Leitartikel
Angela Merkel kann ungestört regieren. Die Opposition im Bundestag ist kein ernst zu nehmender Gegenpart – und das liegt keineswegs nur an der AfD
Um zu verstehen, was gerade schiefläuft in der deutschen Politik, wagen wir an dieser Stelle ein kleines gedankliches Experiment. Einmal angenommen, anstelle der AfD säßen heute die Freien Wähler im Bundestag und der erste Skandal der neuen Legislatur würde sich nicht um tausende falscher Asylbescheide drehen, sondern um ein paar verschwendete Milliarden in irgendeinem anderen Amt: Würde die Opposition dann zögern, einen Untersuchungsausschuss einzurichten? Natürlich nicht. Er hätte sich längst an die Arbeit gemacht, vielleicht wäre schon ein Minister zurückgetreten oder der Leiter der Behörde, in jedem Fall jedoch würde der Bundestag nichts unversucht lassen, die Verantwortlichen zu stellen.
Die Realität sieht um einiges trauriger aus. Eine auf vier Fraktionen zersplitterte Opposition ist nicht in der Lage, ihren Auftrag zu erfüllen – nämlich der Regierung auf die Finger zu klopfen. Die Linke ist vor allem mit internen Querelen beschäftigt, die Liberalen haben nach Monaten am Rande der Wahrnehmungsschwelle immerhin kurz gezuckt und einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Asylaffäre beantragt, dem die Grünen sich aber verweigern, weil die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin im Kern ja ihre eigene ist. Und mit der Alternative für Deutschland macht ohnehin niemand gemeinsame Sache: zu unappetitlich, zu radikal, zu dominant wohl auch. Um eine parlamentarische Untersuchung zu erzwingen, muss die FDP auf Leihstimmen aus dem Regierungslager hoffen – absurd.
Auch wenn es keine Koalitionen in der Opposition gibt: Auf einen Untersuchungsausschuss zumindest sollten sich die vier Fraktionen einigen können. Macht braucht Kontrolle, zumal in einem so brisanten Fall wie dem des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Hat die letzte Koalition, allen voran die Kanzlerin, die notorische Überforderung der Behörde billigend in Kauf genommen? Ist sie mitverantwortlich für Asylmissbrauch und Amtsversagen? Untersuchungsausschüsse sind schon aus nichtigeren Gründen eingerichtet worden.
Natürlich hat der Einzug der AfD in den Bundestag die Dinge komplizierter gemacht, zumal sie auch noch die stärkste Fraktion in der Opposition stellt. Eine Partei jedoch, deren Fraktionsvorsitzender den Holocaust als Vogelschiss der Geschichte verharmlost, kann nicht in staatstragender Selbstverständlichkeit die Oppositionsführerschaft für sich reklamieren.
Deshalb, vor allem, verläuft die unsichtbare Trennlinie im Bundestag heute nicht zwischen Regierung und Opposition, wie es demokratische Normalität wäre, sondern zwischen den etablierten Parteien und der AfD. Auch die neue Fragestunde mit der Kanzlerin wusste die Opposition gestern nicht für sich zu nutzen: zu viele Themen in zu kurzer Zeit, als Co-Referate getarnte Fragen, die üblichen Attacken von der AfD und eine Kanzlerin, an der alles abzuperlen scheint. Vor allem die sonst so kritischen Grünen wirken im Moment wie weichgespült – als liefen sie sich schon für eine Regierungsbeteiligung an der Seite der Union warm.
Opposition aber ist kein Selbstzweck wie bei der Linken und auch kein Atemholen für die nächste Legislatur, sondern der vielleicht wichtigste Dienst an der Demokratie. Kritisch hinsehen, Fehler benennen, Aufklärung erzwingen: Ob Asylaffäre, Diesel-Skandal oder die Versuche anderer Euro-Länder, Deutschland stärker in die finanzielle Pflicht zu nehmen – an Themen fehlt es nicht. Wenn das Land heute trotzdem wie sediert wirkt, liegt das nicht nur an einer Regierung, die sich selbst genug ist und nur noch den Status quo verwaltet. Es liegt auch an einer Opposition, die nicht in die Gänge kommt. Ebenfalls dazu: Ich habe mir den trockenen Stausee angeschaut und bin erschüttert. Anscheinend kann es sich der Freistaat leisten, quadratkilometerweise Land zu fluten, damit die Wasserkraftwerkskette des Lechs gleichmäßig versorgt wird. Das nennt sich dann umweltfreundliche Stromerzeugung. Sie benennen die Sorgen der Tourismusbetriebe, aber dass der Bau des Stausees ein Umweltfrevel war und ist, wird nicht erwähnt.
Türkheim Zu „Oettinger lehnt Mindestpreis für alko holische Getränke ab“(Wirtschaft) vom 4. Juni: „Ein maßvoller Gebrauch von Alkohol schadet der Gesundheit nicht“, sagt der EU-Haushaltskommissar.
Abgesehen davon, dass die Definition „maßvoll“eine Auslegungssache ist – Alkohol ist und bleibt ein reines Zellgift. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des übermäßigen Genusses sind nur die eine Seite. Die sozialen Folgen und die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft die andere. Ich denke, ein maßvoller Genießer wird unter dieser Betrachtungsweise Verständnis für eine höhere Besteuerung aufbringen. Königsbrunn Zu Auf ein Wort „Bamf“von Michael Schreiner (Feuilleton) vom 2. Juni: Gut, dass mal jemand das Thema anspricht, denn viel zu oft werden falsche Abkürzungen verwendet.
Leider wird trotzdem die falsche Schreibweise beibehalten. Korrekt wäre nur BAMF (so steht es auch auf der offiziellen Webseite), denn eine Regel beim Erstellen von Abkürzungen lautet, dass ein Großbuchstabe niemals zu einem Kleinbuchstaben wird, es umgekehrt aber möglich ist. Deswegen heißt es auch BND und nicht Bnd, BMWi und nicht Bmwi und daher auch BAMF und nicht Bamf. Augsburg Zu unserer Wochenendausgabe vom 2. Juni, gestaltet von Kindern: Die Ausgabe zur 10-Jahres-Feier der Capito-Seite war eine tolle Idee. Die Kinderzeichnungen waren hervorragend gestaltet. Die kleinen Künstler zeichneten die Personen in ihrem Aussehen und Habitus so gut, dass wir mit Staunen und großer Anerkennung die Werke betrachteten. Vieles brachte uns zum Schmunzeln, weil es treffend erkannt und zu Blatt gebracht war. Außerdem war es ein gelungener Beitrag zur Leseförderung. Die Kinder aus dem Bekanntenkreis blätterten mit Entdeckermiene die Zeitung durch und hatten viele Fragen zu dem, was in den Artikeln gemeint war. Für das Redaktionsteam, dem zu danken ist, war es Arbeit, für uns Leser ein Vergnügen.
Augsburg Zu „Neuer hat den Test bestanden“(Seite 1) vom 4. Juni: Wenn man gegen Österreich, bei allem Respekt eine Weltklassetruppe, zwei Tore kassiert und dadurch eine nicht unerhebliche Mitschuld an der Niederlage hat, trotzdem als „klare Nummer 1“mitfahren darf, klingt das schon sehr nach Jogis Liebling. Die Verdienste in der Vergangenheit zählen im modernen Fußball normalerweise nicht mehr. Ein Mario Götze hätte ja sonst als WM-Siegtorschütze seinen Platz im Kader sicher. Buxheim Zu „Sie überlebte Auschwitz durch Musi zieren“(Feuilleton) vom 1. Juni: Vor Jahren las ich das Buch mit dem Titel „Ihr sollt die Wahrheit erleben“von Lasker-Wallfisch. Ich möchte ihr zu der Verleihung des nordrhein-westfälischen Verdienstordens gratulieren und ihr meine Hochachtung ausdrücken.
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