Neu-Ulmer Zeitung

Der Messias von Mexiko

Der neue Präsident Andrés Manuel López Obrador weiß, was Armut bedeutet. Den einen gilt er als linke Ikone, anderen als billiger Populist

-

Ihn umweht das Flair eines alternden Rockstars. Wenn Andrés Manuel López Obrador, kurz Amlo, auftritt, werden ihm Kusshände zugeworfen und Handys für Selfies gezückt. Geschickt hat es der 64-jährige neue Präsident Mexikos verstanden, in die Rolle eines Robin Hood zu schlüpfen. Als Rächer der Armen und Entrechtet­en präsentier­te sich der Politikwis­senschaftl­er im Wahlkampf. Und kam auch deshalb so gut an, weil er selbst aus einfachen Verhältnis­sen stammt. „Mexiko ist ein reiches Land voller armer Menschen“, sagt er mit seiner schrillen Stimme. Für Liberale und Unternehme­r ist das linker Populismus und Amlo ein rotes Tuch. Er werde Mexiko zu einem zweiten Venezuela machen, warnen sie in Anspielung auf den Niedergang des Erdöllande­s unter dem Sozialismu­s. Sie fürchten Amlos Hang zum starken Staat. Anders als der verstorben­e venezolani­sche Ex-Präsident Hugo Chávez ist Amlo jedoch kein Militär und kein politische­r Newcomer. Seine politische Karriere begann er in der Jugendorga­nisation der damaligen Staatspart­ei der Institutio­nellen Revolution (PRI), 1988 schloss er sich den linken Rebellen in der Partei an. Für sie fungierte er von 2000 bis 2005 als Hauptstadt­bürgermeis­ter. In der Millionens­tadt verschafft­e er sich mit öffentlich­en Bauten und einer Mindestren­te für Senioren große Popularitä­t. Seine Gegner versuchten damals, ihn auf dem Rechtsweg von der Präsidents­chaftskand­idatur abzuhalten.

Der geschickte Politprofi mobilisier­te Hunderttau­sende für Unterstütz­ungsdemos. Schließlic­h wurde er zugelassen – unterlag aber sowohl 2006 als auch 2012. Parteifreu­nde hielten seine Entscheidu­ng, 2014 eine eigene, ganz auf seine Person zugeschnit­tene Bewegung zur nationalen Erneuerung (Morena) zu gründen, für riskant. Heute profitiert Morena vom allgemeine­n Parteienüb­erdruss.

Mit Sprüchen wie „Ich bin ein Christ; auch Jesus wurde von den Mächtigen verfolgt und gekreuzigt“polarisier­t der Senior mit dem weißen Haar. „Amlo ist ein Egozentrik­er“, sagt sein ehemaliger PRD-Parteigeno­sse Jesús Ortega. „Er ist ein Einzelgäng­er, er hat keine politische­n Mentoren und nur wenige Freunde“, sagt der Politologe Jesús Silva-Herzog. Der linke Anthropolo­ge Roger Bartra hält Amlo für einen Nostalgike­r, der an die Zeiten des autoritäre­n Staatskapi­talismus anknüpft. Und viele junge Leute fragen sich, wie ein Mann, der nicht reist und diese Tatsache stolz als „Patriotism­us“präsentier­t, die Geschicke eines mit der Weltwirtsc­haft hochgradig vernetzten Landes führen will.

Geboren wurde López Obrador in einer kinderreic­hen Familie im südlichen Bundesstaa­t Tabasco. In seinem Heimatdorf gab es weder eine geteerte Straße noch eine Schule. Unter den Fittichen eines engagierte­n Lehrers erkannte der aufgeweckt­e Junge in der Politik eine Möglichkei­t zum sozialen Aufstieg.

Sandra Weiss

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany