Vier Wochen im Zentrum der Macht
Unsere K!ar.Texterin hat einen Monat lang zwei Bundestagsabgeordnete begleitet. Was sie in Berlin erlebte und wie sich ihr Bild von Politik dadurch verändert hat
Politik betrifft uns, jeden Tag. Bei der Bundestagswahl, im vergangenen Jahr, durfte ich zum ersten Mal wählen, und habe gemerkt, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, wie Politik wirklich funktioniert. Um das zu ändern, habe ich ein Praktikum, das mir mein früherer Englischlehrer anbot, im Wahlkreis- und Bundestagsbüro der Abgeordneten meines Wahlkreises, Ekin Deligöz (Grüne) und Karl-Heinz Brunner (SPD), gemacht.
Zwei Wochen lang war ich in Brunners Wahlkreisbüro in NeuUlm tätig. Meine Aufgaben waren vor allem das Schreiben von Pressemitteilungen, das Zusammenstellen der täglichen Presseschau mit den wichtigsten Nachrichten aus der Region oder das Verfassen von „Sprechzetteln“. Auf denen werden die wichtigsten Informationen zu bestimmten Themen zusammengefasst, damit die Abgeordneten die Infos auf einen Blick haben und selbst mühsam recherchieren müssen. Zu den täglichen Aufgaben eines Abgeordneten gehören aber auch Termine im Wahlkreis, zu denen ich Brunner in den beiden Wochen begleitet habe.
Dann endlich ging es ab nach Berlin, wo ich günstig und schön bei einer Bekannten in Alt-Treptow untergekommen bin. Ich hatte zwar von hier fast eine Stunde Fahrt mit Bus, U- und S-Bahn bis zum Bundestag prägt von Multikulturalität. Jeden Tag finden am Brandenburger Tor, am Potsdamer Platz oder auf den Straßen des Regierungsviertels Demonstrationen und politische Veranstaltungen statt. Das alles so zu erleben, hat mich schwer beeindruckt.
In meinen vier Wochen dort durfte ich auch zwei Sitzungswochen miterleben. Während dieser Zeit gilt für die Abgeordneten Anwesenheitspflicht und es finden Debatten im Plenum oder in Ausschüssen, Gespräche mit Lobbyisten und viele Abendtermine, wie die Süddeutsche Zeitungsnacht oder das Sommerfest des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, bei denen ich begleiten, aber auch vertreten durfte, statt.
Das alles bedeutet natürlich viel Arbeit im Büro. Briefe von Bürgern werden beantwortet und nicht selten musste ich mich selbst erst einmal in das zu behandelnde Thema einlesen. Auch die vielen Einladungen von Vertretern, Vereinen oder anderen Veranstaltern müssen genicht checkt und beantwortet und der Kalender des Abgeordneten auf dem neuesten Stand gehalten werden. Hinzu kommen dann noch Reden, zu denen Informationen gesammelt werden müssen. Oder andere Zuarbeiten, um den Parlamentarier in seinem Alltag zu unterstützen und ihn auf alle Termine und Gespräche vorzubereiten. Das bedeutet zwar regelmäßig Stress. Es ist aber auch unheimlich interessant und spannend, so nah an der großen Po- litik zu sein. Ne- ben der großen und offenen Architektur des Reichstags, das wie wenige andere Orte das Gefühl von Größe und Bedeutung erzeugen, haben mich vor allem die Arbeit und die vielfältigen Aufgaben der Abgeordneten beeindruckt. Ihr Tag beginnt nicht selten um 7.30 Uhr und endet erst mitten in der Nacht.
Während der großen Debatten im Plenum saß ich auf der Zuschauertribüne über den Parlamentariern und konnte alles genau beobachten. Die eigentliche Politik und die Entscheidungen werden jedoch nicht im Plenum, sondern in den verschiedenen, vorangegangenen Ausschüssen und Arbeitskreisen getroffen und im Plenum dann nur noch präsentiert. Der Abgeordnete Karl-Heinz Brunner sitzt beispielsweise im Verteidigungsausschuss und im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.
In meiner Zeit in Berlin ist mir eines bewusst geworden: Es ist unfassbar wichtig, sich vor einer Wahl genau mit den Kandidaten auseinanderzusetzen. Denn die Parteienzugehörigkeit sagt oft wenig über den Politikstil und die Einstellung des Einzelnen aus. Die täglichen Demonstrationen und politischen Veranstaltungen in Berlin sind mitreißend. Dort ist die „große Politik“tagtäglich mit der Meinung des „kleinen Mannes“konfrontiert. Das ist lebendige Demokratie. Und sie beginnt bei uns.