Von schwulen Männern, ihrer Liebe und einem Haushaltsroboter
„Love is ...“ist mitreißend, geistvoll und witzig. Doch die Bühne im Podium nimmt viel vom Potenzial des Musicals
Ulm Joo Kraus lag mit seinem Wunsch richtig: Girard Rhodens musikalische Komödie „Love is...“sollte auf der Bühne des Großen Hauses aufgeführt werden, träumt der Komponist und Trompeter, der Rhodens Musical orchestriert hat. Mehrere Jahre hat der Tenor Girard Rhoden an seiner Musical-Komödie gearbeitet, fünf Monate lang probten die Musiker um Joo und Dieter Kraus samt Chor und Akteuren intensiv für die Aufführung von „Love is ...“. Das fast dreieinhalbstündige Stück hat alles, was ein Erfolgsmusical braucht: mitreißende Melodien, eine verflochtene, oft geistvoll-witzige und doch einfach zu erzählende Handlung und ein Happy End. Nur die Uraufführung im Podium – als Live-Hörspiel auf viel zu enger Bühne, ohne Bühnenbild und mit Schauspielern als Sänger – nimmt „Love is...“einiges von dem, was es sein könnte.
Das Ehepaar Nora und Ron Wilson, sie demnächst 40 und er wenig älter, beobachtet, wie Sohn Ray zum Mann wird. Eine Freundin würde man ihm schon wünschen, aber dass Ray sein „erstes Mal“ausgerechnet mit der doch einige Jahre älteren attraktiven Französischlehrerin Gloria anstrebt – wie das Elternpaar meint – verschafft etwas Magengrummeln. Doch dann gerät das Leben von Nora und Ron komplett aus den Fugen: Nora findet im Wohnzimmer die Unterhose eines Mannes, im Bad gebrauchte Kondome. Ron war ihrer Meinung nach eigentlich allein zu Hause. Und weil Nora wie Ron jeweils trennungserfahrene beste Freunde haben, verursachen die erhaltenen Ratschläge ein völliges Chaos.
Zwei im Haushalt aber kennen die Wahrheit: Der 18-jährige Ray, der es nicht wagt, den Eltern seine Homosexualität und seine Beziehung zum gleichaltrigen Theo zu offenbaren, und „Sahm“, die Maschine mit einem System für einen automatisierten Haushalt. Sahm kann vieles: Anrufe entgegennehmen und koordinieren oder abweisen, die Funktion einer Stereoanlage übernehmen, elektrische Geräte im Haus regulieren oder auch das Badewasser. Dass Sahm auch denken kann und alles registriert was vorgeht, dazu aber fast immer schweigt, macht die Situation noch pikanter. Am 40. Geburtstag von Nora eskaliert die Lage im Haushalt Wilson und es braucht viele Ver- und Entwicklungen, bis sich drei Paare im glücklichen Happy End finden.
Die instrumentale Besetzung von „Love is ...“ist erstklassig, unter anderem mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters, mit den Brüdern Joo und Dieter Kraus an Trompete und Saxofon und mit Andreas Haas am Cello. Girard Rhodens 35-köpfiger Hope-Chor engagiert sich schmissig in den tollen Songs. Wegen der Enge der Podiumsbühne muss die Musikkomödie allerdings zum Live-Hörspiel werden. Das führt angesichts der vielen Beteiligten zu gedrängter Enge und macht schauspielerisches Agieren, das die abendfüllende Handlung authentischer gemacht hätte, unmöglich.
Schauspieldramaturgin Nilufar K. Münzing und Schauspieler Timo Ben Schöfer geben in den Sprechpassagen dem liebenden, aber durch Nichtkommunikation fast in die Katastrophe schlitternden Ehepaar Leben und Glaubwürdigkeit. Dass sie keine ausgebildeten Sänger sind, merkte man in ihren Soli dennoch deutlich. Bei Claudia Vetter und Michael Burow-Geier, die die Rollen der jeweils zweifach geschiedenen Freunde Emily und Jack sprechen und singen, ist es genau gegenteilig – aber angesichts der umfangreichen Gesangspartien sind die beiden Chorsänger des Theaters Ulm eine ausgesprochen gute Wahl. Florian Stern und Jakob Egger, die das männliche Liebespaar Ray und Theo verkörperten, sind tolle Schauspieler, die ihren charakterlich interessant gestalteten Rollen auf einer größeren Bühne richtiges Leben hätten einhauchen können. Gesanglich wird es vor allem bei Florian Stern etwas schwierig.
Und Sahm, das multiple Haushaltssystem, das viel schärfer denken kann als seine Besitzer meinen, das aber keine Gefühle kennt? Bass Emanuel Pichler singt die Rolle großartig, körperlich als emotionslos handelndes System einfach nur vorhanden.
Ob Joo Kraus’ Traum wahr werden kann? Zu wünschen wäre es Girard Rhodens Musical um ein (fast zu spät gewagtes) Coming-out.
Nicht alle Darsteller überzeugen gesanglich