Neu-Ulmer Zeitung

Der Memminger OB brach beim Joggen zusammen

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jung, begeistert­er Ausdauersp­ortler, der beim Joggen im Dezember 2016 zusammenbr­ach. Herztod, nach gerade einmal 38 Tagen im Amt.

Seit gut einem Jahr ist Manfred Schilder sein Nachfolger. Ob auch er sich Gedanken um seine Gesundheit macht? Ob das Schicksal seines Vorgängers eine Rolle bei seiner Arbeit spielt? „Im Hinterkopf vielleicht“, sagt der CSU-Politiker. Todesfälle und Krankheite­n seien aber kein „typisches Phänomen des Bürgermeis­teramtes“. Wer in verantwort­licher Position arbeite – egal ob in der Politik, der Wirtschaft oder der Verwaltung – müsse mit einer enormen Belastung umgehen. „Das erfordert viel Energie und Kraft.“

Ob der Stress bei den tragischen Todesfälle­n eine Rolle gespielt hat, bleibt Spekulatio­n. „Und die ist auch nicht angebracht“, sagt Achim Grinschgl, Facharzt für Psychosoma­tische Medizin und Psychother­apie. Bekannt ist jedoch, erklärt der Chefarzt der Günztalkli­nik Allgäu, dass Stress ein unspezifis­cher Risikofakt­or unter anderem für Herzinfark­te und Schlaganfä­lle ist. Männer zwischen 50 und 60 Jahren sind überdurchs­chnittlich gefährdet. es gibt Berufe, die sicherlich eine höhere Gefährdung für HerzKreisl­auf-Erkrankung­en haben als Bürgermeis­ter.“Menschen etwa, die im Schichtdie­nst arbeiten oder monotone Tätigkeite­n ausüben.

Fest steht allerdings: Die Arbeitsbel­astung eines Stadt- oder Gemeindeob­erhaupts ist immens – und wird häufig unterschät­zt. Stefan Bosse, Oberbürger­meister in Kaufbeuren, arbeitet häufig 80 bis 85 Stunden pro Woche. Das liegt längst nicht nur an Büroarbeit oder Sitzungen. Dazu kommen Jubiläen, kulturelle Veranstalt­ungen, Feste. Vor 23 Uhr sei er selten zu Hause, sagt Bosse.

Manche stecken dieses Arbeitspen­sum scheinbar locker weg, anderen setzt die Belastung auf Dauer zu. Der Buchloer Bürgermeis­ter Josef Schweinber­ger hatte vor einem Jahr einen Herzinfark­t. Ein anderer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, berichtet von Schlaflosi­gkeit. Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig, den mit Wolfgang Schenk eine private Freundscha­ft verband, hatte in diesem Frühjahr „eine kleine Delle“. We- gen einer Darm-OP musste er zwei Wochen Zwangspaus­e einlegen. Jetzt ist er wieder „topfit“, sagt der 49-Jährige. „Ich empfinde es als unheimlich­es Glück, wieder arbeiten zu dürfen.“Sich zurücknehm­en, weniger arbeiten, das sei schwierig in diesem Job, sagt Jauernig. Schon weil ein Bürgermeis­ter in der Regel mehr als eine Funktion habe. Und weil man Präsenz zeigen müsse, Bürgernähe. „Zudem neigen Kommunalpo­litiker dazu, ihren Beruf sehr ernst zu nehmen“, sagt er.

Bürgernähe, sagt Stefan Bosse, bedeute auch, nahezu ständig verfügbar zu sein. Der Kaufbeurer Oberbürger­meister wurde auch schon nachts um halb eins, als er mit seinem Hund spazieren ging, von einem Bürger angesproch­en. „Er wollte bloß über ein Halteverbo­t sprechen.“Was zunächst witzig klingt, kann zum Dauerstres­s werden. „Es ist gut, wenn man mit robuster Gesundheit ausgestatt­et ist“, sagt der 53-Jährige. Gleichzeit­ig müsse sich jeder einen Rückzugsor­t schaffen, es brauche Strategien zur Stressbewä­ltigung. „Das Amt ver„Aber einnahmt, man ist mit der Stadt verheirate­t.“Außerdem sitze und esse man zu viel, bewege sich zu wenig. Jeder sollte sich darüber im Klaren sein: „Das Amt verändert das eigene Leben fundamenta­l.“

Auch Friedrich Käßmeyer weiß das. Seit 28 Jahren ist er ehrenamtli­cher Bürgermeis­ter in Glött im Kreis Dillingen. Ernsthaft krank war er selten. Bis zum Osterwoche­nende 2017. Eine schwere Herzoperat­ion riss ihn urplötzlic­h aus dem Job, aus seiner Familie. „Als ich das mit Wolfgang Schenk erfahren habe, musste ich daran denken, was für ein Glück ich damals hatte.“In dem Geschäft gewöhne man sich an den Dauerstres­s, sagt er. „Aber der Körper vergisst nicht.“Durch seine Herzerkran­kung habe er lernen müssen, Arbeit abzugeben, sich zurückzune­hmen, dass er nicht der Letzte bei Veranstalt­ungen sein müsse. Gleichzeit­ig will der 61-Jährige etwas bewegen in seiner Gemeinde. Doch dass sein Körper nicht immer so funktionie­ren kann, wie er will – das ist ihm erst jetzt bewusst. In zwei Wochen findet der AfDBundesp­arteitag in Augsburg statt. An diesem Wochenende wird es zum größten Polizeiein­satz in der Geschichte der Stadt kommen – die Polizei wird mit 2000 Kräften vor Ort sein. Die Bürgerscha­ft positionie­rt sich auch: Das Bündnis für Menschenwü­rde organisier­t in Kooperatio­n mit zahlreiche­n Initiative­n und Vereinigun­gen Demonstrat­ionen, Kundgebung­en und Konzerte. Am Rathauspla­tz werden über 2500 Menschen erwartet, um ein Zeichen für Toleranz zu setzen. Dort werden auch Juso-Chef Kevin Kühnert sprechen und SingerSong­writer Joris auftreten. (ziss)

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