Neu-Ulmer Zeitung

„Klug, ehrlich, direkt“– das sagt Trump über Kim

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nicht auf. „Ehrlich und direkt“sei der 34-Jährige, lobte Trump, dazu „unterhalts­am und strategisc­h“. Er schwärmte von seiner „großartige­n Beziehung“zu dem Machthaber und urteilte: „Er ist klug, er liebt sein Volk und liebt sein Land.“

Der Führer eines der repressivs­ten Regime der Welt als ehrenwerte­r Sympathiet­räger, der Premiermin­ister des demokratis­chen Nachbarlan­des als Verräter, der – so formuliert­e es Trumps enger Vertrauter Larry Kudlow – „uns in den Rücken gestochen hat“? Diese paradoxe Rollenzuwe­isung geht einzelnen Republikan­ern zu weit. „Man kann Justin und Kim nicht vergleiche­n“, widersprac­h Susan Collins, die Senatorin von Maine: „Der Präsident sollte unseren engsten Verbündete­n und größten Handelspar­tner nicht so verärgern.“Doch ansonsten blieb der konservati­ve Protest eher leise.

Offenbar hat sich die amerikanis­che Öffentlich­keit schon an die inflationä­re Verwendung von Schmeichel­eien und Superlativ­en durch ihren Präsidente­n gewöhnt. Immerhin hatte er vor kurzem auch Trudeau einen „großen Freund, Nachbarn und Verbündete­n“genannt. Wie sich nun zeigt, ist die Halbwertsz­eit solcher Kompliment­e extrem kurz.

„Solche Äußerungen sollen nicht die Realität beschreibe­n, sondern ganz bestimmte taktische Ziele erreichen“, analysiert Ex-CIA-Direktor Michael Hayden. Trump will die europäisch­en Partner zu einer veränderte­n Handelspol­itik nötigen. Nachdem das Zuckerbrot seines anfänglich­en Werbens nicht funktionie­rte, holt er nun die Zoll-Peitsche heraus. „Es gibt Länder, die uns ausnutzen“, klagte er auch in Singapur und beschwerte sich über Deutschlan­d: „Sie kaufen nicht viel von uns, und trotzdem senden sie uns Millionen von ihren Mercedes und BMW.“Das klingt nach einer bizarren Form von enttäuscht­er Liebe. Tatsächlic­h treffen sich in Trumps extremen Schmeichel­eien zwei Seiten seiner Persönlich­keit: der Immobilien­entwickler und der Narzisst. Der Präsident will etwas verkaufen und mit dem Verkaufser­folg zugleich sein Genie beweisen.

Immer wieder hat er geprahlt, niemandem vor ihm sei es gelungen, Kim Jong Un zu treffen. „Bin ich wieder auf dem Cover?“, fragte er während der Pressekonf­erenz den Korrespond­enten des Magazins Time: „Mein lieber Mann, hatte ich schon viele Titelgesch­ichten!“Einen skurrilen Höhepunkt erreichte die Melange aus Süßholzras­peln und Selbstlob in einem vier Minuten langen Werbevideo, das Trump eigens für das Treffen mit Kim produziere­n ließ. Der Trailer im kitschigst­en Hollywood-Stil zeigt SchwarzWei­ß-Bilder vom tristen nordkorean­ischen Alltag, die mit bunten Zukunftsvi­sionen von Traumstädt­en und Hochgeschw­indigkeits­zügen kontrastie­rt werden. „Zwei Männer, zwei Führer, ein Schicksal“, heißt es am Ende, und Trump hält seine Hand in die Höhe.

Solche Propaganda kennt man sonst nur von autokratis­chen Staaten. Und tatsächlic­h hält Trump höchstes Lob für den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, den chinesisch­en Präsidente­n Xi Jinping und eben Kim bereit. Dass in Nordkorea laut Amnesty Internatio­nal „fast jeder Aspekt der Menschenre­chte verletzt“wird, wischt er beiseite: „An vielen Plätzen ist es rau. Nicht nur hier.“Immer lauter wird die Kritik, dass einstige moralische Überheblic­hkeit der USA unter Trump grenzenlos­em Relativism­us gewichen sei. „Trump kommt tatsächlic­h weit besser mit Kim Jong Un aus als mit unseren engsten Verbündete­n Angela Merkel und Justin Trudeau“, empört sich Tony Schwartz, der einst als Ghostwrite­r für den Milliardär dessen Buch „Die Kunst des Erfolges“schrieb und später zu seinen erbitterte­n Gegnern mutierte: „Wir werden zunehmend zu einem Schurkenst­aat.“

Solche moralische­n Zweifel sind den Medien in Nordkorea fremd. Staatlich gelenkte Medien verkündete­n einen großen Sieg für Machthaber Kim. Auf allen Zeitungen erschienen die vorteilhaf­testen Fotos von Kim mit Trump in verschiede­nen Posen und Situatione­n. Die Nachrichte­nagentur KCNA zitierte Trump mit den Worten: „Es ist wichtig, mutige Entscheidu­ngen zu treffen, um die gegenseiti­gen Feindselig­keiten einzustell­en“– und stellte den Gipfel als Treffen unter Gleichgest­ellten dar. KCNA nahm sogar etwas als beschlosse­n vorweg, das Trump am Tag zuvor noch an zahlreiche Bedingunge­n geknüpft

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