Neu-Ulmer Zeitung

Balkan und Beats auf dem Donaufest

An den Ufern herrscht am ersten Wochenende dichtes Gedränge – weil kulinarisc­h, kulturell und kunsthandw­erklich viel geboten ist. Doch nicht allen ist es zum Feiern zumute

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Ulm/Neu Ulm Wie am Fließband schieben sich die Besucher am Stand von Julia Hrushko vorbei. Die Künstlerin aus der Ukraine nimmt zum ersten Mal am Donaufest teil und ist begeistert: „Das Interesse der Gäste ist riesig und die Stimmung ist einfach fabelhaft.“Mit farbenfroh bemalten Tassen, Tellern und Krügen hat die Keramikmal­erin offenbar den Geschmack des Publikums getroffen. Und das strömt am ersten Donaufest-Wochenende in Massen an den Fluss.

Aus dem Dorf Petrykiwka stammt die volkstümli­che Kunst, die vor fünf Jahren sogar in die Liste des immateriel­len Kulturerbe­s der Unesco aufgenomme­n wurde. Dabei macht Hrushko aus dem Malstil kein Geheimnis, sondern will ihn sogar verbreiten: „Wir bieten täglich kostenlose Kurse für Erwachsene und Kinder an.“Grundlegen­de Elemente der Petrykiwka-Malerei sollen dabei in wenigen Stunden erlernt werden. „Auch Menschen, die noch nie zuvor gemalt haben, können sich bei uns ausprobier­en.“

Nur einen Steinwurf entfernt, auf der Bühne vor dem Edwin-ScharffHau­s, lässt das serbische Quartett mit dem Namen Naked musikalisc­h die Hosen herunter. Orientiert an den traditione­llen Motiven der Balkanmusi­k, mischen die fünf Musiker melancholi­sche Klarinette­nund Geigensoli mit harten Bass- und Schlagzeug­beats. Die Hochgeschw­indigkeits­musik, zum Mittanzen für Mitteleuro­päer fast zu schnell, quittieren die Zuschauer, es dürften mehrere Hundert sein, immer wieder mit tosendem Applaus.

Die Musik ist, neben den kulinarisc­hen Spezialitä­ten aus den Donaulände­rn, wahrschein­lich der wichtigste Publikumsm­agnet auf dem Donaufest. Das klingt oft nach Balkan-Tradition, manchmal aber nach Großstadt. So wie die fünf Musiker von Abop aus Zagreb, die an diesem Abend im Donausalon auf der Ulmer Seite spielen. Abop steht für Techno ohne DJ, aber mit kon- ventionell­en Instrument­en wie Schlagzeug, Gitarren und Keyboards. Damit fügen die Kroaten dem sonst oft statischen Stil eine menschlich­e Facette hinzu. Ein Experiment, das gelingt: Schon nach wenigen Minuten strömen neugierige Zuhörern in das Zelt.

Braver zeigt sich da die Tanztruppe Sokolovi auf der Ulmer Weindorfbü­hne. Die vier aus Ungarn spielen dem weintrinke­nden Publikum leichte Muse zur Begleitung. Schwerere Kost dagegen bietet die Schauspiel­erin Katja Riemann im fast ausverkauf­ten Stadthaus-Saal. Mit einer Lesung aus Stefan Zweigs Werk „Die Welt von Gestern – Erinnerung­en eines Europäers“mahnt der prominente Gast den Geist der europäisch­en Idee an. So zeigen sich doch in Zweigs Roman Parallelen zum heutigen Europa: „Nie war Europa schöner, stärker und reicher – Erfindunge­n und Entdeckung­en jagen einander.“Als das Buch 1942 erschien, tobte auf dem Kontinent der Zweite Weltkrieg. Und Zweig hatte sich im brasiliani­schen Exil das Leben genommen. Buchhändle­r Thomas Mahr, Mitorganis­ator der Lesung, sprach jedoch von heute: „Die Werte im europäisch­en Haus müssen verteidigt werden, wenn Nationalis­ten das Fundament aushöhlen.“So scheint es fast wie eine Demonstrat­ion für Europa, wenn Tausende Menschen (nicht nur) aus den Donauregio­nen nach Ulm und Neu-Ulm kommen, um miteinande­r zu feiern.

Unter den Feiernden gibt es derweil schon viel Nachwuchs. Deshalb haben die Organisato­ren wieder ein Programm mit einem Jugendcamp, Familienko­nzerten oder KinderWork­shops organisier­t. Bei einem ist die achtjährig­e Emilia aus Blaustein eifrig dabei. Sie bemalt gerade ein Holzstück in Form eines Fisches. Das Projekt des Vereins „Kinder, Kunst, Natur und Nachhaltig­keit“(Kikuna) soll für die Donau als Lebensraum für Fische sensibilis­ieren. Emilia genießt die Beschäftig­ung unter dem Schatten der Bäume am Jahnufer – und die ganze Veranstalt­ung: „Das Donaufest ist einfach cool.“»Seiten 28/29

Leichte Muse im Weindorf, schwere Kost im Stadthaus

Viele Fotos vom Donaufest gibt es online unter nuz.de/bilder

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