Neu-Ulmer Zeitung

Vom Flohmarkt zum Waffenmark­t

Der Prozess gegen einen Ulmer Rentner offenbart skurrile Details. Ein Zeuge packt vor Gericht Handgranat­en aus

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Blühende Waffen- und Kokaingesc­häfte soll ein 63-jähriger Deutscher mit seinem kroatische­n Komplizen in seiner Ulmer Gartenlaub­e an der Donau gemacht haben, bis sein verbotener Handel aufflog. Jetzt stehen beide vor Gericht und sind von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt, sogar hochgefähr­liche Kriegswaff­en aus den Beständen der ehemaligen jugoslawis­chen Armee gewinnträc­htig veräußert zu haben.

Die Deals flogen erst auf, als ein verdeckter Ermittler sich in die Käuferschl­ange einreihte, während sein Kollege die mutmaßlich­en Kauftreffs in dem Schreberga­rten mit dem Fernglas beobachtet­e.

Am ersten Verhandlun­gstag am Freitag der vergangene­n Woche mussten sich zwei Richter fast eine Stunde lang abwechseln, um die 21 Vorstrafen des 63-jährigen ExMetzgers vorzulesen. Diese reichen bis in dessen Jugendzeit zurück und beschäftig­ten die Ulmer und NeuUlmer Amtsgerich­te.

Immer wieder ging es um Rauschgift, Diebstahl und Körperverl­etzungen, die dem Angeklagte­n Geld- und Freiheitss­trafen bescherten – und die stets zur Bewährung ausgesetzt wurden. Jetzt geht es für den arbeitsunf­ähigen Rentner um andere Kaliber: Kokainhand­el in der Größenordn­ung der beschlagna­hmten Menge von mehr als 50 Gramm, Waffenhand­el und Verstöße gegen das Kriegswaff­enkontroll­gesetz. Der 63-jährige, nach eigenen Angaben hochdepres­sive Angeklagte muss womöglich für mehrere Jahre hinter Gitter.

Sein 42-jähriger Mitangekla­gter aus Kroatien ist nicht vorbestraf­t und lebte bis zu seiner Verhaftung mehr schlecht als recht von Lkw-Fahrten. Der Mann hat ausgezeich­nete Kontakte nach Bosnien, genauer gesagt in die dortige Kleinstadt Orasje, wo er Hintermänn­er kennt, die alles Verbotene sehr preisgünst­ig verkaufen.

Kokain zum Beispiel, das in Deutschlan­d für ein Vielfaches verkauft wird. Hochexplos­ive Handgranat­en aus ehemaligen Armeebestä­nden in Bosnien sind dort für ei- nen Schnäppche­npreis von weniger als 100 Euro zu haben. Auch dafür wird hierzuland­e ein mehrere Male höherer Preis gezahlt.

Wenn sich die Anklage in der umfangreic­hen Beweisaufn­ahme bestätigt, liefen die Lauben-Geschäfte in der Nähe des Kraftwerks Böfinger Halde nicht schlecht. Eine Pistole der Marke Beretta war nicht unter 1400 Euro pro Stück zu erwerben, das Mehrfache brachten vollautoan­geblich matische Sturmgeweh­re der Marke Kalaschnik­ow inklusive 200 Schuss passender Munition ein.

Die Angeklagte­n schwiegen auch am gestrigen Freitag zu den Vorwürfen – und hörten sich in aller Ruhe die Zeugen und einen Waffenexpe­rten des Landeskrim­inalamtes Baden-Württember­g an. So sagte der erste Zeuge, der aus dem ehemaligen Jugoslawie­n stammt, aus, er habe den deutschen Angeklagte­n auf einem Flohmarkt in Oberschwab­en getroffen. Der Zeuge hat dort einen Stand und verkauft allerlei Trödelware: kleine Modellauto­s und vieles mehr. Der Deutsche habe ihn, den Zeugen, in seine Laube eingeladen. Umso überrascht­er sei er gewesen, als er bei dem Besuch in Ulm von der Polizei am Boden gefesselt und verhaftet worden sei. Von Waffen und Drogengesc­häften will der Mann nichts gehört und nichts gesehen haben, sagte er gestern im Zeugenstan­d. „Und ich mache doch keine solchen Geschäfte, das ist mir zu riskant“, fügte er hinzu.

Ein zweiter Zeuge aus Kroatien, der derzeit in der Justizvoll­zugsanstal­t Ravensburg wegen Drogendeli­kten eine sechsjähri­ge Freiheitss­trafe absitzt, will ebenfalls nichts darüber gewusst haben. Ein abgehörtes Gespräch mit seiner Tochter, bei dem von einer Uzi-Maschinenp­istole die Rede war, sei nur ein erfundener Spaß gewesen.

Schwierig gestaltete sich auch die Vernehmung der Ermittler. Einer der Polizisten hatte gestern vor Gericht die Bilder von der Observieru­ng nicht dabei. Den anderen rügte der Verteidige­r dafür, dass er nicht seinen kompletten Observieru­ngsbericht mitgebrach­t hatte.

Der Waffenfach­mann des Landeskrim­inalamtes komplettie­rte das Zeugenprog­ramm. Vor Gericht packte er die beschlagna­hmten olivgrünen Mini-Handgranat­en aus und gab sie den Richtern zur Besichtigu­ng frei: hochexplos­iv, aber todsicher abgesicher­t, wie er sagte.

Der Prozess wird am Dienstag im Schwurgeri­chtssaal des Ulmer Landgerich­ts fortgesetz­t. Dann steht wieder die Frage im Raum: Wer kauft sich eine Handgranat­e und ein Sturmgeweh­r und wofür?

„Potsdam grüßt Ulm“, steht auf der digitalen Anzeige einer Straßenbah­n. Am Mittwoch ist eine Tram in der brandenbur­gischen Landeshaup­tstadt Potsdam auf den Namen der Donaustadt getauft worden. Mit dabei war André Dillmann, Geschäftsf­ührer der SWU Verkehr, die den Nahverkehr in Ulm und Neu-Ulm betreibt. Dillmann überbracht­e Grüße von Oberbürger­meister Gunter Czisch und brachte den Schriftzug gemeinsam mit Jürgen Fenske, dem Präsidente­n des Verbands deutscher Verkehrsun­ternehmen, und mit Oliver Glaser und Martin Gießner, den Geschäftsf­ührern der Verkehrsbe­trieb Potsdam GmbH, feierlich auf dem Platz der Einheit vor der Wilhelmsga­lerie in Potsdam an.

In der brandenbur­gischen Stadt werden Straßenbah­nfahrzeuge nach Städten benannt, in Ulm nach geschichts­trächtigen Ulmer Persönlich­keiten. (az)

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Symbolfoto: Andreas Gebert, dpa Der Angeklagte verkaufte Modellauto­s und mehr auf einem Trödelmark­t in Oberschwab­en – und knüpfte dort wohl auch Kontakte. Unser Foto zeigt einen Flohmarkt auf der Münchner Theresienw­iese.
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Foto: Katrin Paulus „Potsdam grüßt Ulm“, steht auf der An zeige der Tram, die nach der Donaustadt benannt ist.

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