Leitartikel
Viele in der CSU glauben, dass der Bruch mit der CDU – und vor allem mit Kanzlerin Merkel – die Lösung ist. Aber damit wäre die Partei ja nicht ihre Sorgen los
Die CSU hat eine Obergrenze abgeschafft. Damit ist, Gott bewahre, natürlich nicht jene Obergrenze für Migranten gemeint, für welche die Christsozialen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise so erbittert wie vergeblich gekämpft haben.
Gemeint ist eine selbst verordnete Obergrenze: nämlich die Grenze im Kopf, an den Bruch der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auch nur zu denken. Heißt konkret: Die CSU ist mittlerweile bereit, in der Union sogar die Vertrauensfrage zu stellen.
In Sitzungen am Donnerstag in Berlin, das derzeit an eine Treibjagdstätte erinnert, kam dies offen zur Sprache. „Es fehlt nicht mehr viel“, verriet ein prominenter Abgeordneter unseren Kollegen – und auch CSU-Chef Horst Seehofer schien über so eine Aussicht zumindest nachzudenken. Selbst wenn die „maximale Eskalation“, von der die Christsozialen in diesen Tagen ja immer wieder sprechen, am Nachmittag erst einmal abgeblasen wurde und ein wie auch immer fadenscheiniger Kompromiss mit der CDU wahrscheinlich ist: Unverkennbar wirkt die Drohung mit dem großen Bruch nicht mehr befriedend – wie in der Vergangenheit schon aus Angst vor einer Wiederholung des Desasters von 1976, als die Partei in Kreuth erst die Trennung verkündete, sie dann aber zurücknehmen musste.
Im Gegenteil: Zumindest die CSU-Landtagsfraktion – und vielleicht auch der bayerische Ministerpräsident – wirken durch eine solche Aussicht nur noch beflügelt.
Von ihrer Warte sieht die Welt so aus: Die CSU ackert sich in Bayern ab, stellt eine Rekordbilanz nach der anderen auf, brennt WahlkampfFeuerwerke voller grandioser Vorschläge ab, bis hin zum Raumfahrtprogramm und Reiterstaffeln – doch die AfD wird in den Umfragen nicht kleiner, sondern größer. Und die Schuld darin liegt für die Anhänger dieser Denkschule in Berlin, wo Angela Merkel regiert und Horst Seehofer (der andere für die CSU-Landtagsfraktion bereitstehende Sündenbock) nicht wie erhofft durchregiert. Die AfD sei ja nicht in Bayern entstanden, sagte Ministerpräsident Söder gerade bei unserem Augsburger Allgemeine Forum, unter großem Applaus.
Diese Gruppe ist überzeugt: Solange die Mutter der Flüchtlingspolitik nicht weg ist, wird auch die AfD nicht verschwinden. Also lieber den ganz großen Knall als wieder eine kleine Lösung. „Diesmal gewinnen wir“, heißt es in der CSU – aber der Hauptpreis wäre wohl erst die Trophäe Merkel.
Nur: Würde es dann wirklich einen großen Gewinner geben oder nur viele Verlierer?
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich schon. Auch diesmal könnte die CDU nach einer Unionsspaltung drohen, dann halt in Bayern anzutreten. Zudem ist keineswegs ausgemacht, dass Merkel unbedingt von einem Flüchtlings-Hardliner ersetzt würde. So gering ist die Rückendeckung für ihre Politik in der CDU gar nicht.
Und schließlich: Zumindest der Glaube, dass die CSU ihrer Sorgen ledig sei, sobald Merkel abtreten muss, ist naiv. Natürlich arbeitet sich ein Teil der AfD-Wählerschaft vor allem an der Flüchtlingspolitik ab. Aber es gibt auch viele, deren Unmut aus anderen Quellen stammt. Der Angst vor der neuen Moderne, vor den Umwälzungen der Digitalisierung, die selbst das erfolgsverwöhnte Bayern blitzschnell transformieren könnten. Und durchaus auch die Lust, die Institutionen und alle „die da oben“gar nicht mehr zu respektieren.
Diesen Leuten muss die CSU (wieder) etwas bieten. Stattdessen nur auf den ganz großen Knall zu setzen, der angeblich alles klären soll, erinnert eher an: den Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod. Zu „Streit mit Merkel: Seehofer vertagt die Asyl Reform“(Seite 1) vom 12. 6.: Vor der Bayernwahl unterschätzen Herr Seehofer und Herr Söder den bayerischen Wähler? Nur durch gegenseitiges Überbieten von Ankündigungen zur Verschärfung der von Angela Merkel eingeleiteten desaströsen Flüchtlingspolitik werden die beiden Herren keinen abgewanderten Wähler zurückgewinnen. Die Zeiten sind vorbei, wo eine Partei mit durchsichtigen Wahlkampfmanövern das Wahlverhalten der Bürger beeinflussen kann. Herr Seehofer, korrigieren Sie den Fehler aus dem Jahr 2015, verabschieden Sie sich jetzt aus der Regierung, bilden Sie sich bei Herrn Kurz in Wien weiter – und die absolute Mehrheit für die CSU in Bayern ist gesichert. Bayern passt eh besser zu Österreich als zum Rest der BRD. Sonthofen Zum selben Thema: Es kann doch wohl nicht sein, dass die Kanzlerin am Parlament vorbei entscheidet, wie Deutschland mit Asylbewerbern umzugehen hat, die in anderen Ländern registriert wurden und dort bereits ein Asylverfahren läuft. Bis hier eine „europäische Lösung“vorliegt – wie sie die Kanzlerin stets gebetsmühlenartig vorbringt –, sollte man doch der Logik folgen und das von Horst Seehofer vorgelegte Papier verabschieden. Warum nehmen unsere Parlamentarier dazu nicht eindeutig Stellung? Hat Frau Merkel sie alle im „Würgegriff“? Die Begründung, warum ein Asylant quer durch Europa „reisen“darf, um sich seine Bleibechancen durch eine Vielzahl von Anträgen zu erhöhen, hat unsere Kanzlerin zu diesem Thema bisher nicht abgegeben.
Tapfheim Zum Fall Susanna: Als ich hörte, dass der Asyl-Antrag dieses Mehrfachtäters – jetzt Mörders – bereits Ende 2016 abgelehnt worden ist, gibt es für mich richtig böse Fragen: Warum war dieser polizeibekannte und mehrfach vorbestrafte Ali B. nicht in Haft? Wer – Rechtsverdreher/Winkeladvokat? – hat diesen x-mal straffällig gewordenen Ali B. bei seinem Widerspruch gegen den abgelehnten Asylantrag unterstützt? Der soll die jetzt enorm hohen Kosten bezahlen! Dieser Fall facht die Diskussion über – in manchen Fällen – rasche Abschiebung an.
Waltenhofen Lanzen Zum Interview „Ich glaube, es wird Krie ge geben“(Feuilleton) vom 11. Juni: Was wäre denn die Alternative zu unserem Schulsystem, das laut Precht den Kindern die Kreativität austreibt und sie nach angeblich militärischem Vorbild diszipliniert? Immerhin verdankt Precht diesem Schulsystem seine Bildung und seinen Erfolg. Sollen die lieben Kleinen selbst entscheiden, ob sie etwas lernen wollen – und wenn ja, was? Konsequent wäre das allerdings, denn wer braucht bei einem staatlich garantierten Grundeinkommen von 1500 Euro noch Wissen oder Bildung? Gefährlicher als die viel beschworene digitale Diktatur wäre die Herrschaft von Unwissen und Unbildung. Die Diktatur der Barbarei hat Europa allerdings schon schmerzlich erfahren.
Augsburg