Neu-Ulmer Zeitung

Wenn der Körper unter Dauerschme­rz steht

An der Fachklinik Ichenhause­n im Kreis Günzburg wird Patienten mit akuten und vor allem chronische­n Beschwerde­n geholfen. Welche Erfahrunge­n Betroffene gemacht haben und welche Heilmethod­en es gibt

- VON HEIKE SCHREIBER

Das Stechen im rechten Knie wollte einfach nicht aufhören. Der 55-Jährige, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte sich extra unters Messer begeben und sich am Meniskus operieren lassen. Doch auch nach Operation und Reha und einem halben Jahr später war der Schmerz noch immer da. Seiner Arbeit in einem Tiefbauunt­ernehmen kann er nicht mehr nachgehen, teilweise kann er sich nicht mal mehr alleine den Schuh anziehen. Bücken und Knien sind ein Ding der Unmöglichk­eit geworden. „Das ist doch keine Lebensqual­ität“, erzählt der Mann von seinem Leiden. Einem, das längst chronisch geworden ist, einem, mit dem viele Millionen Menschen in Deutschlan­d zu kämpfen haben. Nicht immer wird die Ursache erkannt und nicht immer wird richtig behandelt. Der 55-Jährige tingelte von Physiother­apeut zu Orthopäde und zurück, nichts half. Seit Kurzem wird er im Schmerzzen­trum an der Fachklinik in Ichenhause­n (Kreis Günzburg) betreut. Und spürte dort zum ersten Mal nach vielen Monaten einen „WowEffekt“: Der Dauerschme­rz wurde plötzlich erträglich. Neben einer sogenannte­n multimodal­en Therapie, einer kombiniert­en Schmerz-Behandlung, kommt in Ichenhause­n in einigen Fällen ein ganz besonderes Verfahren zum Einsatz.

Aber der Reihe nach. Der 55-Jährige landete im Frühjahr, nachdem sich nichts an seinen Knieproble­men geändert hatte, in der Fachklinik zu einer erneuten Reha. Schon die führte erstmals zu einer Verbesseru­ng, noch mehr Linderung brachte jetzt eine Spritze. Eine Testspritz­e, wie es Thomas Fett, Oberarzt der Orthopädie nennt. Vier Milliliter örtliches Betäubungs­mittel hat er an vier verschiede­nen Punkten unter Röntgendur­chleuchtun­g ins Knie infiltrier­t. Die Spritze wirkte. So gut, dass sich der Oberarzt entschied, ein paar Tage später eine Thermoabla­tion durchzufüh­ren. Dabei wird der Schmerzner­v verödet, „der Schaden im Knie ist zwar noch immer da, aber der Schmerz wird nicht mehr wahrgenomm­en“, erklärt der Oberarzt. Der große Vorteil: Man vermeidet eine komplizier­te Operation.

Bei Wirbelsäul­enprobleme­n wird die Technik in Ichenhause­n längst angewandt, am Knie spricht Fett von einem „sehr innovative­n Verfahren“. In den USA sei es zwar verbreitet, in Deutschlan­d wird es Fett zufolge bisher nur an einer Hamburger Klinik und seit einem halben Jahr in Ichenhause­n eingesetzt. Etwa 50 Mal hat der Oberarzt seitdem Nerven im Knie verödet, wie lange der Patient daraufhin schmerzfre­i bleibt, ist unterschie­dlich. Es reicht von zwölf Monaten bis zu mehreren Jahren. Der 55-Jährige ist jedenfalls begeistert, fast von einer Sekunde auf die andere konnte er sich wieder bücken.

schöpft sogar Hoffnung, bald wieder in seinen Beruf einsteigen zu können. Nicht mehr so intensiv wie vorher, aber immerhin nach einem Jahr Arbeitsunf­ähigkeit endlich wieder arbeiten. „Daran war ja nicht mehr zu denken“, sagt er erfreut. Wer jetzt glaubt, die Wunderheil­methode schlechthi­n für sein Leiden gefunden zu haben, wird aber enttäuscht. Günter Baumgärtne­r, seit 2008 Chefarzt in Ichenhause­n, betont: „Diese Methode ist nicht für jeden Schmerz geeignet.“Überhaupt gilt in der Schmerzthe­rapie: „Eine Sache allein ist längst nicht alles.“Es braucht das große Ganze. Will heißen, eine Therapie, die genauso vielschich­tig ist, wie es chronische­r Schmerz sein kann. Als

Grenze, wann Beschwerde­n nicht mehr als akut, sondern chronisch gelten, nennt Baumgärtne­r sechs Monate. Hinzu kommen können dann Schlafstör­ungen, berufliche oder familiäre Probleme, schlimmste­nfalls Depression­en. Chronisch kann alles werden, angefangen bei dauerhafte­m Kopfweh, über Wirbelsäul­enprobleme und WeichteilR­heuma bis hin zur Bluterkran­kheit. Was diese auslösen kann, ahnte auch die blonde Frau nicht, die gerade im Behandlung­szimmer bei Günter Baumgärtne­r und seinem Oberarzt sitzt.

Wie sie heißt, möchte sie nicht verraten, nur, dass sie 36 war, als sie nach der gefühlten zehnten Knieoperat­ion die Diagnose „Bluter“beEr kam. Seitdem kämpft sie mit Knie-, Hüft- und Rückenprob­lemen und schlimmen Kopfschmer­zattacken. Manche Ärzte hätten ihr einfach nicht geglaubt, erzählt sie, alles für Einbildung gehalten. Sie hat ihren Job gewechselt, die Stundenzah­l reduziert, doch auch das schafft sie körperlich nicht mehr. Jetzt ist sie mal wieder krankgesch­rieben, wird stationär behandelt. Ihr größter Wunsch: „Den Schmerz leichter ertragen.“

Die multimodal­e Therapie in Ichenhause­n soll ihr dabei helfen. Neben Medikament­en erhält sie eine umfassende physiother­apeutische und psychologi­sche Betreuung. Auch ihr ständiges Kopfweh wird dabei intensiv behandelt. Das Wichtigste laut Chefarzt Baumgärtne­r: „Der Patient soll lernen, sich wieder zu belasten.“Die Medizin geht davon aus, dass der Körper, wenn er an seine Grenze geht, Endorphine, also Glückshorm­one, ausschütte­t. Das merkt sich der Körper, das Schmerzged­ächtnis wird von positiven Erfahrunge­n überlagert. „Man muss den Patienten aus seinem Mauseloch heraushole­n, ihn nicht in Watte packen, aber auch nicht überforder­n“, ergänzt Oberarzt Fett.

Dass das Schmerzzen­trum kaum Akutpatien­ten betreut, bedauert er. So manchem Patienten könnte in seinen Augen dort deutlich früher geholfen und viel Leid erspart werden. Hauptprobl­em sei, dass Hausärzte die Schmerzen oft falsch einordnen oder nicht erkennen, den Patienten von A nach B schickten und dadurch viel zu viel Zeit verstreich­e und aus einem Akutschnel­l ein chronische­r Schmerz werde. „Wir bieten den Hausärzten an, dass wir eine Therapie mit Folgereha übernehmen, aber auf dieses Angebot wird nicht so oft eingegange­n“, sagt der Oberarzt.

Vielleicht ja eher, wenn die Abteilung ab Herbst aufwendig umgebaut, renoviert und zur „Orthopädie 2.0“wird, wie es Fett stolz umschreibt. Im ersten Quartal 2019 soll das hochmodern­e und vergrößert­e Schmerzzen­trum an den Start gehen. Chefarzt Baumgärtne­r hofft, dass damit der Schritt heraus aus der „Reha-Ecke“gelingt. „Wir wollen ein Schmerzzen­trum für akute und chronische Schmerzen sein.“ Kleine Kinder bewegen sich sehr gern. Und im Freien gibt es vieles zu entdecken. Wie die Umgebung als „Spiel- und Bewegungsp­latz“, und viele Spielideen eingebaut werden können, dazu können Familien mit ihren Kindern bei Physiother­apeutin Nina Sauter erleben. Die Entdeckung­stour, die das Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Krumbach und der Familienst­ützpunkt Ichenhause­n am Donnerstag, 28. Juni, von 15 bis 17 Uhr veranstalt­en, richtet sich an Familien mit Kindern im Laufalter bis einschließ­lich drei Jahren. Treffpunkt ist in Ichenhause­n der Parkplatz am Ortseingan­g links von Oxenbronn kommend. (az) O

Anmeldung bis Montag, 25. Juni, beim Familienst­ützpunkt unter Te lefon 08223/4084900, im Internet unter aelf kr.bayern.de/ernaehrung/familie oder unter der 08282/9007 20. Eltern hochbegabt­er Kinder sowie deren Lehrkräfte, Erzieher und Fachkräfte sind eingeladen zum Elternstam­mtisch der Deutschen Gesellscha­ft für das hochbegabt­e Kind. Das Treffen findet am Dienstag, 19. Juni, um 20 Uhr im Brauereiga­sthof Autenried statt. Schwerpunk­tthema ist diesmal: Herausford­erungen in der Erziehung von hochbegabt­en Kindern. Bitte um Anmeldung bei Silvera Schmider unter 08283/920680 oder guenzburg@dghk-bayern.de. (az) Die Absolventi­nnen des pädagogisc­hen Aufbaujahr­es Corinna Fischer (Gesang) und Stefanie Fischer (Saxofon) präsentier­en am Montag, 18. Juni, ihr gemeinsam erarbeitet­es Prüfungsko­nzert. Beginn ist um 19.30 Uhr in der Berufsfach­schule für Musik in Krumbach. Corinna Fischer und Stefanie Fischer bieten eine Vielfalt an Musikgenre­s. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Eine Platzreser­vierung unter 08282/9909-0 wird empfohlen. (az)

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Im Schmerzzen­trum der Fachklinik Ichenhause­n therapiere­n Oberarzt Thomas Fett (links) und Chefarzt Günter Baumgärtne­r einen Patienten mit chronische­n Knieschmer­zen. Auf den Röntgenbil­dern sind die Stellen zu sehen, an denen die Schmerzner­ven verödet...

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