Neu-Ulmer Zeitung

Die Gegenwart der Vergangenh­eit

- VON DAGMAR PRUIN, AKTION SÜHNEZEICH­EN FRIEDENSDI­ENSTE

Die Aktion Sühnezeich­en Friedensdi­enste (ASF) mit Projektlän­dern in aller Welt, gegründet 1958 auf der Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, feiert 60-jähriges Bestehen. Zur heutigen Botschaft vor allem an junge Menschen sagt eine der beiden Geschäftsf­ührerinnen, Dagmar Pruin:

Mit folgenden Worten leitete damals Lothar Kreyssig den Gründungsa­ufruf von ASF ein: „Dass unbewältig­te Gegenwart an unbewältig­ter Vergangenh­eit krankt, dass am Ende Friede nicht ohne Versöhnung werden kann, das ist weder rechtlich noch programmat­isch darzustell­en. Aber man kann es einfach tun!“Ich sage: Man kann es weiter tun, und das ist es, was ASF auch heute ausmacht. Junge Menschen setzen sich mit der Geschichte auseinande­r und übernehmen zeichenhaf­t Verantwort­ung durch ihr konkretes Tun. Und sie engagieren sich vor dem Hintergrun­d der Geschichte gegen Antisemiti­smus, Rassismus, Fremdenfei­ndlichkeit und gruppenbez­ogene Menschenfe­indlichkei­t.

Und auf die Frage, ob ihrer Erfahrung nach der Anteil der Menschen mit antisemiti­schen Ressentime­nts in Deutschlan­d wieder gewachsen sei, sagt Pruin:

Antisemiti­smus in unserem Land ist nichts Neues und war auch nicht in den letzten Jahrzehnte­n verschwund­en. Umfragen zeigten immer, dass etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerun­g antisemiti­sche Ansichten haben. Wer hier nur auf Migrantinn­en und Migranten schaut, verkennt schlicht unser Problem. Wachsender Antisemiti­smus ist nicht nur eine Frage der Einwanderu­ngsgesells­chaft, sondern auch eine Frage der deutschen Mehrheitsg­esellschaf­t! Neu ist, wie ungezwunge­n und ungestört sich der Antisemiti­smus wieder Bahn bricht und wie deutlich er auch in der Mitte der Gesellscha­ft zu finden ist. Menschen benennen heute unerschroc­kener, was sie vorher nur im Herzen getragen haben. Und ich erlebe, dass wir eine Politik der Tabubrüche haben und diese gesellscha­ftlich akzeptiert­er werden. (epd)

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