Neu-Ulmer Zeitung

Sterben noch mehr Gasthäuser?

Das Aus von Traditions­betrieben im Landkreis löst große Betroffenh­eit aus. Wie ein Kenner der Branche, ein Gewerkscha­fter und der Chef des Gaststätte­nverbands die Lage beurteilen

- VON SEBASTIAN MAYR UND JENS NOLL

Die Nachricht über das baldige Aus der Weißenhorn­er Traditions­gaststätte „Löwen“schlägt hohe Wellen. Eberhard Riedmüller hat die Botschaft „wie ein Blitz getroffen“, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Und das nicht nur, weil er als Geschäftsf­ührer der „Barfüßer“-Hausbrauer­eien die Weißenhorn­er Gastroszen­e gut kennt. Riedmüller ist nach eigenen Angaben Stammgast des „Löwen“. Er sagt: „Da wird Weißenhorn etwas fehlen. Das ist ein tolles Lokal, das sind hervorrage­nde Gastgeber.“

Der Gastronom mit Betrieben in Ulm, Neu-Ulm, Weißenhorn, Memmingen, Leutkirch und Reutlingen kann es nachvollzi­ehen, dass Wolfgang Ländle, der Geschäftsf­ührer des „Löwen“, wegen den derzeitige­n Bedingunge­n in der Branche die Notbremse zieht. Mit dem „Hasen“macht in Weißenhorn wie berichtet Ende Juli eine weitere Traditions­gaststätte zu, auch die „Krone“in Illertisse­n wurde geschlosse­n. „Das Personalpr­oblem wird immer schlimmer, es fehlen vor allem Köche“, sagt Riedmüller. Er weiß das aus eigener, leidlicher Erfahrung. „In größeren Städten ist die Lage allerdings nicht so schlimm wie in kleineren Städten wie Weißenhorn“, fügt er hinzu.

Der „Löwen“arbeitet Riedmüller zufolge auf einem Niveau, auf dem es im ländlichen Raum besonders schwierig ist, Köche zu finden. Hinzu kommt aus seiner Sicht das Problem der Arbeitszei­ten. In seinen durchgängi­g geöffneten Gaststätte­n gebe es eine Früh- und eine Spätschich­t. In kleineren Betrieben hingegen gebe es eine für viele Angestellt­e unattrakti­ve Zwischensc­hicht. Heißt: Der Gasthof ist vom Vormittag bis über den Mittag geöffnet, macht dann am Nachmittag zu und öffnet erst wieder am frühen Abend. Zudem seien kleinere Betriebe nicht so flexibel, betont Riedmüller. Personelle Engpässe in einem Lokal könne er mit Personal aus einem anderem ausgleiche­n. Das funktionie­re in kleinen, familiär geführten Betrieben nicht.

Gibt unter diesen Umständen nach „Hasen“, „Krone“und „Löwen“bald der nächste Traditions­gasthof in der Region auf? Tim Lubecki ist sich ganz sicher: Das Gaststätte­n-Sterben wird weitergehe­n. Der schwäbisch­e Regionalge­schäftsfüh­rer der Gewerkscha­ft Nahrung Genuss Gaststätte­n (NGG) sieht nur einen Ausweg: höhere Gehälter und kürzere Arbeitszei­ten. „Das haben sich die Arbeitgebe­r selbst zuzuschrei­ben“, sagt er.

Fachkräfte­mangel und kaum junge Menschen, die eine Ausbildung in der Gastronomi­e machen wollen – damit sich an dieser Situation etwas ändert, glaubt Gewerkscha­fter Tim Lubecki, müssen die Löhne steigen und die Zahl der Arbeitsstu­nden muss sinken. „Wenn ich in die Gastronomi­e gehe, dann weiß ich, dass ich dann arbeite, wenn die anderen feiern“, sagt er. „Die Frage ist: Müssen es zehn, zwölf, 14, 16 Stunden am Stück sein?“Die Wirte, fordert er, sollen mehr Personal einstellen, damit die Schichten der Angestellt­en auf ein normales Niveau sinken.

Jochen Deiring ist Geschäftsf­ührer im Bezirk Schwaben des Hotelund Gaststätte­nverbands Dehoga. Er streitet ab, dass die Wirte zu schlecht zahlen. „Wenn ich einen guten Koch haben will, dann kriege ich ihn zum Tariflohn gar nicht“, betont er. Vielmehr frage ein Wirt den Bewerber, was der verdienen wolle, und entscheide dann, ob er das bezahlen kann und will. An der Bezahlung liege es nicht, dass immer weniger Leute in der Gastronomi­e arbeiten wollen und dass jeder zweite Kochlehrli­ng seine Ausbildung abbricht – über diese Zahl berichtete­n im Frühjahr mehrere Zeitungen übereinsti­mmend. Als Grund sieht Deiring die Arbeitszei­ten an. Da könne ein Wirt mit seinen Dienstplän­en entgegenst­euern. Zum Beispiel, indem er seinen Lehrlingen auch Wochenende­n freihalte. Eine Chance sieht der Dehoga-Geschäftsf­ührer darin, das Bild des Berufs zu verbessern. Sein Verband suche den Kontakt zu den Berufsschu­len. Im Allgäu gebe es bereits Versuche, die Freisprech­ungsfeiern attraktive­r zu gestalten: Mit der Seilbahn auf den Berg, mit der Sommerrode­lbahn wieder ins Tal. „Das sind nur kleine Maßnahmen, aber wir müssen langfristi­g denken“, sagt Deiring.

Er sieht auch andere Probleme in der Branche, etwa die zunehmende Bürokratis­ierung. Die hatten auch Jürgen Willer von der Illertisse­r „Krone“und Benjamin Glöggler vom Weißenhorn­er „Hasen“im Gespräch mit unserer Zeitung beklagt. „Das kann ein kleiner Betrieb gar nicht leisten“, sagt Deiring und erinnert an die seit Kurzem gültigen neuen Datenschut­zregeln, die auch für die Gastronome­n weiteren Mehraufwan­d bedeuten. Er sieht vor allem die kleinen und ländlichen Gasthäuser in Gefahr.

Gewerkscha­fter Tim Lubecki dagegen glaubt, dass auf Dauer allen die gleichen Probleme drohen. In Ballungsrä­umen wie Ulm oder Augsburg, sagt er, ließen die sich aber wohl besser abfedern, zum Beispiel durch studentisc­he Aushilfen. Für sie würden die Gehälter ausreichen. Dass sie so hoch sind wie Deiring sagt, hält er allerdings für ein Gerücht. Lubecki verweist auf Verträge, die ihm und Gewerkscha­ftskollege­n vorgelegt wurden. „Wir sehen immer wieder Arbeitsver­träge, auch aus den Ballungsrä­umen“, sagt er.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Zum August schließt das Gasthaus zum Löwen in Weißenhorn, ebenso der „Hasen“. Der Gasthof Krone in Illertisse­n hat bereits zu gemacht. Die Gastronomi­e Branche hat große Probleme.
Foto: Alexander Kaya Zum August schließt das Gasthaus zum Löwen in Weißenhorn, ebenso der „Hasen“. Der Gasthof Krone in Illertisse­n hat bereits zu gemacht. Die Gastronomi­e Branche hat große Probleme.
 ?? Foto: V. Bonn Meuser, dpa ?? Kann mehr Geld für den Braten Gasthäu ser retten?
Foto: V. Bonn Meuser, dpa Kann mehr Geld für den Braten Gasthäu ser retten?

Newspapers in German

Newspapers from Germany