Größer, wichtiger – und in Gefahr?
Die Wilhelmsburg-Kaserne verändert sich. Die Nato-Aufgabe bringt eine neue Perspektive für das Ulmer Kommando. Welche Folgen die Generale für Standort, Stadt und Bürger sehen
Die Wilhelmsburg-Kaserne wächst – und sie wird internationaler. Jürgen Knappe, Befehlshaber des Ulmer Kommandos, erkennt in der Entwicklung einen großen Vorteil für den Stützpunkt. Befürchtungen zur Sicherheit von Kaserne und Stadt teilt er nicht.
Die umfangreichen Baumaßnahmen, die derzeit in dem Militärkomplex an der Stuttgarter Straße laufen, und das neue Nato-Kommando, das in der Donaustadt angesiedelt wird (wir berichteten), hängen zusammen. „Das ist sicherlich ein Grund, warum man sich für Ulm entschieden hat“, sagte Klaus Habersetzer am Dienstag. Der 60-Jährige ist Chef des Stabes des Multinationalen Kommandos Operative Führung. „Es ist auch ein vernünftiger Umgang mit Steuergeldern“, kommentiert Habersetzer. Seit Jahren wird in der Wilhelmsburg-Kaserne gebaut, 61 Millionen Euro kosten die Maßnahmen. Rechnet man die Projekte im Bundeswehrkrankenhaus und in der RommelKaserne in Dornstadt dazu, investiert der Bund 130 Millionen Euro.
In der Kaserne an der Stuttgarter Straße laufen fünf Bauprojekte: Ein Sanitätsbereich, ein Konferenzzentrum, eine Instandhaltungshalle für Gefechtsmaterial, eine Materialhalle und ein Funktionsgebäude entstehen. Am Mittwoch, 20. Juni, feiert die Bundeswehr Richtfest.
Die Veränderungen kommen der Arbeit des neuen Nato-Kommandos zugute, davon ist Drei-Sterne-General und Befehlshaber Jürgen Knappe überzeugt. Ursprünglich sollten die Umbauten den Zwecken des Multinationalen Kommandos dienen, das im Auftrag der Europäischen Union tätig ist. Dessen Aufgaben und die des neuen Nato-Kommandos ähneln sich. Bundeswehr und Nato erhoffen sich Synergie-Effekte. Beide Kommandos können Einsätze koordinieren, bei denen Armee, Marine und Luftwaffe aus verschiedenen Ländern zusammenarbeiten. Entsprechend soll Befehlshaber Knappe auch beide führen.
Das Ulmer Nato-Kommando ist die Antwort des Nordatlantikbünd- nisses auf die als aggressiv wahrgenommene Politik Russlands. „Es gibt ein fragileres Umfeld. Die Nato reagiert darauf mit der Anpassung der Strukturen“, sagte Knappe. Konkret heißt das: Das Nato-Kommando soll Truppen der Allianz unterstützen, wenn sie von einem Land in ein anderes verlegt werden. Hagen Messer, Sprecher des Ulmer Kommandos, hatte diese Aufgabe im Vorfeld als die eines „militärischen Reisebüros“bezeichnet.
Generalleutnant Knappe betonte, dass es sich dabei nicht um ein Logistik-Kommando handle. Der Offizier zählte die Aufgaben auf, die die Ulmer übernehmen sollen: Verlegung, Schutz, Unterstützung, Ausbildung und Gesamtkoordination. „Es ist die Verantwortung für den rückwärtigen Raum“, sagte er. In Friedenszeiten sollen ersten Schätzungen zufolge rund 100 Soldaten zusätzlich in die Donaustadt kommen, im Krisenfall bis zu 500. Diese Zahlen wollte Knappe nicht kommentieren. Er verwies darauf, dass die Planungen bis ins kommende Jahr dauern dürften.
Der Stützpunkt, davon ist Knappe überzeugt, profitiert von der Entscheidung. „Ich freue mich für Ulm, da das Ulmer Kommando eine zukunftsweisende Aufgabe bekommt“, betonte der Generalleutnant. Derzeit arbeiten dort etwa 800 Männer und Frauen. Ihr Standort dürfte erst einmal sicher sein. 160 Positionen sind für Soldaten aus anderen Ländern vorgesehen, doch davon ist derzeit nur ein knappes Viertel besetzt. Knappe hofft und erwartet, dass sich das durch das neue Nato-Kommando ändert.
Ein größeres Risiko für Stadt und Kaserne fürchtet der Befehlshaber nicht. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bedrohung größer wird, als sie heute ist“, sagte er. Lediglich die Gefahr von Terroranschlägen auf militärische Einrichtungen bestehe immer. Der Chef des Stabs pflichtete ihm bei. Für jeden Profi sei klar erkennbar, dass die Strukturen der Nato verändert werden müssten. An russische Raketen auf Ulm glauben die Offiziere nicht. „Objektiv schließe ich das aus“, sagte Habersetzer.