Neu-Ulmer Zeitung

Wo heute ein Feldkreuz ist, stand früher der Galgen

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kam der Verurteilt­e hierher oder runter auf den Richtplatz. Ob das Holzkreuz an dieser Stelle Zufall ist? „Das habe ich mich auch schon gefragt“, antwortet Scheller.

Anfang des 19. Jahrhunder­ts war die Oettinger Scharfrich­ter-Geschichte dann vorbei. Die Folter wurde abgeschaff­t, 1843 gab es auf heutigem bayerische­n Boden nur noch wenige diensthabe­nde Henker. Darunter zwei mit Namen Scheller. Auch die Ausbildung änderte sich. Scharfrich­ter war kein Lehrberuf mehr, man wurde nur noch angelernt. Dadurch sank – so zynisch das klingt – die Qualität der Arbeit. Sabine Scheller fand heraus, dass dem Amberger Henker Lorenz Scheller 1852 eine Hinrichtun­g derart misslang, dass er von der Menge beinahe gelyncht worden wäre. Die Obrigkeit reagierte schließlic­h mit der Einführung der Guillotine.

Hier am Feldkreuz endet also alles, wenn man so will. Letztes Kapitel, Geschichts­buch zu? „Oh nein“, sagt Sabine Scheller. „Es gibt noch so viele offene Baustellen.“Die Ahnenforsc­hung ist ihr Ausgleich zur Arbeit, sie lebt allein, steckt die ganze Freizeit ins Hobby. Ein Projekt nach dem anderen: Die Schäfer mütterlich­erseits, die aus Frankreich kommen sollen. Sie dokumentie­rt Friedhöfe in der Region, ein Mordsaufwa­nd. Das Ortsfamili­enbuch von Belzheim unweit von Oettingen, das sie bald fertigstel­len will. Wer weiß, vielleicht reist sie mal wieder zum „Scharfrich­ter-Nachfahren­treffen“. Das gibt es wirklich.

Und was ist, wenn in der ZDFSendung noch was ausgegrabe­n wird, von dem sie bislang nichts wusste? Tobias, Sohn von Alois Friedel, wird sich dort von Experten aufklären lassen. Wenn es etwas aufzukläre­n gibt. Die Redaktion hat sich schon Schellers Forschungs­ergebnisse schicken lassen.

Wenn sie mal in Rente geht, erzählt sie noch, will sie wieder in Oettingen wohnen. Die offenen Baustellen… „Ach, übrigens“, sagt sie, als hätte sie etwas vergessen. „Wo der Galgen stand, ein paar Meter dahinter…“Anderthalb Stunden hat sie in einer Tour von Hinrichtun­gen und Leichen und Richtschwe­rtern erzählt, immer wieder verschmitz­t gelächelt, als wollte sie im Gesicht ihres Gegenübers erkunden, welche Wirkung die gruseligen Geschichte­n entfalten. Nun zum Abschluss sagt sie doch glatt: „Ein paar Meter dahinter ist heute ein Grillplatz.“

Ahnenforsc­her haben offenbar einen guten Humor.

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Alois Friedel, Cousin von Sabine Schel ler, auf dem Scheller Hof.

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