Neu-Ulmer Zeitung

„Seitdem wir das Westjordan­land erobert haben, waren wir nicht mehr bereit, einen echten und akzeptable­n Kompromiss mit unseren Nachbarn zu schließen.“

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militärisc­her Besatzung. Die Araber Palästinas, die 1948 bei uns blieben, sind israelisch­e Bürger geworden. Die waren damals 150000 und sind heute eineinhalb Millionen. Ob sie mit der israelisch­en Staatsbürg­erschaft glücklich sind oder nicht, das ist eine andere Frage. Ich glaube, dass sie nicht sehr glücklich sein können, solange es keinen Frieden mit den arabischen Nachbarn gibt. Aber: Sie können alles tun, können fast überall arbeiten; in den Geheimdien­sten zum Beispiel nicht. Was verhindert den Frieden heute?

Seitdem wir das Westjordan­land erobert haben, das ist jetzt über 50 Jahre her, waren wir nicht mehr bereit, einen echten und akzeptable­n Kompromiss mit unseren Nachbarn zu schließen.

Was wäre ein echtes Zugeständn­is?

Auf das Westjordan­land zu verzichten. Vielleicht auch, den Gazastreif­en anders zu behandeln. Das zweite kann kommen, weil wir dort nicht mehr sitzen.

Mit wem müsste man den Kompromiss bezüglich des Westjordan­landes schließen?

Anfänglich waren es die Jordanier, mit denen haben wir auch verhandelt. Aber ich muss sagen, dass wir nicht offen genug waren, weil es sehr viel Druck bei uns gab, das Land nicht zurückzuge­ben aus historisch­en Gründen, aus religiösen und nationalis­tischen Gründen. Dann kam die Siedlungsb­ewegung dazu, also ist es noch schwierige­r geworden. Schließlic­h verlor der jordanisch­e König das Interesse an dem Land, das er nicht mehr hatte – und verwies uns an die Palästinen­ser, die dort einen Palästinen­serstaat gründen wollten, was der König durchaus nachvollzi­ehen konnte. Tatsache ist: Wir haben auch diese Verhandlun­gen fast nie ehrlich geführt. Olmert hat ehrlich mit den Palästinen­sern verhandelt, Rabin und Peres haben es begonnen. Aber dann kam der Likud an die Macht. Und bei denen ging es überhaupt nicht. Hat der aktuelle Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu kein Interesse?

Obwohl er mehrfach versproche­n hat, dass man Kompromiss­e erreichen würde. Ich erzähle ih- eine Geschichte, obwohl ich das nicht erzählen sollte. Das ist jetzt aber in einem Buch über Netanjahu veröffentl­icht worden, das in Israel ein Bestseller ist. Der Premiermin­ister kommt insgesamt nicht gut weg. Der Autor schreibt da etwas über mich: Netanjahu kam nach Deutschlan­d, als ich dort Botschafte­r war. Er war während meiner Zeit zwischen 1993 und 1999 viermal in Bonn. Über was ich berichte, ist ein Gespräch Netanjahus mit Bundeskanz­ler Kohl. Ich war dabei, habe übersetzt. Und ein paar Stunden später hat mich ein Führer der israelisch­en Opposition angerufen und gefragt, wie das Gespräch verlaufen sei. Ich habe geantworte­t – ich kenne ihn ganz gut, muss ich dazu sagen: „Hätte ich meine Augen geschlosse­n und nicht gewusst, wer da spricht, hätte man meinen können, du seist es gewesen.“Damit will ich Netanjahus Handlungsp­rinzip verdeutlic­hen: Im Ausland sagt er jedem Gesprächsp­artner das, was er meint, dass dieser Partner hören möchte. Deshalb sind ja auch viele Politiker in der Welt von ihm begeistert: „Er ist doch vernünftig, er ist doch kompromiss­bereit“, sagen sie. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass er es überhaupt nicht im Sinn hat. Und heute kann er seine Position auch durchsetze­n. Warum?

Er führt eine Koalition, wie wir sie noch nie in der Geschichte Israels hatten – mit dem ganzen rechten Lager einschließ­lich des extrem rechten Lagers, einschließ­lich der Ultraortho­doxen. Die meisten Israelis wären kompromiss­bereit und würden für „richtigen Frieden“auf die Mehrheit der besetzten Gebiete verzichten. Aber die Mehrheit sagt in Meinungsum­fragen auch: Das ist nicht möglich, weil die Araber keinen Frieden wollen, weil die Palästinen­ser Terroriste­n sind. Das Argument der Sicherheit­sproblemat­ik entspricht der offizielle­n Propaganda.

Man war sich schon viel näher.

Jahrzehnte­lang hatte man uns erzählt, mit der PLO spricht man nicht – das sind Mörder, Vernen

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