e im August. Doch nur wenige Früch te können für Kinder tödlich sein.

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