Jetzt geht der Asylstreit in der SPD weiter
Transitzentren, wie die Union sie plant, hat die Partei schon einmal abgelehnt. Doch Nahles sieht neue Lage
Berlin Gerade haben CDU und CSU ihren erbitterten Asylstreit beigelegt, da droht in der Großen Koalition die nächste Auseinandersetzung. Denn die „Transitzentren“für bereits in anderen EU-Staaten registrierte Flüchtlinge, die die Union auf Drängen von Innenminister Horst Seehofer an der Grenze zu Österreich einrichten will, sind für die SPD eine mehr als heikle Angelegenheit. Bereits als die Union auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 solche Transitzentren forderte, waren es die Genossen, die dies kategorisch ablehnten.
Flüchtlinge als Erstes einzusperren sei ein falsches Signal, sagte damals Justizminister Heiko Maas, der heute Außenminister ist. Und Transitzonen seien „Haftzonen“. Zwar schweigt Maas nun. Doch für viele seiner Parteifreunde bleibt der Begriff „Transitzentren“ein Reizwort. Insbesondere gilt das für den linken Flügel der SPD. So sagt Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums Demokratische Linke: „Für mich liegt das Vorhaben, Transitzentren zu errichten, außerhalb des Koalitionsvertrags. Dem dürfen wir nicht zustimmen.“Toleriere die SPD derartige Einrichtungen, entferne sie sich immer weiter von ihren Positionen. „Solche Transitzentren sind rechtsfreie Räume und damit nicht mit einer humanitären Flüchtlingspolitik zu vereinbaren.“
Auch Juso-Chef Kevin Kühnert macht klar, was er von den UnionsPlänen hält. Nämlich gar nichts: „Die SPD hat geschlossenen Lagern eine deutliche Absage erteilt. Egal ob in Nordafrika, an der europäischen Außengrenze oder in Passau.“
Die SPD hatte einst verhindert, dass die Einführung von Transitzentren im Koalitionsvertrag auftaucht. So verwundert es nicht, wie sehr der Plan der Union, solche Zentren einzuführen, nun viele Genossen in Rage versetzt.
SPD-Vizekanzler Olaf Scholz hingegen gab sich am Dienstagabend nach zweieinhalbstündigen Beratungen im Koalitionsausschuss unerwartet optimistisch. Er zeigte sich fest überzeugt, mit der Union zu guten, pragmatischen und gesetzlich ordentlichen Regelungen zu kommen. Seine Parteichefin Andrea Nahles hatte schon vor den Beratungen gesagt, dass die SPD den Begriff „Transitzentren“ablehne. Doch es gehe heute nicht mehr um den gleichen Sachverhalt wie 2015. Damals war im Gespräch, alle Flüchtlinge zunächst dort unterzubringen, zwangsläufig wäre es dabei zu langem Aufenthalt gekommen. Heute gehe es nur um eine vergleichsweise kleine Gruppe.
Von einer erbitterten Ablehnung des Asylkompromisses wie im linken Parteiflügel ist der Parteivorstand um Nahles und Scholz also weit entfernt. Beide loben, dass die Union mit der Beilegung des Konflikts wieder zu Handlungsfähigkeit zurückgefunden hat. Darüber, dass in der Einigung von Angela Merkel und Seehofer ausgerechnet das Unwort „Transitzentren“auftaucht, sind Top-Genossen aber ausgesprochen unglücklich. Gleichzeitig ist klar: Wenn die SPD das SeehoferVorhaben rundweg ablehnt, droht die GroKo erneut zu platzen. Und für Neuwahlen fühlt sich die im Umfrage-Keller darbende SPD noch längst nicht gerüstet.
Den Unions-Kompromiss einfach abnicken, so machen viele SPD-Abgeordnete deutlich, werden sie aber nicht. Rechtsexperte Karl-Heinz Brunner etwa sieht noch einigen Erklärungsbedarf seitens der Union. „Horst Seehofer muss jetzt nachweisen, dass sein Konzept der Transitzentren rechtlich überhaupt zulässig ist und dem Koalitionsvertrag entspricht“, sagt er unserer Zeitung.
Lars Castellucci, Sprecher für Migration und Integration der SPDBundestagsfraktion, fordert: „Wir wollen Lösungen haben, die mit unseren europäischen Partnern abgesprochen sind, sonst wird am Ende gar kein Flüchtling mehr registriert. Gleichzeitig müssen die Binnengrenzen offen bleiben und dafür der Schutz der europäischen Außengrenzen verbessert werden.“Und das gehe „ohne geschlossene Einrichtungen oder gar Haftanstalten“. Es gebe also noch „viel Gesprächsbedarf“.