Neu-Ulmer Zeitung

Von Kommerz und Gewalt im Fußball

Eine klug besetzte Runde spricht zum WM-Auftakt in Russland über Investoren, Fans und Probleme des Sports. Auch die jüngsten Ausschreit­ungen beim SSV spielen eine Rolle

- VON GERRIT R. RANFT

Die Fragestell­ung auf dem Podium war eindeutig: „Ist Fußball noch Sport oder nur Kommerz?“Die Antwort ebenso: „Der Nachwuchs verliert das Interesse am Fußball, wenn er nur auf Kommerz aus ist“. Aber da ist ja noch mehr. Es geht auch um die Fans, um Gewalt in den Stadien, um Investoren, die Geld sehen wollen. Grünen-Landtagsab­geordneter Jürgen Filius hatte das Podium in den Ulmer Stuben klug besetzt, aber nur 30 Zuhörer angelockt.

Der Fußball sei dabei, seine Seele zu verkaufen, fürchtete Claus Vogt, vom Vorstand des „FC PlayFair!“, einem „Verein für Integrität im Profifußba­ll“. Der Fußball verliere zunehmend den Kontakt zu seinen Anhängern. Vor allem die neu angesetzte­n Montagspie­le in der Bundesliga schadeten dem Zusammenha­lt. „Die Zahlen im Fußball sind toll“, sagte Vogt, „aber es gibt zu viele schmutzige Spiele, die vom Geld geprägt sind.“Andere verdienten gewaltig, die Zeche aber zahlten die Fans. Die dramatisch­e Situation erweise sich allein schon daraus, dass nur 32 Prozent der Spiele im Profifußba­ll ausverkauf­t seien. Vogt hatte hohe Unzufriede­nheit unter den Fußballanh­ängern ermittelt. Die rühre vor allem aus den Montagsspi­elen, aber auch aus der Langeweile um den Titelkampf, den immer nur der FC Bayern gewinne.

Die Profiverei­ne hätten das soziale Potenzial noch nicht erkannt, das in ihnen stecke. Es gehe nur noch darum, immer mehr Geld zu verdienen. „Die da oben wollen nichts än- dern.“Sein Verein setze sich für „Stärkung und Förderung der FanInteres­sen im Profifußba­ll“ein, brauche aber mehr Unterstütz­er.

Einen Lösungsans­atz bot Professor André Bühler an. Der Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting hat die nach eigenen Angaben bisher umfangreic­hste wissenscha­ftliche Studie zum Profifußba­ll vorgelegt (siehe Infokasten). „Der Fußball sägt den Ast ab, auf dem er sitzt, wenn es immer nur um Profit geht“, sagte Bühler in Ulm. Der Fußball brauche finanziell­e Regeln. Gehälter der Spieler dürften bestimmte Grenzen nicht übersteige­n. Die vom Fernsehen überwiesen­en Beträge müssten gerechter verteilt werden, als es derzeit der Fall sei. Und die Anstoßzeit­en der Spiele müssten „fan-freundlich“gestaltet werden. „Der Fußball gehört dem Nachwuchs“, sagte Bühler, und der wende sich ab, wenn der Kommerz weiterhin bestimmend sei.

Moderator Jürgen Filius, der dem Gespräch am Podium weitgehend freien Lauf ließ, lenkte es schließlic­h auf die Fernsehgel­der, auf Investoren und letztlich die Situation der Anhänger. Eine gerechte Lösung in der Geldvertei­lung zu finden, sei schwierig, bekannte Wolfgang Zieher vom DFB-Kontrollau­sschuss. Er nannte es blauäugig, „zu glauben, dass Deckelung der Gehälter zu einer gerechten Lösung frühen kann“. Jeder Verein brauche Investoren, die aber auch keine Garantie für den Erfolg darstellte­n. Ebenso wenig helfe es weiter, den Fußball als Kulturgut darzustell­en. Schließlic­h die Fans, die nicht nur Freude, sondern auch Probleme bereiteten.

Das Stichwort für Anton Gugelfuss aus dem Vorstand des SSV Ulm 1846 Fußball. „Wir tun alles, was wir können, um Ausschreit­ungen von Anhängern zu verhindern“, stellte Gugelfuss fest. Aber was solle der Verein tun, wenn ein Becher durch die Gegend fliege. „Wir kriegen die Strafe, und der Verein verliert seine Reputation durch einzelne Unbelehrba­re“, klagte Gugelfuss. Wenn sich da 14 Vermummte unter 15000 Besucher mischten, sei das eine kleine Zahl, die aber das ganze schöne Bild zerstören könnten. André Bühler bestätigte, nur 0,1 Prozent der Besucher machten Skandale, seien also nicht repräsenta­tiv für die Situation des Fußballs. Die Antworten auf die Frage von Vorstand Gugelfuss „Wer ist Fan, und wem gehört er?“fielen unbestimmt aus. Ebenso zu den Fan-Beauftragt­en.

Eindeutig dagegen die Wünsche an die Zukunft des Fußballspo­rts. Vogt: Investoren sollten ein Prozent der Summe für die Interessen­vertreter der Fans festlegen. Zieher: Bestimmte Fangruppen wollen wir nicht haben. Bühler: Wir brauchen einen Verein zwischen Stuttgart und München, der richtig gut Fußball spielt. Gugelfuss: Statt des veralteten Donaustadi­ons mit seinen Bahnen brauchen wir dringend eine Arena wie Heidenheim, dazu die Akkreditie­rung als Nachwuchsl­eistungsze­ntrum. Die Wunden, die seit dem Abstieg aus der Bundesliga vor 20 Jahren schmerzen, sollten nun bald abklingen.

Der Verein „Initiative Ulm Digital“will die digitale Entwicklun­g in Ulm und Neu-Ulm sowie in den regionalen Unternehme­n weiter vorantreib­en und junge Tüftler unterstütz­en. Das sagte Vorsitzend­er Heribert Fritz bei der Mitglieder­versammlun­g im Haus der Donau.

Fritz berichtete über Veranstalt­ungen zu Cybercrime, IT-Sicherheit und Fake News sowie über Treffen mit Politikern – beispielsw­eise mit dem baden-württember­gischen Innenminis­ter Thomas Strobl. Für 2018 plant die Initiative unter anderem einen Vortragsab­end, bei dem zehn Unternehme­n oder Entwickler in je zehn Minuten über digitale Themen referieren. Großes Augenmerk legt die Initiative auf das Projekt „Verschwörh­aus“, das sie mit 35000 Euro im Jahr unterstütz­t. Der Zuschuss zahle sich aus, sagte „Verschwörh­aus“-Verantwort­licher Stefan Kaufmann. Die digitale Spielwiese habe in den vergangene­n zwölf Monaten 260 Termine angeboten.

Bei den abschließe­nden Neuwahlen wurde der Vorstand der Initiative mit Heribert Fritz, Gerhard Gruber, Andreas Buchensche­it, Björn Semjan, Antonija Scheible und Daniel Torka einstimmig für weitere zwei Jahre gewählt. (az)

 ?? Foto: Gerrit R. Ranft ?? Bei der Podiumsdis­kussion (von links): Claus Vogt, Wolfgang Zieher, Moderator Jür gen Filius, André Bühler und Anton Gugelfuss.
Foto: Gerrit R. Ranft Bei der Podiumsdis­kussion (von links): Claus Vogt, Wolfgang Zieher, Moderator Jür gen Filius, André Bühler und Anton Gugelfuss.

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