Warum Segmüller so erfolgreich ist
Das Vermächtnis des Firmengründers wird bis heute gewahrt, wie ein Besuch in der Friedberger Polstermöbelfabrik und im Einrichtungshaus zeigt. Die Inhaber machen vieles anders. Das zahlt sich aus
Lange hatten die Segmüller-Verantwortlichen Bedenken. Sollen sie auch im 2016 eröffneten neuen Einrichtungshaus in Pulheim bei Köln auf bayerischen Charme, Schick und Essensgeschmack setzen? Es gab Zweifel, ob es geschickt sei, wenn die Bedienungen auch im dortigen Restaurant Dirndl wie an anderen Standorten tragen.
Und müssten nicht neben Schnitzel, Steak und Schweinebraten auch regionale Gerichte wie rheinischer Sauerbraten und Himmel und Ääd, auf Hochdeutsch Himmel und Erde, also Blutwurst mit Apfelkompott, Kartoffelbrei und Zwiebeln, unbedingt auf der Speisekarte stehen?
Man mag solche Fragen für ein Unternehmen mit rund 5000 Mitarbeitern, das Möbel verkauft, leicht als nebensächlich erachten. Doch es ist eben die Summe vieler Kleinigkeiten, die am Ende eine Firma so erfolgreich wie Segmüller macht. Letztlich war es ein Bauchgefühl, das den Ausschlag für Dirndl und Schweinebraten und gegen Sauerbraten & Co. gab. „Damit lagen wir goldrichtig“, versichert SegmüllerGesamtvertriebsleiter Reinhold Gütebier. Der 66-Jährige aus Wremen bei Cuxhaven ist seit rund 50 Jahren in der Möbelbranche und seit 22 Jahren der Mann, der das Traditionsunternehmen aus Friedberg auch in der Öffentlichkeit vertritt. In so langer Zeit sammelt sich bei „einem Möbler“oder auch „Holzkopf“, wie sich Vertreter der hemdsärmeligen Branche gerne selbstironisch nennen, einiges an Gefühl für das Geschäft an.
Die Restaurants sind dabei ein wichtiger Teil. „Schließlich kaufen unsere Kunden Investitionsgüter wie Küchen oder Wohnzimmereinrichtungen für mehrere tausend Euro“, sagt Gütebier. Das wolle wohlüberlegt sein und dauere mehrere Stunden. Dazu gehöre nun mal, dass man beim Essen noch mal nachdenken und sich entspannen kann, meint er. Deshalb schaffe Segmüller in seiner Gastronomie eine Wohlfühl-Atmosphäre. In Friedberg dominiert alpenländischer Schick mit viel Holz. An Aktionstagen lockt das Schnitzel mit Pommes für 3,90 Euro. Wer einen Platz einnimmt, muss nicht lange warten, bis er nach seinen Wünschen gefragt wird. Hier wird bedient.
Das „Senioren-Trio“Hans, Peter und Paul hat sich 2012 gemeinsam aus der Geschäftsleitung zurückgezogen und „geräuschlos“den Jüngeren das Kommando überlassen. Bis heute gilt im Gegensatz zu Möbelhäusern von Konkurrenten ihr Credo: „Bei uns wird im Restaurant bedient.“Johannes, 50, und Florian Segmüller, 45, die nun Geschäftsführer sind, halten daran fest. Solche Geschichten lassen sich viele über die Segmüller-Familie erzählen. Es sind Geschichten, die offenbaren, dass die Unternehmer ihren eigenen Weg gehen und in denen immer wieder der Wahlspruch des Firmen- gründers Hans Segmüller „Wir machen Dinge entweder gescheit oder gar nicht“auftaucht.
Das mit dem „gescheit“lässt sich ausgiebig in der eigenen Friedberger Polstermöbelfabrik studieren. Dort hängt neben dem Empfang ein Bild des Meisterbriefs des Firmengründers Hans Segmüller. Im Jahr
Anfang riecht es warm und würzig nach Holz, dann wohlig nach Leder, ein Material, das nach wie vor als Bezug der Sitzmöbel beliebt ist. Nun glaubt der Gast Segmüller ertappt zu haben: Das Leder komme doch sicherlich aus Indien. Gütebier schüttelt den Kopf: „Es stammt überwiegend von Rindern aus Bayern.“Alles made in Bavaria eben. Trotz eines gewaltigen Maschinenparks ist viel Handarbeit nötig. Mehr als 300 Beschäftigte sind in der Manufaktur tätig.
Bestellt ein Kunde eine neue Sofagarnitur, wird sie nach dem Auftrag Stück für Stück zusammengebaut. In der Fabrik arbeiten Polsterer, Tischler, Gestellschreiner, Schlosserei-Fachleute, Holztechniker, Fachleute im Formenbau, Zuschneiderinnen und Näherinnen.
Natürlich wird kräftig ausgebildet. In München gibt es nur noch wegen Segmüller und einem anderen Unternehmen eine Berufsschulklasse für Polsterer. Würden die beiden Firmen das Handwerk nicht hochhalten, müssten die Auszubildenden zur Berufsschule ins fränkische Coburg fahren.
Am Ende rechnet sich die Polstermöbelfabrik für Segmüller auch wirtschaftlich. „Das prägt unser Image als Qualitätshersteller und zeigt, dass deutsche Wertarbeit auch heute noch wettbewerbsfähig ist“, sagt Gütebier. Dabei wirkt ein Gang durch den Nähsaal, wo viele Asiatinnen arbeiten, wie eine Reise in eine hierzulande weit weg gewähnte Zeit. Dutzende Frauen verarbeiten die Bezüge. Die Nähmaschinen rattern. Langsam erschließt sich der Preis für eine in Friedberg gebaute Sofagarnitur von 4000 Euro aufwärts. Nach der Näherei geht es in die Schäumerei, wo auch die Polsterungen der Möbel in Eigenregie gemacht werden. Die Masse wird in eiserne Formen gegossen, quillt auf und verfestigt sich. Gütebier lächelt: „Wir zählen zu den Pionieren der Formschaum-Verarbeitung.“Also auch noch Schaum made in Bavaria. Am Ende walten dann die Polsterer ihres Handwerks. In ihrem Saal haben Männer das Sagen.
Doch nicht nur in der Fabrik, auch im Möbelhaus legen Johannes und Florian Segmüller wie die Generation vor ihnen Wert auf kompeAm tente Mitarbeiter – und das in großer Zahl. Während sich in manchem kriselnden deutschen Kaufhaus das Personal vor den Kunden zu verstecken scheint, dauert es in der Kochgeschirr-Abteilung in Friedberg keine Minute, bis eine freundliche Verkäuferin von sich aus beratend herbeieilt. Auch hier geht Segmüller einen anderen Weg. Bei den letzten beiden Neueröffnungen, also den Einrichtungshäusern in Weiterstadt im Großraum Frankfurt und Pulheim bei Köln, gab das Unternehmen hunderten Arbeitslosen als neuen Mitarbeitern eine Chance – und hatte damit Erfolg. Gütebier versichert: „Bei uns kommen auch Menschen mit über 50 zum Zuge. Quereinsteiger sind willkommen.“So ist schon manche Kraft aus der Gastronomie als Fachberaterin in einem Möbelhaus neu durchgestartet. Die Segmüller-Liste, Dinge gescheit und anders zu machen, lässt sich lang fortsetzen.
Das Unternehmen baut etwa in allen Einrichtungshäusern auf sich spindelförmig nach oben ziehende, breite und stufenlose Bahnen, sodass die Kunden schnell sehen, wo es was gibt. Noch so ein Trick, den Gütebier