Spannender Blick hinter Klostermauern
Anton Aubele aus Straß hat mit 77 Jahren seine Doktorarbeit über die Benediktinerabtei Elchingen geschrieben. Dabei stieß er auf Hitzköpfe, Tüftler und Erfinder
Straß Als Zwölfjähriger begann sich Anton Aubele sehr für Geschichte zu interessieren, als man in Straß auf die Spuren von Römern und Kelten stieß. Mit 77 wurde der pensionierte Lehrer, der am Neu-Ulmer Lessing-Gymnasium Deutsch und katholische Religion unterrichtete, als Quereinsteiger nach einem Promotionsstudium in Stuttgart nun zum Doktor der Geschichtswissenschaften promoviert. Sein Dissertationsthema „Die Benediktinerabtei Elchingen vom Ende des 30-jährigen Krieges bis zur Säkularisation“ist ein tiefer Einblick in die letzte große Epoche der knapp siebenhundertjährigen Geschichte des Klosters zwischen den Jahren 1648 und 1802/03.
Es sei schade, dass viele Elchingen nur mit Napoleon verbinden, sagt Aubele, der für seine Doktorarbeit zahlreiche Primärquellen las, darunter mehrere tausend Seiten Tagebücher von Äbten und Patres des Klosters Elchingen. „Die Epoche nach der Zäsur des 30-jährigen Krieges ist unerhört spannend.“Der Neubeginn aus den Zerstörungen heraus, in einer Zeit, in der das Kloster von hohen Schulden belastet war und viele Menschen an Seuchen gestorben waren, benötigte ein halbes Jahrhundert, bis das Kloster wieder zur Blüte kam. Nur 15 Mönche der Benediktinerabtei hatten die Kriegszeit überlebt, 113 Männer traten im untersuchten Zeitraum in das Kloster ein.
Mit all diesen Männern, die aus der Region, aber auch bis aus Bozen kamen, beschäftigte sich Anton Aubele in seiner Dissertation. Er stieß Hitzköpfe, auf hochbegabte Tüftler und Erfinder und auf Männer wie Meinrad Widmann, der energisch gegen die Aufklärung kämpfte, während im Kloster durchaus Offenheit für aufklärerisches Gedankengut und für die Wissenschaften herrschte. Denn nach den Ordensregeln des Heiligen Benedikt sollte es der Abt eines Klosters jedem ermöglichen, seine Talente bestmöglich zu entwickeln und einzusetzen.
„Die Modewissenschaft des 18. Jahrhunderts war die Elektrizität“, berichtet Aubele. Praktische Experimente wurden im Kloster veranstaltet. Erstaunliche Leistungen in der Vermessungstechnik (wo Abt Meinrad Hummel selbst Spezialist war) und auch in der Musik wurden im Kloster Elchingen gemacht, und ein Drehstuhl wurde erfunden, mit dem man Münzen prägen konnte. Pater Josephus Rauch beispielsweise fabrizierte mechanische Orgeln, von denen eine – mit 14 Liedern – in der Thalfinger Kirche St. Laurentius im Einsatz war. Dass Äbte für solche Tüfteleien Geld gaben, fanden nicht alle Patres gut: Über innere und äußere Ereignisse der Klostergeschichte geben gerade Aufzeichnungen wie das fünfbändige Tagebuch des Paters Benedikt Baader Aufschluss, das zwischen 1785 und 1808 geschrieben wurde. Am Abt selbst, sagt Anton Aubele, wurde aber – wenn überhaupt – nur ganz leise Kritik geübt. „Er war der Stellvertreter Christi, war geistlicher und weltlicher Herr“, erläutert der Wissenschaftler.
Der Tagesablauf der Mönche war mit Gebetszeiten und Schweigegeboten streng geregelt. Ein Frühstück gab es nicht. Die Mönche erhielten trotz der frühen Gebetszeiten nur zwei Mahlzeiten, eine um elf und eine um 17 Uhr.
Für die Untertanen des Klosters Elchingen lebte es sich wohl gut unauf ter dem Stab des Abtes: Die Leibeigenschaft wurde sehr früh, im beginnenden 16. Jahrhundert, abgeschafft. Die Steuern und Abgaben waren moderat, und mit einem Oberwaisenpfleg- und Rechnungsinstitut gab man den Untertanen die Möglichkeit, Geld zu sparen, Zinsen zu bekommen und Kredite zu erhalten. „So entstand ein gewisser Wohlstand“, erklärt Aubele, der für seine Dissertation viele Aspekte aus der letzten Epoche des Klosters in einer Gesamtschau bearbeitete. Die Stellung des Abtes an sich und die einzelnen Prälaten in ihrer Persönlichkeit gehören dazu, die Entwicklung des Konvents und die zahlenmäßige und soziale Herkunft der Patres, das Klostergymnasium und das Schultheater, die medizinische Versorgung der Patres und ihre Lehrtätigkeit an Hochschulen wie Salzburg und die Gerichtsbarkeit, aber auch das Kloster als Arbeitgeber, die inkorporierten Pfarreien wie Fahlheim und Thalfingen – und die Folgen der Säkularisation.
Da manche Themen erstmals untersucht wurden, ergaben sich neue Erkenntnisse und Aspekte des Klosters, das 1802 – „ohne rechtliche Grundlage“, betont Aubele – säkularisiert und dem Kurfürstentum Bayern zugesprochen wurde. „Die Güter wurden verkauft“, erklärt er. Aus der Klosterbibliothek war zu jenem Zeitpunkt schon vieles verschwunden, die Reste kamen nach Dillingen.
Einen Traum hat der Historiker: Dass seine Dissertation über das Kloster Elchingen als reich bebilderter Band erscheinen könnte, damit jene spannende Epoche für Leser zugänglich wird.