Neu-Ulmer Zeitung

Vier Wochen im Zentrum der Macht

Unsere K!ar.Texterin hat einen Monat lang zwei Bundestags­abgeordnet­e begleitet. Was sie in Berlin erlebte und wie sich ihr Bild von Politik dadurch verändert hat

- VON JOSEPHINE GLOGGER HÖNLE

Politik betrifft uns, jeden Tag. Bei der Bundestags­wahl, im vergangene­n Jahr, durfte ich zum ersten Mal wählen, und habe gemerkt, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, wie Politik wirklich funktionie­rt. Um das zu ändern, habe ich ein Praktikum, das mir mein früherer Englischle­hrer anbot, im Wahlkreis- und Bundestags­büro der Abgeordnet­en meines Wahlkreise­s, Ekin Deligöz (Grüne) und Karl-Heinz Brunner (SPD), gemacht.

Zwei Wochen lang war ich in Brunners Wahlkreisb­üro in NeuUlm tätig. Meine Aufgaben waren vor allem das Schreiben von Pressemitt­eilungen, das Zusammenst­ellen der täglichen Pressescha­u mit den wichtigste­n Nachrichte­n aus der Region oder das Verfassen von „Sprechzett­eln“. Auf denen werden die wichtigste­n Informatio­nen zu bestimmten Themen zusammenge­fasst, damit die Abgeordnet­en die Infos auf einen Blick haben und selbst mühsam recherchie­ren müssen. Zu den täglichen Aufgaben eines Abgeordnet­en gehören aber auch Termine im Wahlkreis, zu denen ich Brunner in den beiden Wochen begleitet habe.

Dann endlich ging es ab nach Berlin, wo ich günstig und schön bei einer Bekannten in Alt-Treptow untergekom­men bin. Ich hatte zwar von hier fast eine Stunde Fahrt mit Bus, U- und S-Bahn bis zum Bundestag prägt von Multikultu­ralität. Jeden Tag finden am Brandenbur­ger Tor, am Potsdamer Platz oder auf den Straßen des Regierungs­viertels Demonstrat­ionen und politische Veranstalt­ungen statt. Das alles so zu erleben, hat mich schwer beeindruck­t.

In meinen vier Wochen dort durfte ich auch zwei Sitzungswo­chen miterleben. Während dieser Zeit gilt für die Abgeordnet­en Anwesenhei­tspflicht und es finden Debatten im Plenum oder in Ausschüsse­n, Gespräche mit Lobbyisten und viele Abendtermi­ne, wie die Süddeutsch­e Zeitungsna­cht oder das Sommerfest des Präsidente­n des Bundesnach­richtendie­nstes, bei denen ich begleiten, aber auch vertreten durfte, statt.

Das alles bedeutet natürlich viel Arbeit im Büro. Briefe von Bürgern werden beantworte­t und nicht selten musste ich mich selbst erst einmal in das zu behandelnd­e Thema einlesen. Auch die vielen Einladunge­n von Vertretern, Vereinen oder anderen Veranstalt­ern müssen genicht checkt und beantworte­t und der Kalender des Abgeordnet­en auf dem neuesten Stand gehalten werden. Hinzu kommen dann noch Reden, zu denen Informatio­nen gesammelt werden müssen. Oder andere Zuarbeiten, um den Parlamenta­rier in seinem Alltag zu unterstütz­en und ihn auf alle Termine und Gespräche vorzuberei­ten. Das bedeutet zwar regelmäßig Stress. Es ist aber auch unheimlich interessan­t und spannend, so nah an der großen Po- litik zu sein. Ne- ben der großen und offenen Architektu­r des Reichstags, das wie wenige andere Orte das Gefühl von Größe und Bedeutung erzeugen, haben mich vor allem die Arbeit und die vielfältig­en Aufgaben der Abgeordnet­en beeindruck­t. Ihr Tag beginnt nicht selten um 7.30 Uhr und endet erst mitten in der Nacht.

Während der großen Debatten im Plenum saß ich auf der Zuschauert­ribüne über den Parlamenta­riern und konnte alles genau beobachten. Die eigentlich­e Politik und die Entscheidu­ngen werden jedoch nicht im Plenum, sondern in den verschiede­nen, vorangegan­genen Ausschüsse­n und Arbeitskre­isen getroffen und im Plenum dann nur noch präsentier­t. Der Abgeordnet­e Karl-Heinz Brunner sitzt beispielsw­eise im Verteidigu­ngsausschu­ss und im Ausschuss für Recht und Verbrauche­rschutz.

In meiner Zeit in Berlin ist mir eines bewusst geworden: Es ist unfassbar wichtig, sich vor einer Wahl genau mit den Kandidaten auseinande­rzusetzen. Denn die Parteienzu­gehörigkei­t sagt oft wenig über den Politiksti­l und die Einstellun­g des Einzelnen aus. Die täglichen Demonstrat­ionen und politische­n Veranstalt­ungen in Berlin sind mitreißend. Dort ist die „große Politik“tagtäglich mit der Meinung des „kleinen Mannes“konfrontie­rt. Das ist lebendige Demokratie. Und sie beginnt bei uns.

 ?? Archivfoto: Ralf Lienert ?? Im Praktikum im Bundestag in Berlin hat unsere K!ar.Texterin Josephine Glogger Hönle wertvolle Eindrücke über die Arbeit im Parlament erhalten. Das Leben in Berlin und die Debatten zwischen den Abgeordnet­en ha ben ihr Bild von Politik verändert.
Archivfoto: Ralf Lienert Im Praktikum im Bundestag in Berlin hat unsere K!ar.Texterin Josephine Glogger Hönle wertvolle Eindrücke über die Arbeit im Parlament erhalten. Das Leben in Berlin und die Debatten zwischen den Abgeordnet­en ha ben ihr Bild von Politik verändert.
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Josephine Glogger Hönle

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