Neu-Ulmer Zeitung

„Wir retten das Gesundheit­ssystem“

Verantwort­liche des Bayerische­n Roten Kreuzes klagen in Nördlingen über steigende Belastung, Personalma­ngel und Übergriffe gegen Helfer. Was sie von der Politik fordern

- VON RENÉ LAUER

Als zwei Sanitäter und ein Notarzt vor wenigen Wochen an die Pegnitzwie­sen in Nürnberg gerufen wurden, waren sie auf der Suche nach einer Jugendlich­en mit Atemnot. Gefunden haben sie stattdesse­n eine aggressive 17-Jährige, die die Rettungskr­äfte gemeinsam mit ihren Freunden beschimpft­e, schlug und mit Flaschen bewarf. Aus welchen Gründen, ist bislang unklar.

Gewalt gegen Helfer ist ein Problem, das hört man von Verantwort­lichen bei einer Tagung des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) in Nördlingen (Kreis Donau-Ries) immer wieder. Doch, das betont der Landesgesc­häftsführe­r des BRK, Leonhard Stärk, es sei bei Weitem nicht das schlimmste Problem des größten bayerische­n Rettungsdi­enstes.

Das liege vielmehr darin, dass es immer mehr Einsätze zu bewältigen Vergangene­s Jahr waren es 1,9 Millionen, sagt Stärk. „Für diese Auslastung sind wir weder personell noch finanziell aufgestell­t.“Der Leiter des Bereichs Rettungsdi­enste beim BRK, Thomas Stadler, führt aus: „Es sind für uns immer mehr Aufgaben hinzugekom­men. Wegen der Übergriffe müssen wir Einsatztak­tiken anpassen, auch auf die gestiegene Die Nummer des ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s 116117, der eigentlich zuständig wäre, würden einfach zu wenige Menschen kennen, sagt Stadler. Und so müsse das BRK oftmals unnötig ausrücken. Auch die Wartezeit sei ein Faktor. Wer den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst anrufe, müsse mitunter fünf Stunden auf einen Mediziner warten, berichtet Peter Sefrin, Landesarzt des BRK. Das dauere vielen zu lange. Der Rettungsdi­enst sei nach wenigen Minuten bereits da.

Dass die Zahl der Notaufnahm­en in Bayern abnehme, führe ebenfalls zu mehr Arbeit für das BRK. Wegen der steigenden Belastung sei es schwierig, ehrenamtli­che Helfer zu finden. „Früher war es für einen Berufstäti­gen kein Problem, unter der Woche eine Nachtschic­ht bei uns zu machen, weil er dann vielleicht einen Einsatz fahren muste. Mit dem heutigen Aufwand geht das nicht mehr“, klagt Thomas Stadler. Die Zahl der Ehrenamtle­r sei in den vergebe. gangenen Jahren zurückgega­ngen. Zusätzlich steige im Gesundheit­swesen der Kostendruc­k, auch bei Rettungsdi­ensten. „Wir retten das Gesundheit­ssystem und sollen gleichzeit­ig Geld sparen. Man sägt da an dem Ast, auf dem man sitzt“, sagt Stadler. Die politische­n Vertreter sind sich der Situation laut Landesgesc­häftsführe­r Stärk durchaus bewusst. „Sie sind sich bloß über die Konsequenz­en nicht im Klaren.“Noch würden die Mitarbeite­r des BRK die gestiegene Belastung abfangen. „Aber wir haben einen riesigen Berg an Überstunde­n.“Das Rote Kreuz sehe sich in der Pflicht, vor Entwicklun­gen zu warnen, die das System beeinträch­tigen oder gar gefährden. „Wenn wir den Ärztemange­l abfangen sollen, müssen wir unterstütz­t werden.“Eine Möglichkei­t sei, den ärztlichen Bereitscha­ftsdienst besser zu bewerben. Hier nimmt Stärk auch die zuständige Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayerns (KVB) in die Pflicht.

Im NSU-Prozess hat ein Pflichtver­teidiger von Beate Zschäpe den Vorwurf des versuchten Mordes bei der Brandstift­ung der letzten Fluchtwohn­ung in Zwickau zurückgewi­esen. Zschäpe habe Beweise vernichten wollen, keinesfall­s aber Menschen gefährden, sagte Rechtsanwa­lt Wolfgang Heer am zweiten Tag seines Plädoyers vor dem Oberlandes­gericht München am Mittwoch.

Zschäpe hatte am 4. November 2011 Benzin in der Wohnung ausgeleert und angezündet. Sie habe damit ein Verspreche­n eingelöst, sagte Heer. Kurz vorher hatte sie mitbekomme­n, dass ihre beiden Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sich nach einem gescheiter­ten Banküberfa­ll in Eisenach das Leben genommen hatten. Die Explosion habe Zschäpe überrascht, führte Heer aus. Sie habe nicht damit gerechnet, dass sich das Benzin in der Luft zu einem explosiven Gasgemisch verflüchti­gte, sodass die Wohnung regelrecht auseinande­rflog. Sie habe außerdem vorher nachgesehe­n, dass sich niemand sonst im Haus befinde.

Am Dienstag forderte Heer die sofortige Freilassun­g Zschäpes und eine Verurteilu­ng wegen einfacher Brandstift­ung. Die Bundesanwa­ltschaft hatte für Zschäpe lebenslang­e Haft und anschließe­nde Sicherungs­verwahrung gefordert. Nach Überzeugun­g der Anklage war Zschäpe eines von drei gleichbere­chtigten Mitglieder­n der Terrorzell­e „Nationalso­zialistisc­her Untergrund“(NSU) und sollte deshalb als Mittäterin an sämtlichen Verbrechen der Gruppe bestraft werden. Dazu zählen zehn Morde.

Der Aufstau des Forggensee­s verzögert sich weiter. Der Grund: Der Damm bei Roßhaupten sei noch zu instabil, teilte die Uniper Kraftwerk GmbH gestern mit. „Unser Ziel ist aber nach wie vor, den Aufstau vorzunehme­n“, sagte Unternehme­nssprecher Theodoros Reumschüss­el. Ob und wann das möglich ist, könne er aber nicht sagen. Grund für die Entscheidu­ng gegen einen jetzigen Teilaufsta­u seien neue Erkenntnis­se über den Bauuntergr­und sowie den Gesamtzust­ands des Damms. Messungen hätten ergeben, dass der Staudamm geschwächt sei und in manchen Bereichen andere Schäden aufweise als angenommen. (AZ)

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