Neu-Ulmer Zeitung

Ihr Sägen bringt Segen

Kunstaukti­on für die Kartei der Not

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Vöhringen Es ist Samstagvor­mittag, 10 Uhr. Unter schattigen Bäumen im Garten des Vöhringer Gasthauses Zum Griaswirt ist ein Atelier eingericht­et. Dort wollen Markus Holl und Bruno Schwägerl mit ihren Kettensäge­n große und kleine Kunstwerke schaffen – und diesmal werden die Unikate dann für den guten Zweck versteiger­t.

Dicke Stücke von Baumstämme­n liegen bereits herum, zwei stehen aufrecht. Aus diesen beiden wollen Holl und Schwägerl in wenigen Minuten neue Holzplasti­ken formen. Manch ein Zuschauer schaut ungläubig, als die beiden Männer mit Kettensäge­n den großen Holzteilen zu Leibe rücken. Immerhin sind sie rund 1,50 Meter hoch und haben gut und gerne einen Durchmesse­r von 60 Zentimeter­n. Stumm staunen die Gäste – im Laufe des Tages werden es mehr als 100 – mit welcher Präzision und Liebe zum Detail aus den klobigen Holzstücke­n richtige Kunstwerke entstehen.

Am Abend stehen 15 Objekte bereit, einige stammen aus dem Fundus der Kettensäge­nkünstler, andere sind neu.

Jetzt schlägt die

Stunde von Auktionato­r Alois

Heinrich. Zunächst spricht er über das Leserhilfs­werk unserer

Zeitung, der

Kartei der Not. Denn die Schnitzkun­st soll zugunsten des Leserhilfs­werks versteiger­t werden. Heinrich erklärt, das Besondere daran sei, dass ausschließ­lich Menschen in Not aus der Region geholfen werde. Dann beginnt die Versteiger­ung. Redegewand­t, humorvoll und schlagfert­ig rückt er die einzelnen Stücke in den Mittelpunk­t des Interesses. Und der Erfolg bleibt nicht aus: Manche Gäste ersteigern gleich mehrere Unikate. Einen Spitzenpre­is erzielt unter anderem ein Adler, der einen Fisch in seinen Krallen hält. Das Kunstwerk aus Holz geht für 230 Euro an den neuen Besitzer. Nach etwas mehr als einer Stunde ist die Auktion vorbei und 1300 Euro sind in der Kasse. Markus Holl gibt zu, dass er damit nicht gerechnet hätte, und macht aus seiner Freude keinen Hehl. Es war seine Idee, eine Schnitzver­anstaltung auf die Beine zu stellen. Illertisse­n Wie die Iller der Zukunft aussieht, ist ungewiss. Zumal die Vorstellun­gen der Interessen­sgruppen unvereinba­r scheinen. Naturschüt­zer blicken erwartungs­voll den Renaturier­ungsplänen der Wasserwirt­schaftsämt­er in Donauwörth und Tübingen entgegen, die immer konkreter werden. Ihnen gegenüber steht die Firma Fontin mit Plänen für Kleinkraft­werke direkt in der Iller. Ein erstes Bauwerk zwischen Illertisse­n und Dietenheim ist bereits genehmigt worden. Gegen den Bau klagt jedoch, wie berichtet, der Bund Naturschut­z.

Um die Naturfreun­de über die aktuellen Entwicklun­gen zu informiere­n, hat Bernd Kurus-Nägele, Vorsitzend­er der Ortsgruppe Senden, kürzlich ein Treffen veranstalt­et. Während es noch keinen Termin für den Prozess vor dem Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n gebe, wo die Klage wegen Mängel im Gutachten verhandelt werden soll, könnte nächstes Jahr mit Maßnahmen an der Iller nahe Heimerting­en begonnen werden.

Peter Faigle vom „Landesbetr­ieb Gewässer“im Regierungs­präsidium Tübingen stellte anhand eines Planes die 20 Maßnahmen vor, die innerhalb von zehn Jahren rund um Illertisse­n geplant sind, vor. Bei dreien sind die Vorstellun­gen bereits konkreter. Am weitesten ausgearbei­tet sei jenes Vorhaben nahe Heimerting­en, wofür schon das Planfestst­ellungsver­fahren laufe.

Die Iller soll durch einen kleinen Seitenarm ausgeweite­t und der dazwischen liegende Grund tiefer gelegt werden. Bei Hochwasser soll es so regelmäßig zu Überflutun­gen kommen. Profitiere­n würden die Natur, der Grundwasse­rspiegel und der Hochwasser­schutz. Zudem könnten Fische, die sonst von der reißenden Flut abgetriebe­n werden, dorthin ausweichen.

Als Nächstes soll die Iller zwischen Vöhringen und Senden ausge- Illertisse­n weitet werden, wobei in das verbreiter­te Flussbett große Steine – offenes Deckwerk genannt – gelegt werden. Dabei würden die unterschie­dlichen Anforderun­gen berücksich­tigt, die den Hochwasser­schutz und einen niedrigen Grundwasse­rspiegel betreffen, so der Referent. Die Pläne sollen im Herbst eingereich­t werden.

Des Weiteren soll die Staustufe bei Au mit einer sogenannte­n Sohlgleite ausgestatt­et werden. Dadurch sollen auch Fische die Staustufe überwinden können. Zugleich könnte die Iller Kies, sogenannte­s Geschiebe, weiterbefö­rdern.

Insgesamt seien auf 60 Kilometern Illerlauf 59 Renaturier­ungsmaßnah­men angedacht. Dafür wur- den ganze 70 Millionen Euro veranschla­gt, so der Referent. 50 Eingriffe würde das Land Baden-Württember­g beziehungs­weise Bayern übernehmen. Für neun hätten sich Kraftwerks­besitzer bereit erklärt. Dass die Länder an einem Strang ziehen, wurde im November 2017 in einem Staatsvert­rag festgelegt.

Faigle zeigte zwei Aufnahmen der Iller: Einmal das Bild eines schnurgera­den, tief eingegrabe­nen Flusses zwischen verbauten unzugängli­chen Ufern, wie er südlich von Illertisse­n zu finden ist. Dann ein Foto der Iller bei Vöhringen – mit breitem Flussbett, Kiesbänken und flachen Ufern. Faigle spricht von einer „Wasserauto­bahn“, die sich immer tiefer in die Sohle grabe und diese zerstöre. Querbauten oder Staustufen – die älteste in der Iller stammt aus dem Jahr 1904 – sollten ein weiteres Absinken des Grundwasse­rspiegels verhindern. „Wir wünschen uns die Iller von 1999, was den Grundwasse­rspiegel betrifft“, sagte KurusNägel­e. Die lasse sich jedoch nicht mehr zurückhole­n, unter anderem wegen der Grundbesit­ze, die bis an die Ufer reichen.

Auch bei jenen Maßnahmen zum Zwecke der „agilen Iller“, die auf den 60 Flusskilom­etern als durchführb­ar gelten, bleiben Fragen offen. Einige davon wurden von den rund 50 Anwesenden gestellt. Etwa, inwieweit abgeholzte­r Wald Ausgleichs­maßnahmen erfordere. Sofern wieder Auwald nachwachse, müsse nichts ausgeglich­en werden, hieß es. Eine andere Sorge galt der Mindestwas­sermenge. Den Kanälen, die ihr eigenes Ökosystem entwickelt hätten, könne nicht einfach Wasser entzogen werden.

Nicht zuletzt wegen unterschie­dlicher Auffassung­en über die „Mindestwas­sermenge“steht der bereits genehmigte Bau zwischen Dietenheim und Illertisse­n – einem ersten von mehreren Kleinkraft­werken – in der Kritik. Noch hoffen die Naturschüt­zer, mit ihrer Klage durchzukom­men. Denn, wie berichtet, würden Kleinkraft­werke direkt in den Staustufen der Iller die weitergrei­fenden Renaturier­ungspläne der Länder Bayern und Baden-Württember­g zunichtema­chen.

 ?? Fotos: Ursula Katharina Balken ?? Markus Holl in Aktion: Er stellt mit der Kettensäge Kunstwerke aus Holz her. Das konnten jetzt viele Zuschauer live sehen.
Fotos: Ursula Katharina Balken Markus Holl in Aktion: Er stellt mit der Kettensäge Kunstwerke aus Holz her. Das konnten jetzt viele Zuschauer live sehen.

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