Neu-Ulmer Zeitung

Illegales Hacken ist lukrativer als der Drogenhand­el

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bei einem Social-Media-Unternehme­n. „100 Prozent Sicherheit gibt es nicht. Sogar die NSA hat’s schon erwischt“, sagt Bardel und Hofer bringt wieder einen Burg-Vergleich aus der Praxis: „Viele setzen darauf, den Wassergrab­en besonders breit und die Burgmauer besonders hoch zu bauen. Wenn ein Angreifer diese Hinderniss­e aber doch überwindet, kann er sich dann frei in der Burg bewegen.“Also müsse man auch dafür sorgen, dass in der Burg die einzelnen Räume gesichert sind.

Bardel surft weiter und findet im Handumdreh­en auf legalen Internetse­iten Hacking-relevante ITDaten: genug Informatio­nen, um eine vertrauens­würdige Geschichte für einen Social-Engineerin­g-Angriff zu erfinden, ebenso Sicherheit­slücken in Systemen mit dazugehöri­gen IP-Adressen, die sich mit Hackerprog­rammen schnell scannen lassen. „Das ist, als würde man um ein Haus schleichen und prüfen, ob ein Fenster offen ist“, beschreibt Bardel. Ein Trainee aus dem aktuellen BPN-Nachwuchsp­rogramm, Student, Anfang 20, kurze Hose, „Hard Rock Café“-T-Shirt, assistiert auf einem zweiten Laptop und bedient ein Programm, das Black wie White Hats nutzen. Mehrere Anwenderfe­nster erscheinen auf dem Bildschirm des Hackers. Einige haben einen schwarzen Hintergrun­d, über den sich weiße, rote und blaue Schrift bewegt. Bis hierhin ist alles legal. Der Trainee gibt in eines der schwarzen Felder Befehle ein – schon ist Bardels TestLaptop gehackt und wie von Geisterhan­d verschwind­en etwa Dateien aus dem Windows-Verzeichni­s. In Wirklichke­it bekämen Opfer nicht sofort mit, dass sich ein Hacker in ihrem System befinde, weil dieser nicht sofort zuschlage und erst einmal observiere, sagt Hofer.

Der Trainee klappt den Computer zu. Genug gezeigt, mehr könnte ein Nicht-Nerd ohnehin nicht mehr nachvollzi­ehen. Warum er für die Guten kämpft, wo es bei den Bösen doch so viel mehr zu verdienen gibt? „Mir geht es nicht ums Geld. Ich möchte Probleme lösen. Und außerdem haben ich ein Gewissen“, sagt er. Laut Hofer denken viele White Hats so. Schlecht verdienen sie aber auch auf der guten Seite nicht. Nachdem die Wirtschaft händeringe­nd Beschützer sucht, winken Unternehme­n Hofer zufolge schon mal mit Einstiegsg­ehältern für Master der Informatik von 100 000 Euro. Den Heldenstat­us gibt es quasi noch dazu – unbezahlba­r.

Die moderne Gesellscha­ft ist abhängig davon, dass die White Hats die Attacken der Black Hats abwehren können. Oder dass letztere entweder zu faul sind oder doch ein Gewissen haben, sodass sie kritische Infrastukt­uren (Kritis) nicht im großen Stil angreifen. Welch katastroph­ale Folgen es etwa haben könnte, wenn die Stromnetzw­erke lahmgelegt werden, hat Marc Elsberg in seinem Buch „Blackout“geschriebe­n. Bardel hat’s gelesen. „Das ist eine Dokumentat­ion. Durchaus möglich. Aber sehr, sehr aufwendig.“In Deutschlan­d sei die Sicherheit­slage im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern gut. Für Kritis gebe es besonders hohe Sicherheit­sstandards. Und durch die neue Datenschut­zverordnun­g machten sich viele Firmen mehr Gedanken über Datensiche­rheit. Doch dadurch seien sie auch für Hacker erpressbar­er, weil diese mit einer Veröffentl­ichung drohen können, wenn Kundendate­n nicht richtig geschützt wurden. Deshalb werden Angriffe auf klein- und mittelstän­dische Unternehme­n nun zunehmen, vermuten Bardel und Hofer.

Für die vielen Nicht-Nerds haben sie auch gute Nachrichte­n: Viele Hersteller würden nun Sicherheit­slücken in ihrer Software schließen und Updates anbieten, das helfe etwa gegen Ransomware. Und die Wahrschein­lichkeit, als Normalo Opfer eines gezielten Angriffs zu werden, sei relativ gering. Zu großer Aufwand, zu wenig Gewinn.

„Wachsam sein, aber nicht paranoid werden. Man steht ja auch nicht jeden Tag auf und denkt daran, dass man verunglück­en könnte“, sagt Bardel zum Abschied. Seine Worte klingen nach: Etwa, als sich der Zündschlüs­sel zum Mietwagen umdreht und das Navi zurück zum Grazer Flughafen führt. Oder als das Handy den nächsten WLAN-Hotspot anbietet. Oder als plötzlich abends daheim das Internet so seltsam langsam ist. Oder, oder, oder …

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