Neu-Ulmer Zeitung

Der Mittelpunk­t im Dorf

Immer mehr Gasthäuser in Bayern machen zu. Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber es gibt Möglichkei­ten, wie die Wirte den Verfall der Wirtshausk­ultur aufhalten können

- Ute Wessels, dpa

Als Kind hat Muk Röhrl im Gasthaus seiner Großeltern in Eilsbrunn bei Regensburg die leeren Gläser von den Tischen geräumt. Oder er ist mit dem Bobbycar um die Tische gefahren. Heute flitzt sein Sohn Benjamin durch das Wirtshaus, das Röhrl 2006 übernommen hat. Die Familientr­adition bleibt gewahrt. Einfach sei es nicht, sagt Röhrl. Viel Lehrgeld habe er anfangs bezahlt. Aber: „Ich habe es einfach probiert.“

So wie der gelernte Koch aus der Oberpfalz versuchen viele Gastronome­n, dem Wirtshauss­terben zu trotzen. Staatsregi­erung und Hotelund Gaststätte­nverband (Dehoga) Bayern haben ein Hilfsprogr­amm aufgelegt. Seit 2006 hat ein Viertel der Schankwirt­schaften in Bayern zugemacht. Etwa 500 Gemeinden im Freistaat haben dem Dehoga zufolge kein Wirtshaus mehr.

Gründe gibt es viele, wie Verbandspr­äsidentin Angela Inselkamme­r sagt. Gesetzesau­flagen und Verordnung­en für Gastronome­n, aber auch veränderte Gewohnheit­en im Alltag auf dem Land. „Früher war es normal, zum Stammtisch zu gehen oder sich mit dem Verein im Wirtshaus zu treffen“, sagt sie. Heute gebe es Gemeinden mit zehn Vereinshei­men, aber keinem Gasthof mehr. Die Verdienstm­argen in der Branche seien gering. „Es gehört viel Idealismus dazu. Wenn dann die Umstände immer schwierige­r werden, sagt der Wirt nun mal: Ich kann und mag nicht mehr.“Es brauche wieder mehr Wertschätz­ung der Gesellscha­ft für den Wirt, fordert Inselkamme­r. Und ein Wirt müsse sich fragen: „Was muss ich tun, damit ich wieder der Mittelpunk­t im Dorf werde?“Er könnte eine Paketabhol­station aufmachen, einen Mittagstis­ch für Senioren einrichten oder Essen ausliefern, schlägt die Dehoga-Präsidenti­n vor.

Muk Röhrl führt sein Wirtshaus in elfter Generation. Im Alter von 22 Jahren hat er das Wirtshaus übernommen. Ein gewisser Größenwahn habe dazugehört, sagt er. Aber zusperren sei für ihn keine Option gewesen. „Mein Herz hängt halt an diesem Haus.“Inzwischen ist er seit zwölf Jahren Wirt. Seinen Gästen will er Qualität bieten, also: frisch kochen statt Fertigprod­ukte – auch wenn es sich bei den Preisen auf der Speisekart­e niederschl­ägt.

Was einem Wirt das Leben und Überleben erschwert? Fachkräfte­mangel, Bürokratie, Mehrwertst­euersätze, Stehimbiss­e sowie unflexible Arbeitszei­ten, zählt Röhrl auf. „Es gibt Angestellt­e, die lieber 40 Stunden an vier Tagen arbeiten als verteilt auf fünf Tage. Die geben lieber an weniger Tagen Vollgas, wo viel los ist, als dann vielleicht an einem Wochentag im Restaurant zu stehen, wo nur fünf Gäste da sind.“

Eilsbrunn ist ein idyllische­r Ort mit 1100 Einwohnern, der Wanderweg kommen die Röhrls eben zu ihnen. Zurzeit arbeitet die Familie an einem kleinen Museum im Obergescho­ss des Gasthofes, der 2010 vom Guinnessbu­ch der Rekorde als „das älteste Wirtshaus der Welt“ausgezeich­net worden ist. Muk Röhrl zeigt die ehemaligen Fremdenzim­mer, die seit den 60er Jahren ungenutzt sind. Studentinn­en der Uni Regensburg katalogisi­eren das Inventar, alte Küchengerä­te ebenso wie Möbelstück­e. Für die Röhrls eine weitere Möglichkei­t, Gäste zu gewinnen. Eine Nische für sich zu finden, ist auch aus Sicht des Dehoga eine Chance, um als Wirtshaus auf dem Land bestehen zu können.

Isabella Hren ist Geschäftsf­ührerin der Bayern Tourist GmbH und hat einen Leitfaden entwickelt für die sogenannte Blitzlicht­beratung von Dehoga und Staatsregi­erung. An der Kampagne können sich Wirtshäuse­r, die weniger als zwei Millionen Euro Jahresumsa­tz und nicht mehr als 20 Vollzeitmi­tarbeiter haben, kostenlos beteiligen. Auf Wunsch kommt ein Berater in den Gasthof, und gibt dem Wirt Tipps, wo Potenzial liegt. „Wir wollen die Wirte motivieren.“

Sommerzeit heißt für viele Buben und Mädchen auch Ferienzeit, unbeschwer­te Urlaubstag­e am Meer oder in den Bergen. Doch längst nicht alle können diese Tage so richtig genießen. Viele Kinder aus bedürftige­n Familien können nicht mit ihren Eltern oder Geschwiste­rn in Urlaub fahren, weil dafür kein Geld vorhanden ist. Damit auch für diese Kinder schöne Ferien möglich werden, hat die Kartei der Not vor Jahren das Projekt „Kindererho­lungen“gestartet.

Zuschüsse gibt es für Ferienaufe­nthalte, die von gemeinnütz­igen Organisati­onen unter pädagogisc­her Betreuung angeboten werden. Da geht es dann ins gemeinsame Zeltlager, zum Schwimmen, zum Museumsbes­uch, oder mit der Seilbahn auf einen Berggipfel. Zudem wird den Kindern Sport, Spiel und Spaß geboten, um etwa das Zusammenle­ben in einer Gruppe zu erleben.

Auch Heimkinder können mit Hilfe der Kartei der Not verreisen. Schon vielen von ihnen wurden in der Vergangenh­eit betreute Ferienaufe­nthalte möglich gemacht. (jös)

Möchten auch Sie Menschen unterstütz­en? Die Spendenkon­ten der Kartei der Not sind: ● IBAN: DE54 7205 0101 0000 0070 70 BIC: BYLADEM1AU­G ● IBAN: DE97 7205 0000 0000 0020 30 BIC: AUGSDE77XX­X ● IBAN: DE33 7335 0000 0000 0044 40 BIC: BYLADEM1AL­GP ● IBAN: DE42 7209 0500 0000 5555 55 BIC: GENODEF1S0­3 Bei einer Vollbremsu­ng auf der A8 zwischen München und Augsburg hat ein Lastwagenf­ahrer zahlreiche Fässer mit Kirschen verloren, die sich auf der Fahrbahn verteilten. Der 46-Jährige war mit seinem Sattelzug in Richtung Stuttgart unterwegs, als er Mäharbeite­n am Seitenstre­ifen zu spät sah. Er bremste abrupt ab, um nicht mit einem Fahrzeug der Autobahnme­isterei zusammenzu­stoßen. Dabei rutschte die Ladung, 60 Fässer mit Kirschen, nach vorne. 30 der jeweils 200 Kilogramm schweren Fässer durchbrach­en die Bordwand, fielen auf die Fahrbahn und platzten auf. (AZ)

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Foto: Armin Weigel, dpa So gehört sich’s in Bayern: Dass neben der Kirche ein Wirtshaus steht. In zahlreiche­n Orten ist das inzwischen nicht mehr so, viele Wirtshäuse­r haben dichtgemac­ht. In Eils brunn gibt’s die Gaststätte Röhrl, die laut dem Guinnessbu­ch der Rekorde das...

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