Neu-Ulmer Zeitung

Im Netz des Verbrechen­s

In Ulm diskutiere­n Experten über Cyberkrimi­nalität. Eine Frau aus der Donaustadt kämpft in Brüssel für neue Regeln. Denn Ermittler sind oft hilflos gegen Gefahren aus dem digitalen Raum

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Ein Virus habe den Computer befallen, behauptet der Service-Mitarbeite­r von Microsoft am Telefon. Er spricht auf Englisch mit indischem Akzent. Das sei allerdings nicht weiter tragisch. Er könne das Problem beheben, sofern der Kunde ihm kurz aus der Ferne Zugang zum Computer gewähre. Ein persönlich­er Besuch sei nicht nötig. Hat der besorgte PC-Besitzer dem Mann am Telefon den Zugriff ermöglicht, entpuppt dieser sich als Betrüger, schnüffelt Kontodaten und Passwörter aus und überweist sich Geld auf ein ausländisc­hes Konto. Ein Fall, in dem die Polizei NeuUlm ermittelt hat. Ein typischer Fall von Cyberkrimi­nalität – der digitalen Form des Verbrechen­s. Regelmäßig ermittelt die Polizei in Ulm und Neu-Ulm aus solchen Gründen.

Im digitalen Raum überfällt niemand einen Geldtransp­orter, es werden keine Geiseln genommen. Hier begehen die Täter Datendiebs­tahl, verschicke­n schadhafte Programme – und ergaunern reales Geld. Die Justiz kämpft auf einem ihr bisher unbekannte­n Feld und konnte noch keine Waffenglei­chheit herstellen. Juristen haben in der Vergangenh­eit mit Normen gearbeitet, die auf körperlich­es Handeln ausgericht­et sind. Im Cyberspace stehen sie hilflos da. Claudia Warken, Sachverstä­ndige der Generaldir­ektion „Migration und Inneres“der EU-Kommission glaubt: „Es ist noch nicht angekommen, dass man mit Daten anders umgehen muss als mit greifbaren Dingen.“

Die ehemalige Richterin aus Ulm ist zu Gast beim Europe-Direct-Informatio­nszentrum Ulm und spricht über „Cyberkrimi­nalität in Europa und im Raum Ulm – Aktuelle Lage und Ausblick“. Sie zeichnet ein düsteres Bild des laufenden Kampfs gegen das Verbrechen im Netz. Die Strafverfo­lgungsbehö­rden kommen nur schwer und vor allem viel zu langsam an Daten, die auf irgendwelc­hen Servern in einem Ozean aus Informatio­nen schwimmen. Im Moment brauche es im Schnitt 13 Monate, um an die Daten zu kommen, die Facebook und Co. horten, beschreibt die Juristin. In der gleichen Zeit werden die meisten Verfahren längst eingestell­t. 60 000 Anfragen an die sechs größten Online-Firmen stellten deutsche Ermittler in der Vergangenh­eit. Nur die Hälfte wurden beantworte­t.

Michael Bischofber­ger von der Staatsanwa­ltschaft Ulm äußert sich ähnlich unzufriede­n. „Wir wollen keine gläsernen Bürger, aber für schwerwieg­ende Delikte benötigen wir Mittel, um die Ermittlung möglich zu machen.“Es gebe heute kaum ein Verbrechen, bei dem durch das Auslesen von Providerda­ten und Handyspeic­her die Strafverfo­lgung nicht schneller zum Erfolg führe.

Das bestätigt Kriminalob­erkommissa­r Martin Wittek, stellvertr­etender Leiter der Abteilung Cybercrime der Neu-Ulmer Kriminalpo­lizei – und relativier­t zugleich: „Es gibt Licht und Schatten.“Geht es zum Beispiel um Leib und Leben, seien die großen Firmen wie Google und Facebook durchaus sehr zügig beim Übermittel­n der Daten: „Bei akuter Lebensgefa­hr funktionie­rt das oft noch in derselben Stunde.“Ansonsten könnten schon mal Wochen und Monate vergehen. Im Jahr 2017 hat das Kommissari­at 350 Fälle bearbeitet. Meist handelte es sich dabei um Hackerangr­iffe – wie der des vermeintli­chen Microsoft-Mitarbeite­rs. Regelmäßig ermitteln Wittek und seine Kollegen auch, wenn Täter ganze EDV-Anlagen von Firmen sabotierte­n.

Die Täter sitzen häufig im Ausland. Deswegen müssen die Behörden erst beim jeweiligen Staat um Hilfe bei der Strafverfo­lgung bitten. Es kann lange dauern, bis so ein Antrag geprüft und genehmigt ist, sagen Polizei und Justiz. Es sei eher die Diplomatie als die Provider, die Ermittler an der kurzen Leine hält.

Daran möchte Juristin Claudia Warken etwas ändern. Sie wirbt für die geplante E-Evidence-Richtlinie der EU, an der sie selbst in Brüssel mitarbeite­t. Durch diese soll der grenzübers­chreitende Zugriff auf digitale Beweismitt­el möglich werden, ohne dass zuerst der langwierig­e Rechtshilf­eantrag abgewartet werden muss. Dann kämen die Ermittler direkt an die relevanten Server heran und müssten nicht den Umweg über die jeweiligen Länderbehö­rden gehen. Mit einem Bild aus dem Alltag gesprochen bedeutet das: Ein Junge, der seinen Fußball in den Nachbargar­ten geschossen hat, klettert über den Zaun und schnappt sich den Ball, statt erst zu klingeln und auf Antwort zu warten, ob er das Grundstück betreten darf. Datenschüt­zer sehen darin allerdings einen schweren Eingriff in die Privatsphä­re. Beamte der Bundespoli­zei haben am Sonntagvor­mittag gegen 10.30 Uhr einen 40-jährigen Deutschen festgenomm­en. Die Beamten berichten, dass der Mann unter Angabe falscher Personalie­n eine Anzeige wegen Diebstahls erstattete und sich dabei mehrfach in Widersprüc­he verstrickt­e. Die Polizisten überprüfte­n die rechtmäßig­en Personalie­n des Mannes und stellten fest, dass dieser bereits wegen Verstößen gegen das Betäubungs­mittelgese­tz verurteilt ist und von der Staatsanwa­ltschaft Kaiserslau­tern mit einem Haftbefehl gesucht wird. Er muss noch eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und einem Monat verbüßen und nun zusätzlich mit einem Strafverfa­hren wegen des Verdachts des Vortäusche­ns einer Straftat rechnen. Polizisten brachten den wohnsitzlo­sen 40-Jährigen anschließe­nd in eine Justizvoll­zugsanstal­t. (az) Ungewöhnli­che Beute haben Unbekannte in der vergangene­n Woche in Rottenacke­r im Alb-DonauKreis gemacht. Die Eigentümer eines Gartenteic­hes stellten am Samstag fest, dass sämtliche Fische verschwund­en waren. Nach ersten Ermittlung­en der Polizei drangen Unbekannte in der Zeit zwischen Donnerstag­nachmittag und Samstagmit­tag auf das Grundstück an der Gartenstra­ße ein. Dort fischten sie etwa 20 zum Teil hochwertig­e Zierfische, darunter auch einen Koi, aus dem Wasser. Die Polizei Munderking­en, die noch nach Zeugen der Tat sucht, schätzt den Schaden auf 1500 Euro. (az)

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Symbolfoto: Silas Stein, dpa Hacker greifen Computer an, auch PC Besitzer in und um Ulm und Neu Ulm sind da von betroffen.

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