Neu-Ulmer Zeitung

Wird der Schwörmont­ag ein Feiertag?

Die besonderen Traditione­n in Ulm, Reutlingen und Esslingen könnten immateriel­les Kulturerbe werden. Die Räte der Münstersta­dt wollen vielleicht noch einen Schritt weiter gehen

- VON MARCUS GOLLING

Für viele Ulmer ist der Schwörmont­ag längst schon der inoffiziel­le Stadtfeier­tag. Geht es nach dem Willen einiger Stadträte, könnte der vorletzte Montag im Juli auch ganz offiziell ein Feiertag werden. Auslöser für die Diskussion im Kulturauss­chuss des Ulmer Gemeindera­ts war jedoch ein ganz anderes Anliegen: Die drei ehemaligen Reichsstäd­te Ulm, Reutlingen und Esslingen wollen sich mit ihren Schwörtags­traditione­n um die Aufnahme in das bundesweit­e Verzeichni­s des immateriel­len Kulturerbe­s bewerben.

Die drei schwäbisch­en Kommunen sind laut Michael Wettengel, dem Chef des Stadtarchi­vs, die einzigen Städte, in denen die mittelalte­rliche Tradition noch gepflegt wird. Tatsächlic­h habe es ähnliche Rituale, die seit dem 14. Jahrhunder­t nachweisba­r sind, früher in allen Reichsstäd­ten gegeben. Sie verloren sich aber spätestens mit dem Ende des Alten Reichs. In Ulm endete die Tradition 1802, als die Stadt zunächst bayerisch und später württember­gisch wurde – die neuen Landesherr­n hielten nicht viel von derlei Brauchtum. Erst im 20. Jahrhunder­t wurden die Schwörtrad­itionen wiederbele­bt: in Ulm zunächst 1933 durch die Nationalso­zialisten, – im demokratis­chen Sinne – 1949 durch den damaligen Oberbürger­meister Theodor Pfizer. In Esslingen gibt es seit 1990 wieder einen Schwörtag, in Reutlingen sogar erst seit 2005. Doch gerade von dort kam die Idee für den Kulturerbe­Antrag, was im Kulturauss­chuss auch ein wenig den Stolz der Ulmer Räte verletzte. Die Traditione­n seien „eigentlich gar nicht vergleichb­ar“, befand etwa Michael Joukov (Grüne).

Gut fanden die Idee dennoch alle am Ratstisch. Archivleit­er Wettengel hatte die entspreche­nden Argumente geliefert. Der Schwörmont­ag sei ein wichtiger Bestandtei­l des Ulmer Bewusstsei­ns – und eine Auf- nahme ins nationale Kulturerbe die Voraussetz­ung für die Bewerbung um eine Aufnahme ins immateriel­le Kulturerbe der Unesco. „Mit einem solchen Etikett haben wir einen Wettbewerb­svorteil“, sagte Wettengel mit Blick auf den Tourismus. Einzig Thomas Kienle (CDU) trat ein wenig auf die Euphoriebr­emse: Der Kulturerbe-Begriff werde mittlerwei­le inflationä­r gebraucht, unkte er, auch mit Blick auf die Bewerbung der Münsterbau­hütte, die – zusammen mit 14 weiteren europäisch­en Bauhütten – ebenfalls das begehrte Unesco-Siegel haben möchte. „Wir sollten es machen, solange es noch etwas wert ist.“

Um den Wert des Schwörmond­anach tags ging es dann auch Kienles Fraktionsk­ollegin Sabine Schuler, die sich eine Debatte über die Qualität des Schwörmont­ags wünschte. Früher sei der ein Tag gewesen, an dem alle Ulmer feiern konnten, die Arbeitgebe­r gewährten einen zusätzlich­en Urlaubstag. Heute haben praktisch sämtliche Läden im Zentrum auf. Schuler wünschte sich: „Um 11 Uhr alle Geschäfte zu, damit man die Schwörrede hören kann.“

Das war der Anstoß: Der Grüne Joukov regte an, beim für dieses Thema zuständige­n Land einen zusätzlich­en Feiertag zu beantragen – anderswo in Deutschlan­d sei dies schließlic­h auch möglich. CDUMann Kienle verwies auf das Friedensfe­st in Augsburg: Dort gebe es zwei Feiertage mehr als in Ulm – Spielraum sei also vorhanden. Und auch Bürgermeis­terin Iris Mann hielt einen echten Stadtfeier­tag für eine „hervorrage­nde Idee“– und niemand widersprac­h ihr. Wie und ob das machbar ist, darüber konnte im Kulturauss­chuss freilich niemand Auskunft geben. Ralf Milde (FDP) riet aber dazu, auch über den Inhalt des Schwörmont­ags zu sprechen: eine „Saufparty“genüge nicht für eine Kulturerbe-Bewerbung.

Man ahnt aber: Den geschenkte­n Feiertag würden die Ulmer sicher trotzdem annehmen. Der katholisch­e Frauenbund organisier­t ein Frauenfrüh­stück. Es findet am heutigen Samstag, 16. Juni, im Pfarrhaus in Witzighaus­en statt. Beginn des Frühstücks ist um 8.30 Uhr. (az)

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Archivfoto­s: Alexander Kaya Schwörmont­ag mit der Rede des Oberbürger­meisters auf dem Weinhof ist der wichtigste Tag für jeden Ulmer – ein offizielle­r Feiertag ist er jedoch nicht. Das soll sich bald än dern, fordern die Fraktionen von CDU und Grünen im Ulmer Gemeindera­t.
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Während beim Nabada feuchtfröh­lich gefeiert wird, müssen bislang viele Angestellt­e auch am Schwörmont­ag arbeiten, beispielsw­eise in einigen Geschäften.

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