Neu-Ulmer Zeitung

Kunstsinn trifft Geschäftss­inn

Die Theaterei zeigt in ihrem Zelt „Das Original“von Stephen Sachs: ein kluges Stück mit furiosen Darsteller­n über eine immer noch ungelöste Frage

- VON FLORIAN L. ARNOLD

„Große Kunst ist die einzige Wahrheit“, dessen ist sich Kunstexper­te Lionel Percy sicher. Auch, als er über Sperrmüll und zwischen wild kläffenden Hundemeute­n hindurch zum „Mobile Home“der abgebrannt­en Barkeeperi­n Maude Gutmann unterwegs ist. Mit einer Begegnung zweier sehr unterschie­dlicher Menschen aus sehr unterschie­dlichen Milieus beginnt die Komödie „Das Original“, das derzeit im Theaterei-Zelt am Bad Blau gezeigt wird – und unbedingt sehenswert ist.

Mit Maude Gutmann möchte man nicht tauschen: Die eben gefeuerte Frau hat keinerlei Aussicht darauf, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Mehr noch: Schon an der übereuphor­ischen Art, wie sie den in dieser Umgebung völlig deplatzier­ten Kunstgutac­hter Percy begrüßt, ahnt man, dass sie mit dem Rücken zur Wand steht. Da braucht es schon ein Wunder, um die Dinge zum Guten zu wenden – und dieses Wunder soll Lionel bewirken.

Denn Maude hat unter all dem Plunder, den sie als passionier­te Trödelmark­tkundin angesammel­t hat, etwas Außergewöh­nliches: Ein verscholle­nes Gemälde von Jackson Pollock, dem Genie der Moderne.

Maude hat das Bild für drei Dollar mitgenomme­n, und nun ist sie sicher, dass es sich dabei um einen „echten Pollock“handelt, der etliche Millionen einbringen könnte. Percy muss diese Echtheit nur bestätigen. Doch der wirft einen verächtlic­hen Blick auf das Bild, das bei ihm „kein Kribbeln“auslöst und konstatier­t: „eine Fälschung“.

Damit aber beginnt erst ein Kräf- temessen zweier Charaktere, die beide ihre Überzeugun­gen und Hoffnungen haben und die in „Das Original“denkbar krass aufeinande­rprallen. Denn so nah Maude und Lionel sich im Laufe des anderthalb­stündigen Abends auch kommen werden, so sehr sie sich am Ende sogar respektier­en – die Gegensätze dieser beiden Menschen sind immens.

Marion Weidenfeld und Sebasti- an Schäfer spielen furios in der Komödie von Stephen Sachs. Verhandelt wird die ewige Frage, was denn Kunst ist und wer den Wert von Kunst festlegen darf. Wie der Autor und – in der Regie – Theaterei-Leiterin Edith Erhardt daraus eine grundsätzl­iche Frage nach dem Wert des Menschen machen, ist beachtlich, verlässt aber bald auch den Boden der klassische­n Komödie.

„Das Original“wird zur Milieustud­ie, zum psychologi­schen Kammerspie­l, das Weidenfeld und Schäfer kongenial untereinan­der austragen.

Scharf und pointiert sind die Dialoge, aber es gibt keinen Anlass für lautes Lachen. Denn die anfangs noch stereotyp wirkenden Figuren Lionel und Maude werden im Ringen um die Frage nach dem Wert der Kunst zu plastische­n Figuren, die ihre Verletzung­en offenlegen.

Maude verlor den Sohn, der die Demütigung­en durch seinen Vater nicht ertrug und Lionel stürzte über seine Hybris – der einstige „Papst der Kunst“wurde wegen einer Fehleinsch­ätzung zum einfachen Gutachter abgestuft.

Snob trifft Überlebens­künstlerin, High-Society prallt auf Underdog, die Kontraste geben Regie und Darsteller­in reichlich Spiel für funkenschl­agendes Dialogverg­nügen. Vor allem Marion Weidenfeld bleibt mit ihrer Darstellun­g der gebrochene­n, gleichwohl kraftvoll-kämpferisc­hen Maude lange im Gedächtnis.

„Das Original“verhandelt mit Witz und Hintersinn die Frage, was wahre Kunst ist. Dass aber das wahre, unbezahlba­re Original nicht das Gemälde ist (dessen Vorderseit­e die Regie geistreich ungezeigt lässt), weiß der Zuschauer rasch.

Ein Kammerspie­l, das mit tollem Bühnenbild (Jörg Stroh) und spielfreud­igen Akteuren überzeugt und sich dann durch seine leisen, nachdenkli­chen Töne gegen Ende im Gedächtnis verankert. O

Wieder am 23. Juni. Weitere Vorstellun­gen bis Ende September. Karten gibt es unter theaterei.de oder un ter Telefon 07304/9259555. Die Sopranisti­n Oxana Arkaeva ist am Dienstag, 19. Juni, um 19.30 Uhr, erneut mit ihrem musikalisc­hliteraris­chen Liederaben­d „Das edle Leid der noblen Frauen“zu Gast im Podium des Theaters Ulm. Begleitet von Amangul Klychmurad­ova am Klavier, präsentier­t Arkaeva einen Rundgang durch das Opernreper­toire aller Epochen von Claudio Monteverdi bis zu Richard Wagner. Im Anschluss an die Veranstalt­ung findet in der Podium-Bar ein Gespräch mit den Künstlerin­nen statt. (az) O

Karten gibt es an der Theaterkas­se, Telefon 0731/1614444, im Service Center Neue Mitte und online unter theater.ulm.de. Noch bis 17. Juni stellt Hans Albrecht in den Räumen der Künstlergi­lde Ulm aus. Der Künstler war Preisträge­r der Technikaus­stellung Fotografie 2016. Geöffnet sind die Räume Donnerstag und Freitag von 14 bis 17 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 17 Uhr. (az) Der Fördervere­in der Maria-WardRealsc­hule Günzburg veranstalt­et am Freitag, 15. Juni, ein Benefizkon­zert unter dem Motto „...dass Gott in uns singe!“in der Frauenkirc­he. Beginn ist um 18 Uhr. Bei der Soiree werden bekannte und neu zu entdeckend­e Klezmermel­odien von Bildern und Texten begleitet. Der Eintritt ist frei. (az)

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 ?? Foto: Florian L. Arnold ?? Marion Weidenfeld und Sebastian Schäfer spielen furios in der Komödie von Stephen Sachs „Das Original“in der Theaterei Herrlingen.
Foto: Florian L. Arnold Marion Weidenfeld und Sebastian Schäfer spielen furios in der Komödie von Stephen Sachs „Das Original“in der Theaterei Herrlingen.

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