Krebserkrankung bringt Vöhringer in Existenznot
Nach schweren Operationen kämpft Klaus Dieter Stach um finanzielle Hilfen
Mit einer vorsichtigen Bewegung streicht sich Klaus Dieter Stach über sein Gesicht. Er lächelt ein wenig schüchtern und sagt: „Die Kunst der Chirurgen.“Stach ist 58 Jahre alt und war an Mundbodenkrebs erkrankt. Der Vöhringer musste sich komplizierten Operationen und Behandlungen unterziehen. Aber Ärzte machten es möglich, seinen linken Kiefer, der von dem Tumor befallen war, zu ersetzen. Unauffällige Narben sind geblieben. Jetzt will er wieder in die Zukunft blicken. Aber ihn quälen Existenzsorgen. Er muss um seine Erwerbsunfähigkeitsrente kämpfen.
Der gelernte Werkzeugschleifer entdeckte 2007 eines Tages seltsame schwarze, verkrustete Punkte im vorderen unteren Kieferbereich. Er ging zu einem Facharzt, der ihn unverzüglich ins Bundeswehrkrankenhaus nach Ulm schickte. Dort diagnostizierte man Mundbodenkrebs, der bereits auf die Zunge übergegriffen hatte. Die Punkte wurden per Laser behandelt, von der Zunge etwas weggenommen. Aber die Behandlung brachte nicht den erwünschten Erfolg – nach einem Jahr war der Krebs wieder da. Und das wiederholte sich Jahr für Jahr.
Stach fiel in ein tiefes Loch. Er wurde depressiv, bezog Krankengeld und Erwerbsunfähigkeitsrente. Aber er wollte wieder arbeiten, das konnte ihm möglicherweise aus seiner Depression helfen. „Von Hartz IV leben wollte ich nicht“, sagt er. Sein Arbeitgeber in Balzheim stellte ihn wieder ein. Kurz schien sich alles zum Guten zu wenden.
Drei Jahre hielt er durch. Dann erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich – weil rechtzeitig erkannt – erholen konnte. Später kehrte der Tumor zurück. Mit Lasern war es nicht mehr getan. Was seinen Kiefer anging, machte der Arzt ihm nichts vor und sagte, „jetzt kommt es knallhart“, erinnert sich Stach. Ihm wurde vorausgesagt, dass man einen Teil des Kiefers entfernen muss und die Wundheilung bei dem großen Eingriff langsam voranschreite. 13 Stunden wurde operiert, ihm wurde zur Stabilisierung des Kiefers eine schmale Metallplatte eingesetzt. Den Knochenersatz entnahm man dem Wadenbereich. Der Heilungsprozess dauerte lange. Seine Mahlzeiten bestanden wochenlang aus pürierter Nahrung. Als er das Bundeswehrkrankenhaus verlassen konnte, gab man ihm ein ärztliches Gutachten, unter anderem mit der Feststellung, dass Stach zu keiner Arbeit mehr fähig sei. Sein Weg führte ihn in ein Reha-Zentrum bei Passau. Träger ist die Deutsche Rentenversicherung Süd. Bei der Entlassung erhielt er den Abschlussbericht, ausgestellt am 28. Juli 2017. Aus dem ging hervor, „dass der Patient körperlich und psychisch in keiner Weise beruflich belastbar ist“.
Diese ärztliche Beurteilung zieht die Deutsche Rentenversicherung Schwaben in Augsburg allerdings in Zweifel. Mehr noch – ihm wurde mitgeteilt, dass er keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung habe, weil ihm trotz Depression, arterieller Hypertonie und Anpassungsstörungen eine sechsstündige Arbeit „unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes“zuzumuten seien. So steht es wörtlich im Schreiben der Behörde vom 20. April 2018. Dort ist auch zu lesen, dass sich die Augsburger Behörde mit seinem Gesundheitszustand befasst und diesen geprüft habe. „Denn nach unserer medizinischen Beurteilung können Sie noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein“, heißt es in dem Brief. „Diese Aussage verwunderte mich sehr“, sagt Stach, „denn bei mir war weder ein Medizinischer Dienst noch wurde ich zu einer Untersuchung bestellt. Wie wollen die also meinen Zustand beurteilen?“Monatelang habe er gelitten, er fühle sich geschwächt, nicht mehr leistungsfähig. Deshalb hat er einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt.
Auf Nachfrage unserer Zeitung bei der Rentenversicherung Schwaben erklärte ein Mitarbeiter der Behörde aus dem Rechtsmittel-Dezernat, dass zur Beurteilung eines Patienten nicht unbedingt ein persönlicher Kontakt mit dem Medizinischen Dienst erforderlich sei. Ein Arzt studiere sehr sorgfältig die Befunde, danach werde dann die Entscheidung getroffen. Dabei verwies der Sprecher auf die Möglichkeit, Einspruch gegen diesen Bescheid einzulegen. Das hat Klaus Dieter Stach bereits getan. Dieser Einspruch werde geprüft, heißt es. Dann werde entschieden.
Rechtliche Hilfe hat sich Stach beim Sozialverband VdK geholt. Je nachdem, wie die neuerliche Entscheidung ausfällt, bleibt Stach nur noch der Weg zum Sozialgericht.