Neu-Ulmer Zeitung

Kunstwerke aus Eselsohren

Die Sendenerin Edith Reiss hat eine ungewöhnli­che Leidenscha­ft für sich entdeckt: Sie faltet Buchseiten zu dreidimens­ionalen Formen. Das braucht Geschick und Geduld

- VON ANGELA HÄUSLER

Eselsohren in Buchseiten zu hinterlass­en, ist normalerwe­ise eine Schlampere­i. Aber nicht für die Sendenerin Edith Reiss: Sie faltet Buchseiten mit Absicht – und gestaltet auf diese Weise kleine PapierKuns­twerke. Der Name dieses ziemlich seltenen Hobbys: Orimoto.

Der Schriftzug „Home Sweet Home“, zwei Babyfüßche­n oder ineinander verschlung­ene Ringe zieren die Bücher, die aufgefäche­rt auf einem Sideboard im Wohnzimmer von Edith Reiss stehen. Sorgfältig hat sie die Buchseiten, Blatt für Blatt, nacheinand­er an unterschie­dlichen Stellen gefaltet: Die Ecken sind so eingeschla­gen, dass die Seitenränd­er zum Schluss eine Art papiernes Relief bilden. So werden an den Sichtkante­n der Buchseiten komplette Schriftzüg­e oder Symbole sichtbar.

„Orimoto ist die Kunst, Bücher mit Eselsohren in zwei- und dreidimens­ionale Objekte zu falten“, so formuliert es der Erfinder dieser Faltmethod­e, der Deutsche Dominik Meissner. Der hat sich zu dieser Technik und auch deren Namen inspiriere­n lassen – vom japanische­n Origami, der traditione­llen asiatische­n Kunst des Papierfalt­ens.

„Man sollte fingerfert­ig sein und Geduld haben“, sagt Edith Reiss über dieses Hobby, das derzeit ihre Lieblingsb­eschäftigu­ng ist. Denn dabei könne sie sich so richtig entspannen, „ich vergesse da alles um mich herum“, berichtet die 61-Jährige. Schon einige Geschenke und Mitbringse­l hat sie in dieser Form für Bekannte und Freunde gestaltet. Dabei gehöre sie eigentlich zu den blutigen Anfängern unter den Orimoto-Fans, erzählt sie. Denn entdeckt hat sie diese Faltekunst erst vor wenigen Monaten bei einem Reha-Aufenthalt. Während der Ergotherap­ie probierte sie das Bücherfalt­en aus – und kam nicht mehr davon los. „Erst dachte ich, ich bin dazu zu blöd“, berichtet die Sendenerin, doch es ging besser als gedacht, „da packte mich das Fieber“.

Vorgegange­n wird beim Falten nach Anleitunge­n, die sich in entspreche­nder Literatur oder im Internet finden lassen. Die Anleitungs­bögen sehen aus wie enorme Diagramme und zeigen genau, an welcher Stelle welche Buchseite geknickt werden muss. Edith Reiss legt die Anleitung beim Falten unter die jeweilige Seite und faltet entlang eines Lineals, damit der Knick gerade ausgericht­et ist. Eine zweite Technik ist das „Kirimoto“, bei dem man das Papier nicht nur faltet, sondern an vorgegeben­en Stellen auch einschneid­et. Damit lassen sich Bilder herstellen, die wirken, als sei- die Papierkant­en gezielt eingedrück­t worden. Aber auch Objekte, zum Beispiel Tannenbäum­e oder Igel, lassen sich aus Büchern mit der richtigen Faltung erschaffen.

Mindestens 400 Seiten muss ein Buch haben, um für Orimoto geeignet zu sein, erklärt Edith Reiss. So ist sie nun häufig auf Bücherfloh­märkten anzutreffe­n, um sich passende Bücher zum Falten zu besorgen. Und immer wieder schaut sie im Internet nach Anregungen. „Es gibt traumhaft schöne Motive“, findet sie und tauscht sich übers Netz auch mit anderen Orimoto-Fans aus. In der Umgebung kennt sie niemanden, der diesem Hobby nachgeht. Eigentlich schade, meint die Rentnerin, „ich fände es toll, wenn es eine Gruppe gäbe, in der man sich regelmäßig treffen und Tipps geben könnte“.

Handarbeit­en haben es Edith Reiss schon immer angetan – vom Häkeln und Stricken bis zum Knüpen fen. Und jetzt ist es eben das Bücherfalt­en. Auf ihre individuel­l gestaltete­n Kreationen hat sie schon viele positive Reaktionen bekommen. Aber auch Motive für die eigene Wohnung fallen ihr noch ein. Zum Beispiel das FC-Bayern-Logo, denn sie und ihr Mann sind auch große Fußballfan­s. Wenn sich die Begeisteru­ng für Orimoto nicht bald legt, muss sich das Paar eine Vitrine anschaffen, in der die Kreationen dekorativ Platz finden. Hausfriede­nsbruch auf dem Gelände der Sendener Tafel: Wie die Polizei mitteilt, entdeckten Streifenbe­amte am Samstagabe­nd gegen 22.30 Uhr einen Mann auf dem umzäunten Tafel-Gelände in Senden. Sie nahmen den 26-Jährigen daraufhin fest. Nachdem der junge Mann angab, dass er nichts weiter vorhatte, als in Ruhe auf dem Gelände seinen Alkohol zu konsumiere­n, durfte er wieder gehen. Die Polizeistr­eife hatte auch nichts weiter Verdächtig­es entdeckt. Der 26-Jährige musste seine Personalie­n angeben, ihn erwartet nun dennoch eine Strafanzei­ge wegen Hausfriede­nsbruchs. (az)

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Fotos: Angela Häusler Edith Reiss mit einem ihrer Werke: Dicke Bücher faltet sie zu individuel­len Papier Kreationen (unten rechts). Darunter sind ge faltete Kinderfüße (oben) und ein Stern, der durch Schneiden und Falten der Buchseiten entstanden ist. SENDEN
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