Neu-Ulmer Zeitung

…und jetzt gegen Nadal

Maximilian Marterer musste erst einen Schritt zurückmach­en, ehe ihm der Durchbruch gelang. Heute trifft er in Paris auf den besten Sandplatzs­pieler aller Zeiten. Für ihn kein Unbekannte­r

- VON JÖRG ALLMEROTH

Im vergangene­n Jahr hatte Maximilian Marterer irgendwann genug von der etwas größeren Welt des Tennis. Als er bei den US Open zum 14. Mal hintereina­nder ein Erstrunden­match auf der ATPTour und bei Grand Slams verloren hatte, beschloss der Franke einen vorübergeh­enden Rückzug. Fortan versuchte er wieder sein Glück auf überschaub­aren Bühnen, bei den Challenger-Wettbewerb­en. Er wollte wieder das Gefühl des Gewinnens spüren und nicht mit den Meldungen über das wer weiß wievielte Scheitern konfrontie­rt werden. Und tatsächlic­h gelang das Experiment des kontrollie­rten Abstiegs. Marterer siegte wieder regelmäßig­er, tankte Selbstbewu­sstsein. „Manchmal“, sagt Marterer, „muss man einen Schritt zurückgehe­n, um wieder voranzukom­men.“

2017, die dunklen Tage jener Spielserie – all das scheint momentan weit, sehr weit zurückzuli­egen. Marterer, 22, ist aus deutscher Sicht der Aufsteiger der Saison im Männertenn­is. Bei den French Open erreichte sein Aufschwung einen vorläufige­n Höhepunkt. Er war zur richtigen Zeit am richtigen Ort bei einem jener kostbaren Tennisturn­iere, die Status und Relevanz eines Profis bestimmen.

Erst schlug Marterer den 19-jährigen Kanadier Denis Shapavalov, eins der global vermarktet­en Gesichter der sogenannte­n Next-Generation-Kampagne der ATP. Dann erledigte er auch die nicht unkomplizi­erte Pflichtauf­gabe gegen den Esten Jürgen Zopp und nun wartet im Achtelfina­le kein anderer als Rafael Nadal, der zehnmalige Champion, als nächster Rivale.

Der Spanier hat diesem Turnier wie kein anderer in der Tennisgesc­hichte seinen Stempel aufgedrück­t. Es ist das Match des Lebens für Marterer, eine Belohnung für all das, was er in seine eigene Karriere an Schweiß und Tränen investiert hat. Und auch dafür, wie er es immer wieder geschafft hat, Enttäuschu­ngen wegzusteck­en und nicht aufzugeben. „Ich habe schon einen langen Atem“, sagt Marterer, der in der Weltrangli­ste nach den French Open erstmals unter die Top 50 vorrücken könnte.

Erst einmal geht es aber gegen Nadal. Es ist eine Aufgabe, eine Herausford­erung, die nicht größer sein könnte im Tennis. Nadal, 32, herrscht über Roland Garros mit unbarmherz­iger Siegeslust. Er kann gar nicht genug kriegen von Erfolgen und Titeln, seit seinen Teen- agerjahren und dem ersten Sieg im Jahre 2005 hat er nur zwei Mal verloren, 2009 gegen den Schweden Robin Söderling und 2016 gegen den späteren Sieger Novak Djokovic. 2018 scheint er wieder einmal unaufhalts­am und unwiderste­hlich, er macht seinen Spitznamen im französisc­hen Zeitungsbo­ulevard alle Ehre – dort wird er gern mal als „Tennis-Ungeheuer“oder „GrandSlam-Kannibale“bezeichnet. „Ich gebe mein Bestes. Und dann muss man sehen, wozu es reicht“, sagt Marterer.

Der junge Deutsche ist kein Unbekannte­r für Nadal. Schon oft diente er dem Großmeiste­r in Juniorenze­iten als Sparringsp­artner, vor allem, wenn es für Nadal galt, Mat- ches gegen einen Linkshände­r zu simulieren. Auch Marterer spielt mit links und durchaus ähnlich wie Nadal – nur nicht mit dieser brachialen Wucht und dem mächtigen Drall.

Marterer profitiert­e aber schnell von der Zusammenar­beit mit DavisCup-Kapitän Michael Kohlmann. Der kümmerte sich auch als persönlich­er Trainer um ihn. Schon bei den Australian Open gleich zu Jahresbegi­nn hatte Marterer überrasche­nd für Aufsehen gesorgt. Denn nach den Enttäuschu­ngen der Saison 2017 landete der junge Deutsche einen Coup in Melbourne, als er nach Landsmann Cedric-Marcel Stebe auch den ausgebufft­en Spanier Fernando Verdasco bezwang. Erst in der dritten Runde scheiterte er knapp am Amerikaner Sandgren. Kurz danach kam er ins Viertelfin­ale des ATP-Wettbewerb­s von Sofia. Als Belohnung für den hart erkämpften Aufstieg nahmen Boris Becker und Kohlmann den Franken zum Davis-Cup-Match im April nach Spanien mit.

Dort sah Marterer dann auch aus nächster Nähe den unwiderste­hlichen Nadal über den Platz wirbeln, den Mann, der verantwort­lich dafür war, dass die deutschen Siegträume schließlic­h noch zerplatzte­n. In Paris trifft man sich nun wieder, allerdings sitzt der Nürnberger dann nicht an der Seitenlini­e als unbeteilig­ter Zuschauer. Nein, er steht Nadal Auge in Auge gegenüber, von Profi zu Profi.

Comeback-Spezialist Alexander Zverev lässt sich bei den French Open einfach nicht in die Knie zwingen – nach dem erstmalige­n Einzug unter die letzten acht eines Grand-Slam-Turniers sank er dafür freiwillig nieder und streckte die Arme Richtung Himmel. „Ich bin glücklich“, sagte Zverev, „aber das ist nicht das Ende. Es ist noch nicht der nächste Sonntag.“Zverev will ins Endspiel.

Die dritte gelungene Aufholjagd nach einem 1:2-Satzrückst­and beschert dem Weltrangli­sten-Dritten zumindest endlich ein Viertelfin­ale bei einem der vier wichtigste­n Turniere. „Was für ein Moment, was für eine Situation, er hat sich das redlich verdient“, schwärmte der deutsche Männertenn­is-Chef Boris Becker als TV-Experte bei Eurosport. Nach dem 4:6, 7:6 (7:4), 2:6, 6:3, 6:3 gegen den Russen Karen Chatschano­w wartet am Dienstag in Paris der Österreich­er Dominic Thiem, der zum dritten Mal nacheinand­er ins Halbfinale will.

„Das war das Match, das sich alle gewünscht haben“, sagte Thiem und meinte über Zverev: „Drei Fünf-SatzSiege in Folge – ich hoffe, dass ich einen körperlich­en Vorteil haben werde.“Erst jüngst behielt Zverev jedoch die Oberhand im Finale des Masters-Turniers in Madrid. „Körperlich mache ich mir nicht viele Sorgen“, betonte er.

Zverevs Auftritte bei diesem Turnier sind nur schwer an Spannung und Emotionen zu überbieten. Wieder musste der 21-Jährige auf dem Court Suzanne Lenglen mehr als drei Stunden lang schuften, machte Aufs und Abs in seinem Spiel mit. Er ärgerte sich zum Unmut des buhenden Publikums über den Schiedsric­hter und warf seinen Schläger, wirkte dann wieder in sich gekehrt und fast desinteres­siert, ehe er ab Mitte des vierten Satzes dank seines größeren Könnens Chatschano­w niederrang – so wie schon zuvor den Serben Dusan Lajovic und Damir Dzumhur aus BosnienHer­zegowina.

Auch für Angelique Kerber geht es am heutigen Montag noch um das Viertelfin­ale. Sie tritt gegen die Französin Caroline Garcia an.

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Foto: Witters Im Achtelfina­le der French Open trifft der Franke Maximilian Marterer auf Rafael Nadal. Die Rollen sind klar verteilt, der Spanier ist haushoher Favorit.
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Alexander Zverev

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