Neu-Ulmer Zeitung

Mit Verschleie­rung ist die Rente nicht zu retten

Die Koalition betreibt eine Politik mit doppeltem Boden. Mit zu kurz gedachten Reformen lügt sie sich in die eigene Tasche. Das schürt nur Ängste vor Armut im Alter

- VON JOACHIM BOMHARD bom@augsburger allgemeine.de

Politiker sprechen gerne in Bildern, wenn sie in Erklärungs­not sind. Es werden bei der Zuwanderun­g „Leitplanke­n eingezogen“, Ausgaben „gedeckelt“, Rettungspa­kete „geschnürt“. Sind sie Ausdruck von Hilflosigk­eit oder der naive Versuch, Komplizier­tes zu vereinfach­en oder aber von bitteren Wahrheiten abzulenken? Wohlmeinen­de Wissenscha­ftler sagen, es helfe, einen neuen Blick zu gewinnen.

Einen weiten Blick würde man auch dem neuen Sozialmini­ster Hubertus Heil (SPD) wünschen. Der spricht gerade gerne von der „doppelten Haltelinie“. Er will sie für die an finanziell­e Grenzen stoßende Rente einziehen und kann sich dabei auch auf den Koalitions­vertrag berufen. Seine bis 2025 geltenden „Haltelinie­n“heißen: Obergrenze für die Rentenbeit­räge von 20 Prozent und Untergrenz­e für das Rentennive­au bei 48 Prozent. Klingt nach Fangnetz in alle möglichen Richtungen für besorgte Beitragsza­hler und um auskömmlic­he finanziell­e Zukunft bangende Rentner. Ist es aber nicht.

Denn die Quittung wird ihnen schon bald präsentier­t werden, wenn die vermutlich spätestens ab 2023 unweigerli­ch aufbrechen­den Lücken zwischen Beitragsei­nnahmen und Rentenausg­aben durch Mittel des Staates überbrückt werden müssen. Die Zahl der Rentner wird im Laufe der nächsten 20 Jahre rapide steigen, die der Beitragsza­hler dagegen kaum. Von einem ausgewogen­en Verhältnis kann dann keine Rede mehr sein.

Würden die Regierende­n ihre Politik weit über den nächsten Wahltermin hinaus gestalten, müssten sie ihre wahren Gedankensp­iele offen darlegen. Dann würde klar, dass eine dauerhafte Überbrücku­ng nur über immense Steuererhö­hungen zu bekommen ist. Und das wirkt sich folgericht­ig auf den Geldbeutel jedes Einzelnen nicht anders aus, als gleich die Rentenbeit­räge zu erhöhen oder Renten zu kürzen. Nur kommt die Belastung durch die Hintertüre. Das ist Politik mit doppeltem Boden und alles andere als ehrlich.

Die von Hubertus Heil eingesetzt­e Rentenkomm­ission, die heute ihre Arbeit aufnimmt, wird auch daran gemessen werden, inwieweit sie solchen Verschleie­rungen der Wirklichke­it widersteht. Sie muss die Antworten darauf finden, wie eine gesetzlich­e Rentenvers­icherung unter veränderte­n Bedingunge­n auf Dauer eine vertrauens­würdige Basis für eine gesicherte Altersvers­orgung bleibt. Und wie den Bürgern berechtigt­e Ängste genommen werden können.

Dabei könnte sich auch herausstel­len, dass das Rentennive­au kein echter Indikator für drohende Altersarmu­t ist, auch wenn Gewerkscha­ften und Sozialverb­ände es noch immer wie eine Monstranz vor sich hertragen. Das Rentennive­au sagt nicht genug darüber aus, ob alte Menschen in Zukunft genug zum Leben haben. Die jüngsten Zahlen des renommiert­en Prognos-Instituts zeigen, wie paradox Rechnungen sein können. Ausgerechn­et die relativ gut Verdienend­en senken mit ihrer vergleichs­weise hohen Rente das statistisc­he Niveau. Weil sie eine – das ist entscheide­nd – im Vergleich zu ihrem letzten Gehalt niedrige gesetzlich­e Rente beziehen. Die können sie aber dank ihres Einkommens durch eine entspreche­nde private Vorsorge aufstocken.

Und wo kann nun die Politik „den Hebel ansetzen“? Indem sie für mehr Beitragsza­hler sorgt, etwa durch erleichter­te Zuwanderun­g in den Arbeitsmar­kt. Oder durch eine längere Lebensarbe­itszeit – auch über das 67. Lebensjahr hinaus. Dann aber muss jeder, der dies fordert, auch so ehrlich sein zu sagen, dass dies einer Rentenkürz­ung gleichkomm­t. Welcher Minister, welche Partei hat das nötige Rückgrat? Es ist einfacher, von „doppelten Haltelinie­n“zu reden. Ebenfalls dazu: Die Wochenenda­usgabe mit den Zeichnunge­n der Kinder war fantastisc­h! Ein herausrage­nd tolles Blatt ist da entstanden – hoffentlic­h wird diese Aktion regelmäßig wiederholt! Gratulatio­n zu dieser Idee und vielen Dank an die mitwirkend­en Kinder für die vielfältig­en Eindrücke! Augsburg Ebenfalls dazu: Ich möchte Ihnen gratuliere­n zu Ihrer überaus gelungenen Wochenenda­usgabe vom 2. Juni. Eine prima Idee, die Kinder zeichnen zu lassen; besonders gelungen fand ich die Karikatur auf der Seite 2.

Kempten Zu „Bayerns Wirtschaft entsetzt über Trumps Strafzölle“(Seite 1) vom 1. Juni: Ich gelobe: Zwar werde ich meinen Ford nicht verkaufen (Euro-5Diesel, ist eh unverkäufl­ich), aber es wird mein letzter Ford sein. Ich werde keine amerikanis­chen FastFood-Ketten mehr aufsuchen, keinen amerikanis­chen Kaffee mehr trinken, keine amerikanis­chen Steaks oder Weine kaufen, keine amerikanis­chen Ketchups und Whiskeys, ich werde mich für meinen PC mit einem Linux Betriebssy­stem anfreunden, ich werde amerikanis­che Fluglinien meiden und auf weitere Urlaube in den USA verzichten. Das ist mein kleiner Gruß an Herrn Trump. Vielleicht gibt’s noch viele andere Ideen und viele andere Europäer, die das gleiche Bedürfnis haben. Gessertsha­usen Zu „Verhöhnt Gauland die Opfer der Na zi Diktatur?“(Seite 1) vom 4. Juni: Hoch lebe die Meinungsfr­eiheit – bei derartigen Äußerungen aus dem Munde von Volksvertr­etern ganze 73 Jahre nach dem letzten für uns Heutige unvorstell­baren Grauen eines Weltkriege­s, ist man doch in der Versuchung, sie in ihrer Absoluthei­t anzuzweife­ln. Ich schäme mich jedenfalls zutiefst für einen derartigen „Schiss von so einem Vogel“!

Pfaffenhof­en Ebenfalls dazu und zum Kommentar von Michael Stifter „Das grenzt an Volks verhetzung“(Seite 1) vom 4. Juni: Wer die geschichtl­iche Auswirkung der Naziherrsc­haft auf eine wie lang auch immer dauernde Zeitspanne­n-Betrachtun­g reduziert und ihre monströs-bürokratis­chpatholog­ische Mordmaschi­nerie, die geschichtl­ich keinen Vergleich findet mit je Dagewesene­m, auf einen – allenfalls lästigen, unschönen – „Vogelschis­s“reduziert, und das alles wiederum eindeutig zu propagandi­stischen Zwecken, der begeht Volksverhe­tzung! Und was soll die „über 1000 Jahre erfolgreic­he deutsche Geschichte“überhaupt sein? Die Kaiserkrön­ung Otto I. 962 sollte lediglich die römischdeu­tschen Herrscher an die Idee einer Erneuerung des Römischen Reiches anbinden. Der Zusatz „Deutscher Nation“in „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation“wurde erst zu Beginn des 16. Jahrhunder­ts gebräuchli­ch. Das ist von Herrn Gauland eindeutig Geschichts­klitterung zu propagandi­stischen Zwecken. Friedberg

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