Wer bekommt die VW Milliarde?
Der Autobauer kassiert die nächste Rechnung für seine Diesel-Manipulationen. Warum der Skandal trotzdem nicht ausgestanden ist und was mit dem Geld passiert
Zieht sich Volkswagen mit seiner Milliardenzahlung endgültig aus der Diesel-Affäre? Fakt ist: Nie zuvor musste ein deutsches Unternehmen ein derart hohes Bußgeld hinlegen. Für den renommierten Rechtswissenschaftler Prof. Ulrich Battis ist trotzdem klar: Der Skandal um manipulierte Fahrzeuge ist noch lange nicht ausgestanden. Battis hält die Strafe für ein gutes Signal. „Es muss richtig schmerzen, wenn man sich freikauft“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung und erteilt Verschwörungstheorien eine Absage: „Dass das Verfahren gegen eine Geldbuße eingestellt wurde, hat übrigens nichts mit Wildwest oder Willkür zu tun, sondern bewegt sich im Rahmen der Strafprozessordnung.“Nur was passiert denn nun mit der VW-Milliarde?
„Da es sich nicht um eine Geldauflage, sondern um ein Bußgeld handelt, fließt es direkt in die Staatskasse“, sagt der Braunschweiger Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe auf Nachfrage. Bedeutet: Das Land Niedersachsen kann nun selbst ent- scheiden, was es mit dem Geldregen aus Wolfsburg anfängt. Begehrlichkeiten gibt es genug. Der Steuerzahlerbund fordert, Schulden abzubauen. Die Richter wollen mehr Jobs in der Justiz. Und es gibt sogar Leute, die sagen, das Geld müsste in den Länderfinanzausgleich eingespeist werden. Das dementiert die Landesregierung allerdings sicherheitshalber am Rande: Das Land ist selbst an VW beteiligt und damit indirekt auch Geschädigter der Konzernkrise. Nun „profitiert“Niedersachsen allerdings mal vom Diesel-Skandal.
Volkswagen hat sechs Wochen Zeit, um die Milliarde zu überweisen. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft ist überzeugt davon, dass die Strafe selbst einen solchen Riesenkonzern hart trifft: „Tausend Millionen Euro für eine Ordnungswidrigkeit ist schon eine Ansage, und ich gehe davon aus, dass das natürlich schmerzhaft ist“, sagt Ziehe. „Wenn wir das Gefühl gehabt hätten, das führt zum allgemeinen Lacher und einer Überweisung aus der Portokasse, hätten wir einen anderen Betrag ermittelt“, fügt er hinzu. An der Börse sieht man das offenbar ein bisschen anders. Die Anleger scheinen eher erleichtert zu sein. Zum einen, dass die Sache endlich vom Tisch ist. Zum anderen, dass die Summe den Autobauer nicht wirklich in Not bringt. Im vergangenen Jahr hat VW schließlich unter dem Strich mehr als 11 Milliarden Euro verdient. Die Aktie legt am Tag danach jedenfalls sogar zu.
In Amerika hat es den Autobauer jedenfalls deutlich härter getroffen als in Deutschland. Dort musste der Konzern bislang 25 Milliarden Euro für Entschädigungen, Strafen und Anwaltskosten hinblättern. Vor allem die Sammelklagen von geprellten US-Kunden wurden teuer. Diese Möglichkeit gibt es in Deutschland bislang nicht. Doch auch hier sollen Verbraucher künftig gemeinsam vor Gericht ziehen können.
Die Diesel-Affäre wird VW auch juristisch noch lange verfolgen. Mindestens 19000 Kunden haben den Autobauer verklagt, weil sie sich betrogen fühlen. Sie fordern Schadenersatz oder wollen ihren Problem-Diesel zurückgeben. Sie hoffen auf Rückenwind durch das Braunschweiger Bußgeld. Dass Volkswagen die Strafe akzeptiert hat, heißt aber nicht, dass andere Kläger automatisch recht bekommen. VW selbst argumentiert sogar genau anders herum. Vorstandschef Herbert Diess verspricht sich von der Zahlung jedenfalls „erhebliche positive Auswirkungen“auf andere Verfahren, die sein Unternehmen noch am Hals hat.
Um die 450 Beschäftigte der Wanzl-Werke in Leipheim (Landkreis Günzburg) und Kirchheim (Landkreis Unterallgäu) sind am frühen Donnerstagnachmittag für eine Stunde vor das Tor von Werk 4 in Leipheim getreten – nach dem Dezember 2017 zum zweiten Mal. In diesem Werk sitzt auch die Geschäftsführung des weltgrößten Herstellers von Einkaufswagen. An sie waren die Vorwürfe der IG Metall, die diese „aktive Mittagspause“organisiert hatte, gerichtet: Die Unternehmensführung nehme die Belegschaft nicht ernst und ignoriere konsequent deren Forderung nach einem Tarifvertrag.
Die Firma ist nicht tarifgebunden, hat sich in der Vergangenheit aber an die erzielten Abschlüsse der Tarifpartner angelehnt. Die letzten beiden Lohnerhöhungen 2016 und 2018 (insgesamt ein Plus von 6,3 Prozent) seien allerdings nicht an die Mitarbeiter weitergegeben worden. Damit fehlen nach Berechnungen der Gewerkschaft einem Facharbeiter brutto 185 Euro im Geldbeutel – und das jeden Monat.
Die Geschäftsführung steht einem „Tarifvertrag mit allen Inhalten der Fläche“skeptisch gegenüber. Er nehme der Firma die „Flexibilität, den Anforderungen gerecht zu werden, die in unserer Branche gestellt werden“, sagt Klaus Meier-Kortwig, Vorsitzender der Wanzl-Geschäftsführung. Der aktuelle Tarifabschluss in der Metallund Elektroindustrie ist nach der Aussage des Managers „mit unserer Wertschöpfungskette nicht umsetzbar“. Dennoch will die Geschäftsleitung ab Anfang Juli mit der IG Metall in Dialog treten.
Günter Frey, erster Bevollmächtigter der IG Metall Neu-Ulm/ Günzburg, plädierte vor den mit Trillerpfeifen demonstrierenden Arbeitnehmern für eine möglichst große Geschlossenheit in der Belegschaft. Das sei das wirksamste Argument der Gewerkschaft.