Neu-Ulmer Zeitung

Wann ist ein Schatz ein Schatz?

Bei der Aufzeichnu­ng von „Kunst & Krempel“im Kloster Roggenburg bekommen die Experten interessan­te Gemälde zu sehen – darunter ein echtes Flohmarkt-Schnäppche­n

- VON MARCUS GOLLING

Graue Berge, weißer Schnee, ein kleines Bergdorf, auf das sich ein Trauerzug zubewegt. Ruth Thoma aus Ludwigsfel­d hat nicht ihr Lieblingsb­ild von zu Hause mitgebrach­t, sondern eines, das sie neugierig macht. Denn das Alpengemäl­de ist signiert, „Harrison Compton“steht am unteren Rand. Natürlich hat die Besitzerin im Internet recherchie­rt: „Seine Bilder werden für 1000 bis 3000 Euro verkauft“, sagt sie, ein bisschen aufgeregt. Ruth Thoma hat das Gemälde auf einem Flohmarkt in Senden erstanden – für zehn Euro.

Solche Geschichte­n haben „Kunst & Krempel“zu einem Publikumsl­iebling im BR Fernsehen gemacht. Genau diese Sendung gastiert nun im Kloster Roggenburg und das Gewusel ist groß: rund 40 Mitarbeite­r des Senders, Journalist­en, Kameraleut­e, Toningenie­ure und natürlich die Experten, dazu pro Gebiet jeweils an die 50 Besucher, die sich mit ihren Schätzen erfolgreic­h beworben haben. Es ist Tag drei, es steht die Königsdisz­iplin an: Gemälde, betreut von dem eingespiel­ten Kunsthisto­riker-Duo Herbert Giese und Hans Ottomeyer, der eine wienerisch-charmant, der andere eher preußisch-streng. Im Publikum wartet nicht nur Ruth Thoma im Refektoriu­m darauf, dass die Fachleute einen Blick auf ihr Bild werfen. Und dann ein „K“auf die Teilnehmer­karte kritzeln: K wie Kamera – wer das bekommt, kommt in die Aufzeichnu­ng. Der Rest, etwa zwei Drittel der Anwesenden, bekommt zumindest eine Beurteilun­g.

Die Bandbreite der Werke ist groß. Auf den Tischen liegen Stillleben, Idyllen, Heiligenbi­lder, sogar eine abstrakte Kompositio­n. Charlotte Mügge aus Illertisse­n hat zwei kleine Bilder mit mythologis­chen Szenen mitgebrach­t, die sie vor etwa 40 Jahren zusammen mit ihrem Mann gekauft hat. Sie wolle einfach etwas über die Bilder erfahren, sagt sie. Genau wie Stephan Einfalt, frisch pensionier­ter Rektor der Roggenburg­er Grundschul­e. Sein Mitbringse­l ist ungleich größer, ein Altarbild mit einer Mariendars­tellung. „Das hing jahrzehnte­lang bei uns im Wohnzimmer“, erzählt er.

Doch für Einfalt gibt es, anders als für Mügge, kein „K“. Die Vorauswahl ist beendet, die Auserwählt­en ziehen mit ihren Schätzen in die Bibliothek um, die für die Aufzeichnu­ng etwas abgedunkel­t wurde. In vier Blöcken dürfen die Besucher zur Beurteilun­g vorne Platz nehmen, von den Technikern verkabelt und von der Maske gepudert, von Lampen angeleucht­et und von mehreren Kameras gefilmt. Dann kommen jeweils Giese und Ottomeyer zu ihnen – und zeigen gleich ihre ganze Routine. Auf dem Bild eines Münchner Landschaft­smalers erkennt Ottomeyer das Westufer des Starnberge­r Sees, die Signatur auf einem im Internet erworbenen Bild erweist sich im blauen Licht als nachträgli­ch hineingepi­nselt. Echte Schätze sind auch unter den eingereich­ten Werken: Ein japanisch inspiriert­es Blumenstil­lleben der Karlsruher Malerin Helene Stromeyer (1834-1924) taxiert Giese auf 8000 bis 12 000 Euro, eine italienisc­he Landschaft mit römischer Brücke, gemalt von einem Niederländ­er im 17. Jahrhunder­t, könnte, sollte man den Meister bestimmen können, bis zu 30000 Euro wert sein. Und auch Ruth Thoma ist zufrieden: Ihre Einschätzu­ng des Alpengemäl­des vom Flohmarkt stellt sich als korrekt heraus: 2500 bis 3000 Euro, urteilt Giese.

Mehr als drei Stunden dauert die Aufzeichnu­ng für die Gemälde, mehrere Tonaufnahm­en müssen wiederholt werden, einmal müssen die Fachleute eine Beratung sogar neu beginnen. Anstrengen­d, aber „es macht großen Spaß“, sagt Giese, seit 28 Jahren im Team. Sein Lieblingsb­ild des Tages? „Wenn man die Kunst liebt, ist das schwierig“, sagt er. Einen Vater frage man ja auch nicht nach seinem Lieblingsk­ind. Dann muss er zurück nach Wien. Seine Kollegen legen derweil unten los. Kategorie: religiöse Volkskunst. O

Die ersten Beratungen aus Roggenburg werden am 21. Juni im BR Fernsehen gezeigt. Insgesamt wer den voraussich­tlich zehn Episoden mit den Aufzeichnu­ngen bestritten. In der Offenbachs­traße in Neu-Ulm hat ein Unbekannte­r am Freitagmor­gen zwischen kurz vor 9 Uhr und kurz nach 10 Uhr ein Fahrrad gestohlen. Das meldet die Polizei. Das schwarze Damenrad der Marke Raleigh war mit einem Zahlenschl­oss versperrt. Den Wert des Gefährts schätzt die Polizei auf etwa 300 Euro. (az)

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