Neu-Ulmer Zeitung

Angstmache­n gilt nicht

Hannes Ringlstett­er singt gegen die Schwarzmal­er an und macht eine Menge Spaß

- VON RONALD HINZPETER

Ulm Man muss nicht unbedingt ein Anhänger der Zeugen Jehovas sein, um langsam das Gefühl zu bekommen: Das Ende ist nah! Ein unberechen­barer Wutnickel im Weißen Haus, Untergangp­ropheten von halb rechts bis ganz rechts, ein irrlichter­nder Bundes(spaltungs)innenminis­ter und mediale Abgesänge auf Deutschlan­d, wie diese Woche im Magazin Der Spiegel (Titelthema: „Es war einmal ein starkes Land“). Wo soll da noch Freude aufkommen? Bei Hannes Ringlstett­er. Der streut dieser Tage einfach ein Aufmunteru­ngsalbum mit dem Titel „Fürchtet euch nicht!“unters Volk. Und er hat damit kurz vor dem Ende der Spielzeit mit diesen Liedern im Ulmer Zelt Station gemacht – zur rechten Zeit.

Der Mann ist einer von diesen Niederbaye­rn, die eigentlich unter Artenschut­z gestellt gehören: Er ist widerständ­ig, aber heimatverb­unden, lustig, aber nicht albern, urwüchsig, aber nicht krachleder­n. Zuletzt war und ist er fleißig als Schauspiel­er („Hubert und Staller“), Comedian und Late-NightTalke­r im Bayerische­n Rundfunk unterwegs. Deshalb hat mancher an diesem Zelt-Abend wohl vor allem Gesprochen­es von ihm erwartet. Doch da Ringlstett­er derzeit mit Band unterwegs ist, beschränkt er sich auf Ansagen seiner Lieder, doch die zelebriert er lustvoll und ausschweif­end. Er erzählt aus seiner niederbaye­rischen Heimat, übers Ministrant­endasein und missglückt­e Kunststück­e mit dem Weihrauchf­ässchen, über die Stille, die es nicht mehr richtig gibt, über betrunkene Totengräbe­r und den alkoholisi­erten Geschichts­dozenten, der minutenlan­g nicht merkt, dass er mit weißer Kreide auf eine weiße Projektion­stafel schreibt.

Ringlstett­er macht sich nicht einfach lustig, er erzählt seine Geschichte­n mit Sympathie und Selbstiron­ie und fragt sicherheit­shalber gleich mal ein Schwabenkl­ischee ab: „Seid’s ihr echt so fleißig?“Die Antwort im sehr gut gefüllten Zelt fällt, nun ja, etwas unbestimmt aus. Und bei all dem kann er sich selber über eine launige Bemerkung mal eben wegschmeiß­en und dann breit grinsend weitermach­en.

Dabei gewinnt der Abend erst so nach und nach Fahrt, denn sein erster zur Wandergita­rre gesungener Appell ans Miteinande­r fällt noch sehr beliebig aus, der Anti-Angstmache­r-Rap von „Fürchtet euch nicht!“kickt schon besser – und dann gibt es irgendwann kein Halten mehr, nicht nur wegen der ausufernde­n Ansage-Plaudereie­n.

Auch die Stücke sind gut, klassische­r Liedermach­er-Stoff, der nach den besten Tagen der österreich­ischen Barden aus den Siebzigern klingt. Die Themenpale­tte kommt mit Gewalt in der Familie, EheElend, Fremdenhas­s und schlechtem Wetter eigentlich eher unlustig daher, doch Ringlstett­er und seine immerhin sieben Mitmusiker servieren das alles in einer sehr süffigen Mischung aus Lagerfeuer-Folk, Rap, Rock, Country, Volksmusik und Italo-Schmalz, mit Genuss anmoderier­t und kompetent gespielt. Die Sonne, die scheint in den Texten trotzdem immer wieder durch. Mit solchen Auftritten lassen sich Angstmache­rzeiten wie diese besser ertragen.

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Foto: Andreas Brücken Hannes Ringlstett­er ist nicht nur ein Mann des Wortes, sondern auch ein ziemlich gu ter Musiker, wie im Ulmer Zelt deutlich zu hören war.

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