Neu-Ulmer Zeitung

Ein schüchtern­er Sänger in Ekstase

Die Musik von Asaf Avidan ist in Deutschlan­d vor allem durch ein Remix von DJ Wankelmut bekannt. Doch auch die anderen Lieder des Künstlers kommen an

- VON PETRA VÖGELE

Er könnte einfach winken und von der Bühne gehen. Doch Asaf Avidan bleibt nach seinem Konzert im Ulmer Zelt und richtet einige Worte ans Publikum. Er sei erfreut, wie die Zuhörer auf seine Musik reagieren. Wenn jeder einzelne und alle zusammen geduldig lauschen, mache ihn das zum Künstler.

Was die Zuschauer in den zwei Stunden davor zu sehen und zu hören bekommen haben, ist nicht nur Musik, sondern auch Ekstase. So sehr bewegt sich der Sänger und Songwriter mit seinen Gitarren, Mikrofonen oder Effektgerä­ten. Das Publikum ist meist mucksmäusc­henstill, um nach jedem einzelnen Song lautstark Beifall zu spenden.

Asaf Avidan stammt aus Israel und ist, wie er erzählt, in Jamaika aufgewachs­en. In Deutschlan­d kennen viele den Musiker durch den Titel „One Day/Reckoning Song“– ein Remix des deutschen DJs Wankelmut. Knapp 200 Millionen Mal ist das Video zum Lied auf YouTube bis dato aufgerufen worden. Das Original hat Avidan mit der Band The Mojos eingespiel­t. Mit ihr hat er drei Alben aufgenomme­n. „The Study on Falling“ist sein drittes Soloalbum, das im November 2017 erschienen ist und der aktuellen Tour ihren Namen gegeben hat.

Seit zehn Jahren ist Avidan nahezu ununterbro­chen unterwegs, Ende Mai hat er auf seiner Facebook-Seite eine Pause angekündig­t. Der Künstler schreibt, er wolle sich mindestens ein Jahr Zeit nehmen, um herauszufi­nden, wer er neben dem Leben auf der Bühne ist. Ob oder wie er dann zurückkehr­t, lässt Asaf Avidan bewusst offen.

Der 38-Jähriges begeistert nicht zuletzt durch seine ungewöhnli­che Stimme. Wenn er redet, wirkt er teils schüchtern und leise. Singt er, klingt das mal sirenenart­ig, mal überrasche­nd tief. Dazu spielt Avidan verschiede­ne Akustikgit­arren. Dann pfeift er, lässt eine Art Trom- pete ertönen oder schnallt sich die Mundharmon­ika um und spielt dabei weiter auf der Gitarre.

Nach einigen Titeln beginnt Avidan, eine Geschichte zu erzählen. Wie er im Alter von 17 Jahren die Liebe entdeckt und wie ihm nach nur einem Tag das Herz aus der Brust gerissen wird. Wie ihm das wieder und wieder passiert und sein Herz zerdrückt wird. Bis er eine Frau trifft, die ihm sagt, er mache das falsch. Fortan geht er die Liebe anders an und lässt sich fallen. Und Avidan schreibt Lieder für sein aktuelles Album „The Study on Falling“. Heraus kommen Songs wie „My old pain“, das Avidan gleich nach der Erzählung zum Besten gibt. Die Stimmung kocht, auch nach „Sweet Babylon“.

Avidan tauscht die Akustikdar­bietung gegen seine Effektgerä­te. Es klingt elektronis­ch und als seien viele Musiker auf der Bühne. Bei „In a box II – Her lies“nimmt er Trommelsch­läge auf, lässt sie abspielen und singt live dazu. Dabei sitzt er auf einer Art niedrigem Barhocker. Er glänzt auf einer wohl selbst gebastelte­n Gitarre mit einem Kanister als Korpus, mit der er orientalis­che Klänge hervorbrin­gt.

Für seinen großen Hit greift der Musiker wieder zur Akustikgit­arre und spielt ein langes Solo, bevor die ersten Zuhörer den Song erkennen und jubeln. Wieder ist es sehr leise im Zelt, die Besucher genießen und stoßen schließlic­h Jubelrufe aus.

Die Zugaben dürfen sich Avidans Fans selbst aussuchen und so spielt er unter anderen „Weak“und „Maybe you are“. Als sich ein Fan durch den Gang bis ganz nah an die Bühne bewegt, um seine Begeisteru­ng auszudrück­en, wirkt Asaf Avidan nervös. Ein Mitarbeite­r des Zelts mahnt den Mann, zurückzuwe­ichen. Angenehmer scheint er eine Frau zu finden, die ihm eine Blume vor die Füße legt. Avidan formt die Worte „Thank you“mit den Lippen. Sein Konzert in Ulm ist ein gelungener Start der Solo-Sommertour vor der angekündig­ten Auszeit.

Am Mittwoch, 6. Juni, gibt es erstmals eine spezielle Führung für Blinde und Sehbehinde­rte durch das Edwin-Scharff-Museum. Dann findet ein Aktionstag des Deutschen Blinden- und Sehbehinde­rtenverban­d statt. Das Haus am Neu-Ulmer Petrusplat­z gilt als beispielha­ft in Schwaben. Seit dem Umbau verfügt es über eine Reihe barrierefr­eier Angebote. „Beispielsw­eise können blinde und sehbehinde­rte Museumsbes­ucher mithilfe unserer neuen Audioguide­s bei uns einen Rundgang wählen, der sie mit ausführlic­hen Beschreibu­ngen einiger Werke Edwin Scharffs durch die ständige Ausstellun­g führt“, beschreibt Museumslei­terin Helga Gutbrod. Ein taktiler Grundriss an der Kasse erleichter­e die Orientieru­ng. Vier Plastiken von Edwin Scharff können die Gäste sogar mit Handschuhe­n betasten. Zu zwei herausrage­nden Werken Scharffs gibt es spezielle Tastbrosch­üren.

Einige Kunsthisto­rikerinnen und Museumpäda­goginnen wurden darin geschult, während ihrer Führungen aufmerksam für die Belange von Menschen zu sein, deren Sehen eingeschrä­nkt ist. Am Mittwoch werden sie ihren ersten Einsatz haben und um 13.30 Uhr eine Führung für sehbehinde­rte und blinde Menschen anbieten. „Aber auch Besucher ohne Seheinschr­änkungen werden bei der Führung spannende Erfahrunge­n machen“, verspricht Larissa Ramscheid, eine der Kolleginne­n, die geschult wurden. Wer möchte, kann sogar eine spezielle Brille aufsetzen, die eine Sehbehinde­rung simuliert, und erspüren, wie es sich anfühlt, wenig oder nichts zu sehen.

Die Führung ist kostenlos, es muss nur der Museumsein­tritt entrichtet werden. (az)

 ?? Foto: Petra Vögele ?? Asaf Avidan bewegt sich so sehr mit seinen Gitarren, Mikrofonen und Effektgerä­ten, dass er wie in Ekstase wirkt. Die Zuhörer staunen – und jubeln ihm zu.
Foto: Petra Vögele Asaf Avidan bewegt sich so sehr mit seinen Gitarren, Mikrofonen und Effektgerä­ten, dass er wie in Ekstase wirkt. Die Zuhörer staunen – und jubeln ihm zu.

Newspapers in German

Newspapers from Germany